Grünes Licht für Verhandlungen über Griechenland-Hilfspaket

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Das Geschäft brummt derzeit nicht gerade: Flaggen-Verkäufer in Athen wartet auf Kundschaft.Foto: Yannis Kolesidis/dpa
Epoch Times18. Juli 2015
Hoffnungsschimmer für das von der Pleite bedrohte Griechenland. Athen kann ab sofort mit seinen Geldgebern über neue Milliardenhilfen verhandeln. Die Euro-Finanzminister billigten am Freitag den Start neuer Gespräche.

Zuvor hatte auch der Bundestag nach hitziger Debatte den Weg für neue Verhandlungen freigemacht. In Athen warf Ministerpräsident Alexis Tsipras seine schärfsten Kritiker vom linken Flügel aus dem Kabinett.

In der Sondersitzung des Bundestags stimmten 439 Abgeordnete für neue Gespräche, 119 votierten dagegen und 40 enthielten sich. Unter den Gegnern waren auch überraschend viele Parlamentarier der Union: 60 verweigerten Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) die Gefolgschaft, fünf enthielten sich.

Das dritte Hilfspaket soll nach bisherigen Planungen bis zu 86 Milliarden Euro für drei Jahre umfassen. Im Gegenzug muss Athen harte Spar- und Reformauflagen erfüllen. Das Land ist mit 313 Milliarden verschuldet und steht kurz vor der Pleite.

Merkel warnte den Bundestag vor einem Nein zum Hilfspaket. „Wir würden grob fahrlässig, ja unverantwortlich handeln, wenn wir diesen Weg nicht wenigstens versuchen würden.“ Sie sprach von einem harten Kompromiss für die Menschen in Griechenland und für die Euro-Partner.

Die Alternative zu den Spar- und Reformauflagen sei gewesen, die europäischen Verträge zu biegen, „bis sie nichts mehr wert sind“. Oder Europa hätte aufgegeben, keinen letzten Rettungsversuch mehr unternommen und zugesehen, „bis das Land ausblutet“, sagte Merkel. „Chaos und Gewalt könnten die Folgen sein.“

Bei der Regierungsumbildung in Athen wurden Energie- und Umweltminister Panagiotis Lafazanis und der stellvertretende Minister für Sozialthemen, Dimitris Stratoulis, sowie mehrere Vizeminister geschasst. Die beiden gelten als Anführer des linken Flügels der regierenden Syriza-Partei. Sie hatten zusammen mit 30 Syriza-Abgeordneten gegen die Spar- und Reformauflagen votiert. Das Umwelt- und Energieministerium, das bald zahlreiche Privatisierungen vornehmen muss, übernimmt Tsipras‘ enger Mitarbeiter Panos Skourletis.

EU-Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis sagte, die Verhandlungen mit Athen über ein neues Hilfsprogramm dürften „einige Wochen“ dauern. Damit Griechenland nicht schon vorher in die Pleite rutscht, bekommt es einen Notkredit von rund sieben Milliarden Euro. Diese Brückenfinanzierung soll helfen, am Montag Schulden an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzuzahlen. 3,5 Milliarden Euro werden dann fällig.

Am Montag könnten auch die geschlossenen Banken wieder öffnen, wie Vize-Finanzminister Dimitris Mardas im Fernsehen sagte. Die meisten Kapitalverkehrskontrollen bleiben allerdings in Kraft. Momentan können die Griechen pro Tag höchstens 60 Euro abheben. Überweisungen ins Ausland sind nur mit Genehmigung möglich.

Auch Österreichs Parlament stimmte am Freitagmittag der Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland zu. Wenn ein drittes Hilfspaket in einigen Wochen ausgehandelt ist, müssen viele Parlamente der Euro-Staaten noch einmal über die Vereinbarungen abstimmen, auch der Bundestag.

Finanzminister Schäuble sprach von einem letzten Versuch, das extrem schwierige Schuldenproblem Griechenlands zu lösen. Er musste viel Kritik einstecken, weil er mehrmals ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro („Grexit“) ins Spiel gebracht hatte. „Herr Schäuble, es tut mir leid: Aber Sie sind dabei, die europäische Idee zu zerstören“, sagte Linksfraktionschef Gregor Gysi. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt befürchtet eine Spaltung Europas: „Es geht plötzlich um ein Europa, wo Wir gegen Die stehen.“

Bei der namentlichen Abstimmung wurden insgesamt 598 Stimmen abgegeben. Die SPD-Fraktion stellte sich nahezu geschlossen hinter neue Verhandlungen mit Griechenland. Bei den Grünen enthielten sich viele Abgeordnete. Die Linken stimmten fast geschlossen mit Nein.

Der Großteil des neuen Finanzpakets soll aus dem Euro-Rettungsfonds ESM kommen, ein weiterer Anteil vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Das Geld für den Überbrückungskredit dagegen stammt aus dem von allen 28 EU-Staaten befüllten Rettungstopf EFSM. Länder wie Großbritannien hatten Bedenken geäußert, bei der Griechenland-Rettung Risiken eingehen zu müssen. Dennoch stimmten nun alle Mitgliedsländer zu.

Nicht-Euro-Staaten werden über milliardenschwere Gewinne der EZB mit griechischen Staatsanleihen abgesichert. Griechenland wiederum haftet für den europäischen Notkredit von 7,16 Milliarden Euro mit künftigen Einnahmen aus dem EU-Budget. Falls Athen den Überbrückungskredit nicht zurückzahlen kann, ist es möglich, den Betrag von künftigen regulären EU-Zahlungen abzuziehen.

(dpa)

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