Großbritannien: Führender Epidemiologe verlässt Regierungs-Taskforce nach Verletzung der Corona-Regeln

Soziale Distanzierung predigen – verheiratete Geliebte empfangen: Ein führender Wissenschaftler, der Großbritanniens Regierung in Sachen Corona beraten hat, tritt nach Enthüllungen über sein Verhalten während der Krise zurück. Die Ausgangsbeschränkungen aber bleiben.
Titelbild
Abstand halten im B&Q Leyton am 2. Mai 2020 im Osten von London.Foto: Hollie Adams/Getty Images
Von 11. Mai 2020

Eine pikante Affäre hat in Großbritannien nun zum Rücktritt eines einflussreichen Wissenschaftlers in der Corona-Taskforce des Kabinetts von Premierminister Boris Johnson geführt.

Der namhafte Epidemiologe Neil Ferguson, der als Mastermind hinter der Kehrtwende der britischen Regierung in der Corona-Politik galt, sah sich zum Rücktritt gezwungen, nachdem enthüllt wurde, dass er seine immer noch verheiratete Geliebte entgegen geltenden Lockdown-Maßnahmen in seinen privaten Räumlichkeiten empfangen hatte.

Ferguson leitete Wissenschaftler-Team, das für Lockdown eintrat

Der „Daily Telegraph“ enthüllte die Angelegenheit und berichtete nun auch über die Konsequenzen. Am Dienstag der Vorwoche (5.5.) trat er mit sofortiger Wirkung von seiner Beraterposition zurück.

Ferguson galt als entschiedener Befürworter von Kontaktverboten und Ausgangsbeschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Es gilt als sein Verdienst, dass die Regierung in London nach anfänglichem Bekenntnis zur Herdenimmunität auf die Linie der meisten anderen Regierungen eingeschwenkt ist und Maßnahmen zur sozialen Distanzierung verordnet hatte.

Dennoch lud Ferguson seine Geliebte, die mit ihrem Noch-Ehemann und mehreren Kindern in einem Haushalt lebt, zu sich nach Hause ein. Mindestens zu zwei Gelegenheiten soll die 38-Jährige von ihrer Wohnadresse im Süden der Stadt durch ganz London gereist sein, um mit dem Wissenschaftler private Zeit zu verbringen.

Computermodelle sprachen von mehr als 500.000 möglichen Todesopfern

Ferguson ist der Leiter jenes Teams am Imperial College von London, das ein Computermodell präsentiert hatte, dem zufolge mehr als 500.000 Briten sterben würden, sollten keine Lockdown-Maßnahmen erfolgen. Auch in den Medien trat der Wissenschaftler mehrfach auf, um in eindringlichen Worten vor einem Außerachtlassen der Kontaktbeschränkungen zu warnen.

Was in der Öffentlichkeit und nicht zuletzt bei Paaren, die durch den Lockdown getrennt sind, besonders heftige Reaktionen hervorrief, ist, dass der erste Besuch der Frau, die auch als linke Aktivistin bekannt ist, exakt am 30. März stattfand. An jenem Tag hatte Ferguson öffentlich erklärt, dass die soziale Distanzierung mindestens bis Juni anhalten müsse.

Am 8. April war Antonia Staats, so der Name der Frau, wieder bei Ferguson – und das, obwohl sie Bekannten zuvor von Corona-Symptomen bei ihrem Ehemann erzählt hatte. Ferguson wurde später selbst positiv auf Corona getestet und ging für die Dauer zweier Wochen in Quarantäne.

Corona-Maßnahmen in Großbritannien verlängert

Gegenüber dem Telegraph gab Ferguson sich reuig. Er akzeptiere, dass er „schlechtes Urteilsvermögen gezeigt und falsche Entscheidungen getroffen“ habe. Deshalb trete er von seinem Posten in der Beratergruppe SAGE (Scientific Advisory Group for Emergencies) zurück, auf die das Kabinett in der Downing Street in Katastrophenfällen zurückgreift. Weiter erklärte Ferguson:

„Ich bedaure es zutiefst, die Botschaft hinsichtlich der andauernden Notwendigkeit sozialer Distanzierung zum Zwecke der Eindämmung dieser zerstörerischen Epidemie unterminiert zu haben. Die Einschätzung der Regierung ist aber einhellig und verfolgt den Zweck, uns alle zu schützen.“

Der Lockdown in Großbritannien geht bereits in seine achte Woche. Premier Boris Johnson hat nun die Distanzierungsmaßnahmen bis 1. Juni ausgedehnt, allerdings mit Lockerungen bezüglich des Aufenthalts an der frischen Luft und des Einkaufs in Ladengeschäften.



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