Europäischer Postenpoker: Wird Weidmann nun EZB-Präsident?

Nach dem Abebben der schweren Wirtschaftskrise streitet Europa über Grundsatzreformen. Im Windschatten dessen stellen die Staats- und Regierungschefs voraussichtlich die Weichen für EZB-Personalrochaden. Das könnte große Auswirkungen haben.
Titelbild
Euro-Logo vor der EZB in Frankfurt am Main.Foto: DANIEL ROLAND/AFP/Getty Images
Epoch Times22. März 2018

Eine Personalie mit „Geschmäckle“? Die EU-Staats- und Regierungschefs werden beim EU-Gipfel aller Voraussicht nach den bisherigen spanischen Wirtschaftsminister Luis de Guindos zum Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) ernennen.

Die Finanzminister hatten bereits grünes Licht gegeben, nun fehlt nur noch der Stempel der Chefs. Für Deutschland könnte das weitreichende Folgen haben.

Der parteilose Guindos, bislang Mitglied der Regierung des konservativen spanischen Premierministers Mariano Rajoy, soll dabei dem bisherigen EZB-Vize, dem Portugiesen Vitor Constancio folgen, der Ende Mai planmäßig aus dem Amt scheiden wird. Aus dem Europaparlament war unter anderem Kritik laut geworden, dass die Eurogruppe – also das Gremium der 19 Finanz- und Wirtschaftsminister der Euro-Staaten – einen der ihren in die EZB hieve. Die Unabhängigkeit der Zentralbank sei dadurch gefährdet, hieß es.

Unabhängig davon erhöht ein Spanier als EZB-Vize im fein austarierten europäischen Proporzsystem die Chancen für Jens Weidmann. Schon länger gilt der amtierende Bundesbank-Präsident als heißer Anwärter für die Nachfolge von Mario Draghi an der Spitze der EZB. „Wenn Draghis Amtszeit 2019 ausläuft, sollte der nächste EZB-Chef aus Deutschland sein“, forderte im Frühjahr 2016 der CSU-Politiker Markus Söder, heute bayerischer Ministerpräsident, öffentlichkeitswirksam in der „Bild am Sonntag“. Die EZB brauche „mehr deutsche Handschrift“.

Anleihenkäufe, Billiggeld-Schwemme, Nullzins – in Deutschland ist die Kritik am Kurs der EZB groß. Sparer würden enteignet, Deutschland bezahle indirekt die Rettung überschuldeter Staaten und maroder Banken in Südeuropa. Das Kalkül: Weidmann würde in einer achtjährigen Amtszeit als EZB-Präsident den „Anti-Draghi“ geben, für steigende Zinsen sorgen und den Anlage-Notstand der Kleinsparer beenden.

Dass er von Anleihenkäufen als Mittel der Geldpolitik wenig hält, daraus hat Weidmann nie einen Hehl gemacht. Doch so deutliche Kritik am Anti-Krisen-Kurs wie noch im Sommer 2012 war von dem gebürtigen Solinger mit dem blonden Seitenscheitel zuletzt nicht mehr zu hören. Damals hatte er gesagt: „Wir sollten die Gefahr nicht unterschätzen, dass Notenbankfinanzierung süchtig machen kann wie eine Droge.“ Jüngst hatte Weidmann hingegen wiederholt erklärt, warum eine lockere Geldpolitik noch angemessen sei.

Nüchtern betrachtet spricht vieles für Weidmann, der am 20. April 50 wird: Er hat als Ökonom und Geldpolitiker einen hervorragenden Ruf, ist als ehemaliger Wirtschaftsberater von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) politisch gut vernetzt. Und ist es nicht schlicht an der Zeit, dass nach einem Niederländer (Wim Duisenberg/1998-2003), einem Franzosen (Jean-Claude Trichet/2003-2011) und einem Italiener (Mario Draghi/seit November 2011) ein Vertreter der größten Volkswirtschaft Europas einen der wichtigsten Posten auf dem Kontinent übernimmt?

Als einziges großes Euroland stellte Deutschland noch nie den EZB-Präsidenten oder den Vize der Notenbank. Es sei überfällig, dass Deutschland den Posten des EZB-Präsidenten beanspruche, meinen Analysten der Großbank UBS: „Deutschlands Gewicht im EZB-Rat ist angesichts der Regel „Eine Person, eine Stimme“ zu gering.“

Dagegen spricht allerdings, dass Deutschland in Europas Finanzinstitutionen schon eine ganze Reihe an Spitzenpositionen besetzt. Der frühere FDP-Bundestagsabgeordnete Werner Hoyer leitet die Europäische Investitionsbank (EIB), Klaus Regling steht dem Euro-Rettungsschirm ESM vor, der unter anderem Kredite gegen Reformauflagen in Krisenstaaten vergibt. Die frühere Chefin der deutschen Finanzaufsicht Bafin, Elke König, führt nun den europäischen Bankenabwicklungsfonds (SRB).

Sollte Weidmann das Rennen machen, würde der deutschen Öffentlichkeit künftig der Buhmann fehlen, sollte die EZB – die nun mal Geldpolitik für 19 Länder zu machen hat – wieder einmal gezwungen sein, als Krisenfeuerwehr auszurücken. Und die Bundesbank täte sich als Mahner vermutlich auch schwerer, wenn ihr langjähriger Präsident im neuen EZB-Amt der Adressat wäre.

Weidmann selbst hält sich bedeckt. Er sei Zentralbanker, kein Politiker, antwortete er im November der französischen Zeitung „Les Echos“ auf die Frage, ob er sich im Rennen um Draghis Nachfolge befinde. Im Übrigen führe die „Debatte über die Nationalität des EZB-Präsidenten … nirgendwo hin“. Und der Amtsinhaber? Fragen nach der jüngsten EZB-Sitzung Anfang März, was ein Nachfolger an der Spitze der Notenbank anders machen könnte, ließ Draghi ins Leere laufen: „Ich habe noch ziemlich viel Zeit, bis mein Mandat ausläuft.“ (dpa)



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