Flutwelle befürchtet: Wechselseitige Schuldzuweisungen nach Explosion am Staudamm Kachowka

Nach einer Explosion am Staudamm Kachowka wächst die Angst vor einer Flutwelle. Russland und die Ukraine weisen einander die Schuld zu.
Wer für den kaputten Staudamm verantwortlich ist, steht noch nicht fest.
Wer für den kaputten Staudamm verantwortlich ist, steht noch nicht fest.Foto: Uncredited/Maxar Technologies/AP/dpa
Von 6. Juni 2023

Die Führung der Ukraine in Kiew hat nach einer Explosion am Staudamm Kachowka im Süden des Landes den Nationalen Sicherheitsrat einberufen. Auch Quellen aus Russland haben bestätigt, dass es zu einer Beschädigung durch eine Explosion gekommen war. Der Damm liegt am gleichnamigen Stausee im Mündungstal des Flusses Dnepr. Im Fall eines Bruches drohen weitläufige Überflutungen.

Der Regierungschef des Gebietes Cherson, Andrei Alexejenko, äußerte, die Situation an den Ufern des Flusses Dnepr sei unter Kontrolle. Eine Gefahr für Menschenleben bestehe zurzeit nicht. Auch der Leiter der Verwaltung des russisch kontrollierten Gebiets Nowaja Kachowka, Wladimir Leontjew, hält eine Evakuierung der Zivilbevölkerung derzeit nicht für erforderlich. Der Wasserstand in der Stadt sei jedoch seit dem Vorfall um 2,5 Meter angestiegen. Für den Fall der Fälle stünden Busse bereit.

Ukraine wirft Russland Ambitionen zur Sprengung des Staudamms vor

Mitarbeiter des Katastrophenschutzministeriums in Kiew und die Verwaltung der russisch kontrollierten Gebiete behalten die Situation im Auge. Sollte der Staudamm Kachowka brechen, wären sowohl ukrainische als auch russisch kontrollierte Gebiete beiderseits des Flusses flutgefährdet.

Auch deshalb nimmt die Propaganda auf beiden Seiten die Beschädigung des Staudamms zum Anlass für Schuldzuweisungen an die jeweils andere Seite. Der Leiter des Stabes des ukrainischen Staatschefs Wolodymyr Selenskyj, Andrij Jermak, spricht von einem „weiteren Kriegsverbrechen, begangen von russischen Terroristen“.

Selenskyj selbst behauptet, russische Einheiten hätten selbst zuvor den Staudamm vermint. Die russische Seite plane eine Überflutung von Cherson und würde die Ukraine dafür verantwortlich machen. Moskau könne sich so „eine Pufferzone schaffen und sich geordnet zurückziehen“. Die Führung in Kiew hat nach eigenen Angaben die UNO und die EU gebeten, Beobachter zum Wasserkraftwerk zu entsenden.

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Betroffen wären auch russisch kontrollierte Gebiete und die Krim

Allerdings hätte ein Bruch des Dammes auch potenzielle Auswirkungen auf die Halbinsel Krim, die Russland seit einem Referendum 2014 als Teil der Russischen Föderation ansieht. Kiew und der Westen haben die damalige Sezession und den Eintritt in den russischen Staatsverband jedoch nicht anerkannt. Wie auch proukrainische Quellen bestätigen, liefert der Nord-Krim-Kanal Wasser aus dem Stausee.

Russland und die Verwaltung der vom Kreml kontrollierten Gebiete sprechen von ukrainischem Beschuss, der den Staudamm beschädigt habe. Die Ukraine probt zurzeit eine groß angelegte Offensive zur Rückeroberung von russischen Einheiten gehaltener Gebiete.

Ukrainische Einheiten sollen in den vergangenen 24 Stunden 60 Mal das Gebiet der international nicht anerkannten Volksrepublik Donezk (DVR) beschossen haben. Unter anderem habe der Beschuss sechs Wohnsiedlungen getroffen. Zwei Zivilisten starben dabei DVR-Quellen zufolge, fünf weitere seien verwundet worden.

Staudamm Kachowka ist mehr als drei Kilometer breit

Der Stausee selbst hat eine Größe von 2.155 Quadratkilometern. 50 Kilometer südlich von Saporischschja liegt das nunmehr gefährdete Wasserkraftwerk, dessen Errichtung auf die Zeit von 1960 bis 1968 zurückdatiert.

Der Staudamm selbst ist mehr als 3.600 Meter breit, das Gewässer erstreckt sich über 240 Kilometer entlang des Flusses Dnepr. Es fließt durch die Regionen Cherson, Saporischschja und Dnipropetrowsk. Die maximale Wassertiefe liegt bei 32 Metern.

Die Anlage dient der Energiegewinnung und der Regulierung der Folgen von Naturphänomenen wie Hochwasser oder Dürre. Die Region rund um den Stausee eignet sich für den Anbau von Wein, Obst oder Reis.

Frühjahrsoffensive der Ukraine kommt nur schleppend voran

Nach Beginn der russischen Militäroperation im Februar 2022 hatte der Kreml darauf spekuliert, dass diese zu einem Machtwechsel in Kiew führen würde. Als sich abzeichnete, dass dies nicht der Fall sein würde, änderte Russland seine Taktik und setzte auf die Absicherung von ihm kontrollierter Gebiete im Osten des Landes.

Trotz massiver westlicher Militärunterstützung ist es der Führung in Kiew seither jedoch nicht gelungen, dort signifikante Geländegewinne zu verzeichnen. Zudem stünde die Ukraine im Fall der Eroberung mehrheitlich von russischen Muttersprachlern gehaltener Gebiete vor der gleichen Herausforderung wie Russland westlich davon. Man müsste jeweils Territorien mit einer mehrheitlich entfremdeten oder feindseligen Bevölkerung dauerhaft unter Kontrolle halten.

„Kein unmittelbares nukleares Risiko“ für AKW Saporischschja

Nach der Beschädigung des Kachowka-Staudamms in der ukrainischen Region Cherson am Dienstag wächst die Sorge um die Versorgung des KKW Saporischschja mit Kühlwasser und einen möglichen Atomunfall. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) sah „kein unmittelbares nukleares Risiko“, teilte die Organisation am Dienstag im Onlinedienst Twitter mit. IAEA-Experten seien vor Ort und „beobachten die Situation“.



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