Finnland: Durch neues KKW Strompreis um 75 Prozent gefallen

Eines der weltweit größten Kraftwerke ist im April ans Netz gegangen und deckt 15 Prozent des Energiebedarfs Finnlands.
Der dritte Reaktor im Atomkraftwerk Olkiluoto an der finnischen Westküste wurde von dem deutsch-französischen Konsortium Areva-Siemens errichtet und hätte ursprünglich bereits 2009 ans Netz gehen sollen.
Der dritte Reaktor im Kernkraftwerk Olkiluoto an der finnischen Westküste wurde von dem deutsch-französischen Konsortium Areva-Siemens errichtet und hätte ursprünglich bereits 2009 ans Netz gehen sollen.Foto: Jussi Nukari/Lehtikuva/dpa
Von 19. Mai 2023


Die Strompreise sind in Finnland um mehr als 75 Prozent gefallen. Grund ist die Inbetriebnahme eines neuen Kernkraftwerks. „Olkiluoto 3“ (OL3) ist das erste neue Kraftwerk auf dem europäischen Kontinent seit 16 Jahren, berichtet das Nachrichtenportal „The National“. Es ging mit 14 Jahren Verspätung im April ans Netz und kann bis zu 15 Prozent des Strombedarfs des Landes decken. Im Jahr 2021 machte die Kernenergie ein Drittel der gesamten Stromerzeugung Finnlands aus.

Noch im Dezember auf Stromausfälle vorbereitet

Die durchschnittlichen Strompreise im Land fielen im April auf 60,55 Euro (65,69 US-Dollar) pro Megawattstunde. Verglichen mit 245,98 Euro pro Megawattstunde im Dezember 2022 ein Rückgang um 75,38 Prozent, informiert „Nord Pool“, eine physische Strombörse.

Im Dezember bereitete sich Finnland, das wegen des Krieges in der Ukraine die Stromimporte aus Russland eingestellt hatte, auf fortlaufende Stromausfälle aufgrund des hohen Energiebedarfs für die Heizung im Winter vor.

„Durch OL3 hatten wir mehr Stabilität im System. Es ist ein riesiges Kernkraftwerk, eines der größten der Welt, verbunden mit einem kleinen System. Es birgt seine eigenen Risiken, denen wir gerne nachgehen“, sagte Jukka Ruusunen, Geschäftsführer des finnischen nationalen Netzbetreibers „Fingrid“.

Wind soll bis 2027 größte Energiequelle sein

Das 1.600-Megawatt-Kernkraftwerk OL3 verbindet zwei weitere Reaktoren mit jeweils 890 MW Leistung am Standort im westfinnischen Eurajoki. Trotz des zunehmenden Anteils bei der Kernenergie geht „Fingrid“ davon aus, dass Wind aufgrund steigender Investitionen bis zum Jahr 2027 die größte Energiequelle sein wird.

„Nuklearenergie scheint für die Anleger nicht sehr attraktiv zu sein. Das sagen sie. Aber es ist eine Option und ich bin sicher, dass unsere Politiker diese Entscheidungen befürworten würden“, sagte Ruusunen gegenüber „The National“ am Rande einer Medienveranstaltung in Helsinki.

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Kernkraft soll als erneuerbare Energie gelten

Im April hätten sich die Energieminister der Europäischen Union (EU) getroffen, um darüber zu diskutieren, ob Kernkraft als Teil der erneuerbaren Energien in die Ziele der Union einbezogen werden sollte. Die Tschechische Republik, Ungarn und Polen drängen darauf. Auch habe das Europäische Parlament im vergangenen Jahr Regelungen der EU unterstützt, die Investitionen in Gas- und Kernkraftwerke als ökologisch nachhaltig einstufen.

Zudem habe Frankreich in jüngerer Vergangenheit massiv in Kernenergieprogramme investiert. Das Land versorgt sich zu mehr als 70 Prozent mit Strom aus Kernkraftwerken. Die Tschechische Republik, Ungarn und Polen gehören zu den EU-Ländern, die darauf drängen, die Kernenergie in die erneuerbaren Ziele einzubeziehen.

„In Finnland schätzen die Menschen alles, was kohlenstofffrei ist“, sagte Ruusunen. Es liege nun an den Diskussionen auf internationaler Ebene, alle diese Regelungen zu formulieren.

Länder wie Japan und Deutschland hätten nach der Katastrophe von Fukushima im Jahre 2011 mehrere Reaktoren abgeschaltet. Dies hätte das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Kernenergie schwer erschüttert, sagte der „Fingrid“-Chef. Er glaubt, dass die Kunden im Mittelpunkt eines auf Wind- und Solarenergie basierenden Stromsystems stehen müssten. „Das Energieniveau des Windes schwankt ständig, da die Windgeschwindigkeit schwankt“, sagte Ruusunen.

FDP: Sinnvolle Kombination

„Wir haben zuerst über Windenergie gesprochen, und vor zehn Jahren haben wir über Kernkraft gesprochen. Jetzt sprechen wir über die Elektrifizierung und den grünen Übergang“, zitiert ihn „The National“

Im Jahr 2021 deckten fossile Brennstoffe nur 36 Prozent der finnischen Energieversorgung ab. Damit liegt das skandinavische Land weiter unter dem Durchschnitt der Internationalen Energieagentur von 70 Prozent. Das ehrgeizige Ziel: bis 2035 will Finnland das erste Industrieland sein, das einen Netto-Nullverbrauch erzielt. „Dies wird von Unternehmen und privaten Investoren vorangetrieben. Wir werden schneller vorankommen, als sich unsere Politiker das vorstellen können“, betonte Ruusunen.

Der Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Torsten Herbst, kommentierte die Entwicklung in dem nordeuropäischen Land positiv: „Finnland zeigt, wie man erneuerbare Energien und Kernkraft sinnvoll kombiniert“, schrieb er auf „Twitter“.



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