Gold: Ungarn erinnert an den größten Zyanidunfall Europas
János Áder, ehemaliger ungarischer Staatspräsident, hat nach Ablauf seiner zweiten Amtszeit ein neues Umweltprojekt gestartet. Darin geht es um Gold – und die Goldförderung in Europa. In der neusten Folge seines Podcasts „Kék Bolygó“ (Der Blaue Planet) macht er daher auf den Jahrestag einer Naturkatastrophe in Osteuropa aufmerksam.
60 bis 80 Milligramm Zyanid töten einen Menschen
Ende Januar 2000 ereignete sich ein massiver Zyanidunfall, als aufgrund starker Schneefälle der Damm einer Goldlaugungsanlage bei Nagybánya in Rumänien brach. Ungarn war direkt betroffen. Der Theiß, der zweitgrößte Fluss Ungarns, wurde mit Zyanid überflutet. Die Katastrophe war gewaltig, der Verlust von Menschenleben konnte jedoch mit viel Einsatz vermieden werden. Seither wurden mehrere Initiativen ergriffen, um die schädliche Technologie zu verbieten.
János Áder konstatiert nun:
Die Technologie, die zwar die billigste, aber auch die umweltschädlichste ist, wird immer noch eingesetzt.“
Auf den Goldbergbau entfallen derzeit etwa 13 Prozent des weltweiten Zyanidverbrauchs. Zyanid ist ein starkes Gift für alle biologischen Organismen. Im menschlichen Körper führen schon 60 bis 80 Milligramm innerhalb von 2 bis 3 Stunden zum Tod. Die Arbeiter der Goldminen werden durch persönliche Schutzausrüstung geschützt. Dennoch wurden viele Katastrophen auf den Einsatz von Zyanid im Goldbergbau zurückgeführt.
Die giftige Substanz wird weiterhin in den meisten Ländern ohne Alternativen zur Goldgewinnung verwendet. Rumänien gehört zu den größten Nutzern. Länder wie Kirgisistan, Malaysia, Peru und Chile sowie Australien verbrauchen aber auch große Mengen von Zyanid.
Die Katastrophe könnte sich jederzeit wiederholen
Der ehemalige ungarische Staatspräsident lud aufgrund des Jahrestages Marianne Nagy, Leiterin des Labors der Wasserwirtschaftsdirektion der Region Mittlere Theiß, zu einem Gespräch ein. Sie war vor 23 Jahren in der Schadensbegrenzung tätig und kennt alle Details der Zyanidverschmutzung.
Als in der Aurul Goldmine in Rumänien ein Damm brach, gelangten 100.000 Kubikmeter Zyanidschlamm in den Fluss Lápos und über ihn in die Flüsse Szamos und Theiß. Die Menge an Zyanid betrug mehr als das 320-Fache des Grenzwerts. Die Bedrohung für die Tierwelt war enorm.
Während der Rettungsaktion wurden 1.250 Tonnen tote Fische aus dem Wasser geholt. Bei den meisten handelte es sich um Karpfenarten, auf Ungarisch „Busa“ genannt. Einzelfische wogen zwischen zehn und 15 Kilogramm. Auch Tiere, die aus dem Wasser getrunken haben, starben in großen Mengen.
Rumänien: Nicht der erste unsichere Staudamm
Der rumänische Staudamm wurde erst ein Jahr vor dem Unglück in Betrieb genommen, sodass „neben den außergewöhnlichen Wetterbedingungen auch schwerwiegende Konstruktions-, Genehmigungs- und Betriebsfehler dahinterstecken müssen“, sagte Áder und erinnerte an die Ereignisse.
Ähnliche Unglücke haben sich in Rumänien schon zuvor ereignet und seither gab es immer wieder Verschmutzungen. Die Einwohner von Felsőcsertés erinnern sich zum Beispiel noch lebhaft daran, dass im Herbst 1971 der Staudamm in der Nähe des Dorfes brach und das verschmutzte Wasser das Dorf überflutete. „Die Katastrophe, über die bis zum Sturz der Ceaușescu-Diktatur nicht einmal gesprochen werden durfte, kostete 89 Menschen das Leben“, erinnert ein Artikel der rumänisch-ungarischen Zeitung „Kronika“.
Laut Expertin Nagy ist die Frage also nicht, ob so etwas in Zukunft wieder passieren könnte, sondern „wann die nächste Katastrophe kommt“.
Wie konnten Tote vermieden werden?
Der Schaden war groß, aber es hätte noch viel mehr verloren gehen können. Die Leistung, welche vor Ort vollbracht wurde, wird von internationalen Fachleuten als beispiellos betrachtet. Eine wichtige Rolle spielte die rechtzeitige Warnung.
