Frankreich: Linksextreme greifen Polizei bei Protesten gegen Polizeigewalt an

Am Dienstag verabschiedete Frankreichs Nationalversammlung ein Gesetz, das Polizeibeamte im Dienst vor Bildaufnahmen schützen soll. Von Protesten gegen das Gesetz und gegen angebliche Polizeigewalt, die es vertuschen helfe, geht nun jedoch selbst Gewalt aus.
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Bei einem Protest gegen den Gesetzesentwurf zur "globalen Sicherheit", der nach Artikel 24 die Veröffentlichung von Bildern von diensthabenden Polizeibeamten mit der Absicht, ihre "physische oder psychische Integrität" zu verletzen, unter Strafe stellen würde, kommt es am 28. November 2020 in Paris zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der französischen Bereitschaftspolizei.Foto: ALAIN JOCARD/AFP über Getty Images
Von 29. November 2020

Ein Jahr nach dem Höhepunkt der „Gelbwesten“-Proteste werden zahlreiche Städte Frankreichs wieder von gewalttätigen Unruhen heimgesucht. Ausgangspunkt der Ausschreitungen waren Proteste gegen ein Gesetz, das es untersagt, Bildaufnahmen von Polizeibeamten im Einsatz anzufertigen und diese online zu verbreiten.

Kritiker meinen, auf diese Weise würde der Vertuschung von Polizeigewalt Tür und Tor geöffnet. Gewalt ging jedoch in den vergangenen Tagen vielfach von Vermummten aus der linksextremen Szene aus, die mit Schlagwaffen, Flaschen und Feuerwerkskörpern auf die Beamten losgingen und Geschäfte, Autos und Gebäude beschädigten oder in Brand steckten.

Macron und Le Pen wollen Polizei gemeinsam den Rücken stärken

Am Dienstag (27.11.) hatte die französische Nationalversammlung einem umfassenden Sicherheitsgesetz zugestimmt, das, wie die Nachrichtenagentur „Anadolu“ berichtet, nun im Januar im Senat zur Überprüfung ansteht. Mit dem Gesetz soll den Einsatzkräften der Rücken gestärkt werden. Aus den Regierungsfraktionen hieß es, es solle „diejenigen beschützen, die uns beschützen“. Dabei soll es darum gehen Polizeikräfte vor einer Berichterstattung zu schützen die ihre „physische oder psychische Integrität“ gefährdet.

Frankreich hatte im vergangenen Jahr ungeachtet mehrerer Corona-Lockdowns mehrfach politisch motivierte Gewalt – von Ausschreitungen am Rande von „Gelbwesten“ über Unruhen wild campierender Migranten und Flüchtlinge in Innenstädten oder islamistische Terrorakte bis zu Übergriffen gegen religiöse Einrichtungen aller drei großen Weltreligionen.

Während die Regierungspartei La Republique En Marche (LREM) von Emmanuel Macron und der rechte Rassemblement National (RM) eine Mehrheit von 288 Stimmen für die Vorlage bewirkten, stimmte vor allem die Linksopposition gegen das Gesetz. Auch fünf Abgeordnete des mit LREM verbündeten Mouvement démocrate (MoDem) stimmten gegen die Vorlage und 18 enthielten sich. Am Ende blieben Gegenstimmen (104) und Enthaltungen (66) jedoch in der Minderheit.

Verband beklagt Übergriffe gegen Journalisten und Migranten

Besonders scharfe Kritik löst der Artikel 24 des Gesetzes aus. Dort wird Personen eine mehrjährige Haftstrafe oder eine Geldstrafe von bis zu 45.000 Euro angedroht, die Bilder von Polizeibeamten anfertigen, die sich gerade im Dienst befinden, und diese in der Presse oder online verbreiten.

Der Europäische Journalistenverband (EFJ) nannte die Bestimmung eine „Verletzung der Pressefreiheit“ und rief für den gestrigen Samstag zu Kundgebungen auf. Das Gesetz schaffe einen „Blankoscheck für die Polizei, um Journalisten daran zu hindern, über Demonstrationen zu berichten“.

