EZB diskutiert über Wohnkosten bei Messung der Inflation – Insider berichten

Grüne Anleihen, zu geringe Wohnkosten und ein Inflationsziel, das seit Jahren nicht erreicht wird. Die EZB will die Messung der Inflation neu bestimmen. Erste Ergebnisse sollen im Juni vorliegen. Die Banker zerbrechen sich dabei auch den Kopf über die Wohnkosten selbst genutzter Immobilien.
Titelbild
Euro-Logo vor der EZB in Frankfurt am Main.Foto: iStock
Von 14. Februar 2020

Die Europäische Zentralbank (EZB) überarbeitet die Messung der Inflation. Denn die EZB hat ihr Inflationsziel trotz Konjunkturmaßnahmen seit Jahren nicht erreicht. Mitte des Jahres sind erste Ergebnisse angestrebt.

Messung der Inflation bis zum Sommer überarbeitet

Peter Kazimir berichtete dies bereits Ende Januar gegenüber Reuters. Jetzt bestätigten dies vier Ratsmitglieder im Gespräch mit Reuters unter der Bedingung der Anonymität (Stand Montag 11.2.). EZB-Chefin Christine Lagarde plant, die Ergebnisse im Dezember zu veröffentlichen.

„Acht Teams sind an der Neubewertung beteiligt“, so die Quellen weiter. Auch für Klimawandel und Handel gibt es demnach ein Team. Obwohl der EZB-Rat noch nicht alle Gruppen genehmigt habe, haben die Teams schon angefangen zu arbeiten, heißt es. Die Insider schilderten eine „überstürzte Agenda unter Präsidentin Christine Lagarde“.

Wie wird die Inflation künftig gemessen?

Bisherige Vorschläge lauten, eine Toleranzbreite bei der Inflation zuzulassen. So auch der Vorschlag von Carmen M. Reinhart dieses Jahr in Davos. Reinhart ist Professor für internationales Finanzwesen den der Harvard Kennedy School of Government.

Mindestens ein EZB-Mitglied halte eine Absenkung der Inflationsrate für sinnvoll, so die Insider weiter gegenüber Reuters.

Doch wie hoch könnte die Inflation sein? 1 Prozent Inflation statt 2 Prozent? De Galhau, Frankreichs Notenbankchef, sollte diese Frage in Davos beantworten. Doch er verwies nur darauf, dass die EZB kürzlich erst eine Neudefinition gemacht hatte. Ein Jahr habe man Zeit zum Nachdenken.

Soll die EZB grün werden oder nicht?

„Von dem grünen Trend der EZB halten einige Rats-Mitglieder nichts“, berichteten die Quellen weiter gegenüber Reuters. Die EZB plante, Anleihekaufprogramme zur Begünstigung von grünen Emittenten auszugeben, um den Klimaschutz zu unterstützen.

Auch der Ökonom Professor Achim Wambach sieht weitere Aufgaben beim Klimahandel skeptisch.

Wenn jetzt noch hier weitere Politikziele erreicht werden sollen, dann vermischt das den Auftrag. Denn mehr Ziele als Geldpolitik überfrachten die EZB,“ sagte Wambach.

Der Präsident des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung äußerte sich auf einer Veranstaltung am Dienstagabend (12.2.) dazu. Reuters berichtete.

Einbeziehung von Vermögenspreisen entzieht expansiver Geldpolitik die Grundlage

In der Diskussion ist auch, Wohnkosten künftig stärker in die Inflation einzubeziehen. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) berücksichtigt Wohnkosten für Mieter mit 6,5 Prozent. Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum aber nicht. Die USA setzen hier Kosten von mehr als 20 Prozent an. Der HVPI ist Grundlage für die Messung der Inflation.

Lagarde sagte dazu im EU-Parlament:

Wenn man irgendjemand fragt – die Familie, Freunde, und darüber hinaus – 6,5 Prozent sind eher niedrig, gelinde gesagt. (…) Wenn die Kosten für das Wohnen so wenig repräsentieren, müssen wir fragen und uns wundern, ob das berechtigt ist oder nicht.“

Yves Mersch, Mitglied des EZB-Direktoriums, zufolge, könnte die Inflation um 0,2 bis 0,5 Prozentpunkte höher ausfallen, wenn die Kosten für selbst genutztes Wohneigentum erfasst würden. Solche Werte hätten der EZB den Boden für die expansive Geldpolitik entzogen. Diese Ansicht vertritt Gunther Schnabel, Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig schon länger. Er sprach dazu auf der ersten Konferenz der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management im Oktober 2019.

Insider: Immobilienproblem zu kompliziert

Die EZB könne den Konflikt der Hauspreisinflation nicht lösen. Das Thema sei zu kompliziert, so die Insider weiter zu Reuters. Es sei aber auch aktuell nicht sinnvoll. Hauspreise steigen zwar bei boomender Konjunktur auch könnte die Inflationsrate aktuell um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte höher sein. Doch in einer Rezession würden sie fallen und genau diese Gefahr bestehe. Dieses Schwanken verstärke die Volatilität der Inflationszahl.

Die Ratsmitglieder rechnen damit, dass Eurostat die Berechnung der Inflationsdaten verbessern muss. Dass könnte Jahre dauern, sagen sie.

[Die EZB wird] versuchen, Druck auf Europas Statistikamt auszuüben, um eine Lösung zu finden“, so die Insider.

Unterdessen sieht die EU-Kommission technische Schwierigkeiten bei der Einbeziehung von Wohnkosten. Der Baukostenindex oder der Baupreisindex wäre hier die richtige Größe, doch die meisten Länder ermitteln den Index nur alle drei Monate. Es gibt also ein erhebliches Manko bei der Aktualität. Deswegen sei der Index als Grundlage für den harmonisierten Verbraucherpreisindex nicht geeignet.

Bundesbankchef Jens Weidmann: Abstriche bei Methodik sind ok

Bundesbankchef Jens Weidmann sprach sich jüngst für ein stärkeres Gewicht der Wohnkosten bei der Inflationsberechnung aus.

Für mich wäre der eine oder andere Abstrich bei der Methodik hinnehmbar, wenn wir dafür der Lebenswirklichkeit der Menschen näherkämen“, sagte Weidmann am Montag (3.2.) laut vorab verbreitetem Redetext beim Neujahrsempfang der Deutschen Börse in Frankfurt.

EZB-Chefvolkswirt Philip Lane will Kosten für das laufende Wohneigentum berücksichtigen, die Investitionskosten aber nicht. Nach Informationen der Insider weicht eine bereinigte Inflationsmessung aber auch nicht „signifikant“ von der aktuellen Berechnung ab.

(mit Material von dts)



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