Fischbrötchen-Diplomatie: Deutsch-französisches Kabinettstreffen in Hamburg
Bei einer zweitägigen Klausur in Hamburg samt Spaziergang und Hafenrundfahrt wollen die deutsche und die französische Regierung neuen Schwung in die Beziehungen beider Länder bringen. Am Montag werden etwa 20 französische Minister in Hamburg erwartet, wo sie mit den Mitgliedern der Bundesregierung zusammentreffen. „Das ist ein völlig neues Format für deutsch-französische Begegnungen“, hieß es im Elysée-Palast.
Für die deutsche Regierung sind Klausurtagungen üblich. Im August kam die Koalition zum fünften Mal in dieser Form im Schloss Meseberg zusammen. Es ist aber das erste Mal, dass ein solches Treffen mit Übernachtung mit einer ausländischen Regierung stattfindet.
Das volle Programm
Dies könnte ein Ausdruck großer Nähe sein – oder auch ein Versuch, Nähe auf neuen Feldern zu suchen, da es bei vielen Dauerthemen zwischen beiden Ländern knirscht. „Normalerweise verhandeln wir wochenlang einen Text. (…) In Hamburg werden wir Boot fahren, an der Elbe spazieren, Fischbrötchen essen und über mittel- und langfristige Themen sprechen“, hieß es im Elysée. Es klang etwas Skepsis durch, ob der Personal- und Zeitaufwand lohne.
Das Treffen unterstreiche „den besonderen intensiven Charakter der deutsch-französischen Beziehungen“, betonte Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Es sei etwas Besonderes, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beide Regierungen an seine „langjährige Wirkungsstätte“ einlade, Scholz wuchs in Hamburg auf und war dort sieben Jahre lang Bürgermeister.
Das Programm hat etwas von einem Klassenausflug: Zum Auftakt sollen die Minister eine Airbus-Produktionshalle besichtigen. Später sind Hafenrundfahrten geplant, ein ungewöhnlicher Rahmen für bilaterale Ministergespräche.
Auch Scholz und Präsident Emmanuel Macron sollen Zeit zu zweit miteinander auf einem Boot verbringen. Dies dürfte der Moment sein, wo die heikleren Fragen auf den Tisch kommen. Deutschland und Frankreich streiten derzeit vor allem um den Strompreis. In Frankreich besteht der Eindruck, dass Deutschland der französischen Industrie deren stark subventionierten Strompreise nicht gönnt.
Spannungen in der Energiepolitik
Frankreich habe vor Jahren massiv in Kernenergie investiert und wolle deshalb weiter von günstigen Strompreisen profitieren, heißt es in Paris. Deutschland befürchtet hingegen Wettbewerbsverzerrungen, wenn Frankreich sich mit seinen Vorstellungen auf EU-Ebene durchsetzt. Hinzu kommt, dass die Ampelkoalition selbst nicht einig ist in der Frage, wie sehr die Strompreise staatlich bezuschusst werden sollen.
Macron ist bewusst, dass er es nicht nur mit dem Kanzler, sondern immer auch mit dessen Koalitionspartnern zu tun hat. So hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schon mehrfach Gesprächstermine mit ihm im Elysée bekommen, was für eine Ministerin ungewöhnlich ist.
Auch die Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Sébastian Lecornu dürften genügend Gesprächsstoff während ihrer Bootsfahrt haben. Beim gemeinsamen Kampfpanzer MGCS ist noch immer ungeklärt, welches Unternehmen für welche Komponenten zuständig ist. In Frankreich kam es auch nicht gut an, dass die deutsche Industrie gemeinsam mit Unternehmen aus Italien, Spanien und Schweden über die Entwicklung eines neuen Panzers nachdenkt.
Allianz zur Künstlichen Intelligenz
Neue Entwicklungen bei den Konfliktthemen seien nicht zu erwarten, betonte der Elysée. Stattdessen solle es offene Diskussionen zu Themen geben, die „über das Alltagsgeschäft hinausgehen“. Es solle um „Zukunftsthemen“ gehen, sagte Vize-Regierungssprecherin Hoffmann in Berlin. Sie nannte etwa den Zusammenhalt der Gesellschaft angesichts des industriellen Wandels und die Stärkung der technologischen Souveränität.
Bei Sitzungen im Plenum sollen externe Experten jeweils inhaltliche Impulse geben, unter anderem zur Künstlichen Intelligenz (KI). „Es gibt die Idee, eine Allianz zur Künstlichen Intelligenz zu gründen“, sagte Marie Krpata vom Studienkomitee für deutsch-französische Beziehungen in Paris. „Dabei geht es um eine Strategie der Risikominderung mit Blick auf China“, fügte sie hinzu.
Deutschland und Frankreich wollen bei diesem Thema in Europa eine Führungsrolle einnehmen. „Wir hoffen auf eine klare Botschaft, dass Europa ein Kontinent der KI-Entwicklung werden muss, was natürlich massive Investitionen bedeutet“, hieß es dazu im Elysée. Ein erster Schritt könnte eine engere Zusammenarbeit der Forschungsinstitute sein. (afp/dl)
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