Dabei sei es, so EFJ-Generalsekretär Ricardo Guttierez, allein im Vorjahr zu „200 Fällen von Gewalt und Einschüchterung von Journalisten durch die Polizei“ gekommen. Erst am Montag soll es zu „sexistischen“ Zurufen gegenüber einer Journalistin des weit linken spanischen TV-Kanals „La Sexta“ gekommen sein, als diese über Ausschreitungen im Zusammenhang mit der Auflösung eines illegalen Migrantenlagers auf dem Pariser Platz der Republik berichtet hatte. Beamte sollen sie zudem an den Haaren gezogen haben.

Darmanin will das Gespräch suchen

Die linke Journalistenvereinigung „Rebellischer Widerspruch“ wies zudem auf mehrere in jüngster Zeit dokumentierte Fälle hin, die aus ihrer Sicht ein Problem struktureller Polizeibrutalität illustrieren. So hatte selbst Innenminister Gérard Darmanin Aufnahmen vom Montag als „schockierend“ bezeichnet, die Polizeibeamte beim Einprügeln auf Migranten aus dem Flüchtlingscamp während der Räumung gezeigt haben sollen.

Präsident Macron selbst verurteilte auch am Freitag Aufnahmen von Beamten, die auf einen schwarzen Musikproduzenten einschlugen, während sie rassistische Schmähungen ausstießen. „Rebellischer Widerspruch“ zeigte sich entsetzt darüber, dass vor diesem Hintergrund „Macronisten und Lepenisten Seite an Seite für das ‚Globale Sicherheitsgesetz‘ stimmen“.

Adrien Quatennens, Parlamentarier der Linkspartei, warnte davor, dass in Frankreich ein „autoritäres Regime“ Platz greife. Dagegen müsse man „Widerstand leisten und an unseren Prinzipien festhalten“.

Darmanin hingegen, der für den Entwurf verantwortlich ist, betont gegenüber „Le Monde“, das Gesetz „verstößt in keiner Weise gegen die Presse- oder die Informationsfreiheit“. Premierminister Jean Castex will den Dialog mit den Journalistenverbänden suchen und nach der Überarbeitung durch den Senat das gesamte Konvolut dem Verfassungsrat zur nochmaligen Überprüfung vorlegen.

Linksextreme mischen sich unter Kundgebungsteilnehmer

Dem Aufruf von Journalistenverbänden und NGOs zum Protest folgten am Samstag mehrere hunderttausend Menschen in Paris, Lille, Marseille und Bordeaux. Auch in Städten wie Straßburg, Lyon, Nantes und Montpellier gingen tausende Menschen auf die Straße.

Die Kundgebungen unter dem Motto „Marsch der Freiheit“ begannen auch friedlich. Nach etwa anderthalb Stunden jedoch sollen sich, so berichten Medien, vollständig in Schwarz gekleidete und vermummte Personen unter die Kundgebungsteilnehmer gemischt haben.

Diese sollen erst Beleidigungen an die Adresse der Polizei ausgestoßen und später mit Flaschen und Feuerwerkskörpern auf Beamte losgegangen sein. In weiterer Folge steckten die gewalttätigen Protestteilnehmer, die offenbar der linksextremen Szene zuzuordnen waren, Mülltonnen in Brand.

Mit Fortdauer des Abends wurden die Vermummten immer aggressiver. Die Polizei setzte Tränengas gegen Demonstranten ein, die Barrikaden errichteten und Steine auf die Sicherheitskräfte warfen. Am Bastille-Platz steckten Demonstranten einen Zeitungskiosk, den Eingang eines Gebäudes der französischen Zentralbank und eine benachbarte Brasserie in Brand. In der Umgebung brannten auch mehrere Autos. In sozialen Medien machen Videos die Runde, in denen Beamte vor gewalttätigen Extremisten zurückweichen und Autos beschädigt werden.

Wie das Innenministerium mitteilte, wurden bei den Protesten landesweit 37 Beamte verletzt, 23 von ihnen in der Hauptstadt. Die Polizei nahm in Paris und in der Region 46 Demonstranten fest. Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin verurteilte die Angriffe auf Polizisten bei den Kundgebungen. Diese seien „inakzeptabel“, schrieb er im Online-Dienst Twitter.

(Mit Material von afp)



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