„Die ungarischen Behörden hatten das Glück, dass Nagybánya in Rumänien eine Partnerstadt von Szolnok in Ungarn ist. So rief der Bürgermeister von Nagybánya in der Nacht des 30. Januar den ungarischen Bürgermeister an, um das Problem zu melden“, erinnerte sich Nagy. Das war eine große Hilfe, da sich die Verschmutzung bei Hochwasser schnell ausbreitet.
Die ungarischen Experten, die bereits in der Nacht mit der Arbeit beginnen konnten, gewannen dadurch praktisch einen zusätzlichen Tag Zeit. Sie waren in der Lage, genügend sauberes Wasser zu besorgen, bevor die Verschmutzungswelle eintraf. Damit konnte die Verschmutzung erheblich verdünnt werden.
Sie wandten verschiedene Techniken an, um die Verschmutzung in einem engen Kanal zu halten und die Ausbreitung zu verhindern. Mariann Nagy erinnerte sich daran, wie ihre Kollegen nachts bei klirrender Kälte mit Scheinwerfern das Eis absuchten, um nach toten Fischen zu suchen, die auf eine Verschmutzungswelle hinwiesen.
Die Schadensbeseitigung selbst war außergewöhnlich: Sie brachen durch das dicke Eis und benutzten ein Holzboot und große Gabeln, um Karpfen und andere tote Fische herauszuheben. „Ihr kleiner Helfer, ein Hund, trank leider von dem verschmutzten Wasser und überlebte die Katastrophe nicht“, erinnerte sich die Expertin.
Am Ende gelang es ihnen, durch ein Anheben des Wasserstands und durch das Erzeugen einer künstlichen Flutwelle 13 Nebengewässer vor der Verschmutzung durch Zyanid zu bewahren. Sie konnten auch 93 Prozent des Theiß-Sees vor der Verschmutzung retten.
Entschädigung und Schadensverhütung
Aufgrund der durch den Vorfall verursachten Umweltschäden wurden die Fischerei und das Angeln an der Theiß und ihrer Umgebung in Ungarn für einen längeren Zeitraum verboten. Das Ökosystem musste in mehreren Bereichen erheblich wiederhergestellt werden. Auch der Tourismus wurde stark beeinträchtigt.
Nach den Ereignissen verklagte die ungarische Regierung den Verursacher, das umweltverschmutzende rumänisch-australische Unternehmen. Der Schaden wurde auf 30 Milliarden Forint (73 Millionen Euro) geschätzt.
Ungarn gewann den Prozess, was allerdings nichts nutzte. Das rumänische Unternehmen war bankrott und der rumänische Staat setzte sich nicht für die Schulden ein. „Das EU-Verursacherprinzip hat also keinen einzigen Pfennig Entschädigung für Ungarn gebracht“, betonte János Áder.
Der Rechtsstreit mit Rumänien endete im Jahr 2006. Ungarn hat daraufhin 2009 den Goldabbau mit Zyanid im Land verboten. Áder, damals Mitglied des Europäischen Parlaments, ergriff 2010 die Initiative und forderte die Europäische Kommission auf, Zyanidabbautechnologien in der EU zu verbieten. Trotz des großen Erfolgs des Vorschlags wurde bis heute keine Entscheidung getroffen.
Zurzeit gibt es nur die Verpflichtung der EU-Mitgliedstaaten, einer Richtlinie zu folgen, welche die Wirtschaftsteilnehmer verpflichtet, Finanzgarantien für eventuelle Schadensfälle einzurichten, schreibt „Kronika“.
Außergewöhnliche Erfindung
Neben dem gesetzlichen Weg könnten auch wissenschaftliche Fortschritte eine Lösung bieten. 2013 wurde berichtet, dass US-Wissenschaftler Gold mit einem Maisstärkederivat anstelle von Zyanid extrahiert hatten. Die Arbeit von Zhichang Liu, einem Doktoranden der Chemie an der Northwestern University in den USA, wurde damals vollständig in der Zeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.
Sein Mentor und Mitautor, Sir Fraser Stoddart, Direktor des Labors, sagte unverblümt: „Die Hauptfrage ist heute, wie man das umweltschädliche Zyanid aus dem Goldgewinnungsprozess eliminieren kann. Es ist uns gelungen, das Gift durch Cyclodextrin zu ersetzen, das aus Maisstärkederivat hergestellt werden kann.“
Über die außergewöhnliche Entdeckung wurde seither jedoch noch nicht viel berichtet. Umweltfreundliche Lösungen zum Goldabbau liegen noch in der Zukunft.
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