Frankreich will 231 Islamisten ausweisen – Zehntausende demonstrierten für die Meinungsfreiheit

Zehntausende Menschen versammelten sich am Sonntag (18. Oktober) in Paris und ganz Frankreich, um Professor Samuel Paty zu ehren, der am Freitag enthauptet wurde. Die Tat ist als ,„islamistischen Terroranschlag“ eingestuft – Frankreich will nun über 200 mutmaßliche Islamisten ausweisen und islamistische Vereine auflösen lassen. Mehrere großangelegte Polizeieinsätze und verstärkte Kontrollen für 51 islamistische Vereine wurden angekündigt.
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Am 18. Oktober 2020 versammeln sich die Menschen auf der Place de la Republique in Paris, um den Geschichtslehrer Samuel Paty zu ehren. Sie demonstrierten für die Meinungsfreiheit und verurteilten die terroristische Gewalt.Foto: BERTRAND GUAY / AFP über Getty Images
Von 19. Oktober 2020

Der historische Schauplatz der Demonstration, an der in Paris Zehntausende teilnahmen, war der Place de la République. Am frühen Sonntagnachmittag hat sich der Platz mit Zehntausenden von Demonstranten, Lehrern, gewählten Vertretern und anderen Bürgern gefüllt, die gekommen waren, um die Meinungsfreiheit zu verteidigen. Sie sagten Nein zum „Obskurantismus“ (Fortschritts- und Bildungsfeindlichkeit) und Terrorismus – und sangen zusammen die Nationalhymne „Marseillaise“. 

Anlass zu demonstrieren gab die Enthauptung eines Lehrers in Conflans-Sainte-Honorine, einem Vorort von Paris. Der Lehrer hat seinen Schülern Karikaturen von Mohammed gezeigt und ihn damit nach Ansicht von Islamisten beleidigt. 

Demonstrantin: „Die Stärke liegt in der Zahl“

„Ich bin hier als Lehrerin, als Mutter, als Französin und als Republikanerin“, sagte Virginie (52), Musiklehrerin aus Großraum Paris. „Ich hoffe, dass es viele Menschen sein werden, dass ganz Frankreich es wagen wird, aufzustehen, denn Stärke liegt in der Zahl.“

Paris: Demonstranten auf dem Place de La Republique halten Exemplare der satirischen Zeitung „Charlie Hebdo“ in der Hand. Sie demonstrierten für die Meinungsfreiheit und verurteilten die terroristische Gewalt. Beide Fotos: Kiran Ridley/Getty Images

„Ich bin gekommen (…) um meine Empörung über diese abscheuliche und schreckliche Tat zum Ausdruck zu bringen“, sagte ein anderer Pariser Demonstrant, Guigané (34). „Diese Gewalt darf sich nicht durchsetzen und zu unserem täglichen Leben werden“, fügte der Mediator aus der Region Essonne mit seinem vierjährigen Sohn auf den Schultern hinzu.

Premierminister Jean Castex erschien ebenfalls in der Pariser Demonstration. An seiner Seite Frankreichs Bildungsminister Jean-Michel Blanquer und seine für Staatsbürgerschaft zuständige Kollegin Marlène Schiappa „zur Unterstützung von Lehrern, Säkularismus, Meinungsfreiheit und gegen den Islamismus“.

Frankreich will 231 Islamisten ausweisen – Festnahmen „in den nächsten Stunden“

Nach dem Anschlag in Conflans-Sainte-Honorine kündigte Innenminister Gérald Darmanin in einem Interview mit „Europe 1“ am Montag mehrere laufende Polizeieinsätze und verstärkte Kontrollen für 51 islamistische Vereine an. 

Frankreich bereite zudem die Ausweisung von 231 mutmaßlichen Extremisten vor. Darmanin habe entsprechend Maßnahmen bei den örtlichen Behörden angeordnet. 180 davon sind bereits im Gefängnis, 51 Islamisten sollten „in den nächsten Stunden“ festgenommen werden. 

Frankreichs Innenminister beabsichtige auch, komplette Strukturen aufzulösen und habe Vorschläge beim Ministerrat dazu eingereicht.

„Seit der Ermordung des Professors wurden 80 Ermittlungen gegen Online-Hass eröffnet, gegen all jene, die auf die eine oder andere Weise erklärt haben, dass dieser Professor es verdient hat“, erklärte der Innenminister in der heutige Sendung auf „Europe 1“.

Bereits am Sonntag haben Verhöre stattgefunden. „Seit heute Morgen [19. Oktober, Anm. d. Red.] finden Polizeieinsätze statt. Sie sind zahlreich und betreffen Dutzende von Personen“, sagte der Innenminister im Interview. 

22.000 Personen wegen radikalen Islamismus aktenkundig

Die Operationen begannen an diesem Montag um 6 Uhr morgens im ganzen Land. Dabei handelt es sich um administrative und gerichtliche Kontrollen, die Personen betreffen, die bereits auf dem Radar der Nachrichtendienste sind und insbesondere „schwache Signale“ (durch Predigte und Nachrichten in sozialen Netzwerken) aussenden. 

Der Innenminister hat die Untersuchung von 50 Vereinen angeordnet, deren Auflösung er beim Ministerrat anstrebt.

„Es sind 22.000 Personen wegen radikalen Islamismus aktenkundig, laut unseren Diensten. Nicht alle von ihnen befinden sich in Frankreich, es gibt nur 8.000 aktive Akten von diesen 22.000“, erklärte er in der Sendung. 

„Viele Menschen sind bereits ausgewiesen worden. Von diesen 8.000 aktiven Akten befinden sich 600 Ausländer in einer irregulären Situation. Viele sind bereits im Gefängnis und werden am Ende ihrer Strafe abgeschoben“, so Darmanin. 

Andere könnten aber nicht ausgewiesen werden, vor allem Libyer und Syrer. „Wir können die Menschen auf unserem Boden nicht in ein Land abschieben, das sich im Krieg befindet“, sagte Darmanin. Er versicherte aber, dass diese Menschen weiterhin unter Beobachtung stehen werden.



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