Hat das FBI Dokumente gesucht, die es selbst belasten?

In den USA hat ein Tauziehen um brisante Regierungsdokumente aus Trumps Amtszeit begonnen.
Hat das FBI Dokumente gesucht, die es selbst belasten?
Ein Polizeiauto vor der Residenz des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump in Mar-A-Lago, Palm Beach, Florida, am 8. August 2022. An dem Tag wurde das Anwesen vom FBI durchsucht.Foto: Giorgio Viera/AFP via Getty Images
Von 27. August 2022

Nachdem am 8. August rund 30 FBI-Agenten das Haus des ehemaligen Präsidenten Donald Trump in Florida durchsucht hatten, sucht die Nation nach Antworten auf die Frage nach dem Warum.

Der Durchsuchungsbefehl für Mar-a-Lago, das Anwesen von Donald Trump, wurde von Justizminister und Generalstaatsanwalt Merrick Garland persönlich autorisiert. Das Justizministerium (DOJ) versuchte, die Veröffentlichung der eidesstattlichen Erklärung, die dem Durchsuchungsbefehl zugrunde liegt, zu verhindern und begründete dies mit den laufenden Ermittlungen. Eine Veröffentlichung würde den Grund für die Razzia offenlegen. Bezirksrichter Bruce Reinhart wies das Ministerium an, bis zum 25. August Vorschläge für eine geschwärzte Fassung vorzulegen. Eins ist soweit klar: Sowohl der Antrag für den Durchsuchungsbefehl als auch die eidesstattliche Erklärung erfolgten durch einen FBI-Agenten, vielleicht sogar durch dieselbe Person.

Laut dem Durchsuchungsbefehl wird gegen Trump wegen Behinderung der Justiz und anderer mutmaßlicher Verstöße ermittelt. Im Zentrum steht die Frage, ob Trump unerlaubt als geheim eingestufte Dokumente aus der Zeit seiner Präsidentschaft „nach Hause“ mitgenommen hat. Dieser Vorwurf scheint aus verschiedenen Gründen fraglich. Trump selbst gab an, die Dokumente mit einer grundsätzlichen Freigabe versehen zu haben. Durch sein Amt hatte Trump die Befugnis dazu.

Die Freigabe von Dokumenten über „Crossfire-Hurricane“, auch bekannt als „Spygate“, erfolgte zweifach. Erstens durch einen Tweet im Jahr 2020. Nach einer Debatte über deren Gültigkeit auf diesem Weg gab Trump auch ein formelles Memorandum heraus – am 19. Januar 2021, einen Tag vor Joe Bidens Vereidigung. „Crossfire-Hurricane“ ist der Codename für die FBI-Untersuchungen im Umfeld Trumps mit Bezug auf russische Einflussnahme bei den Wahlen 2016.

Zweiklassengesellschaft

Schon bei früheren Präsidenten gab es Probleme mit mitgenommenen Unterlagen, so beispielsweise bei George W. Bush und Barack Obama. Doch in keinem dieser Fälle wurden so schwere Geschütze aufgefahren wie bei Trump.

Was die Behandlung durch das Justizministerium und das FBI betrifft, sprechen Republikaner von einer Zweiklassengesellschaft. Bei Skandalen in Kreisen der Demokraten in den letzten Jahren spielte das FBI eine dubiose Rolle. Dazu zählt der Umgang mit geheimen E-Mails auf privaten Servern Hillary Clintons, die Russiagate-Affäre um die widerlegten Vorwürfe einer Absprache Trumps mit Russland. Im Fall des Laptops von Joe Bidens Sohn Hunter sprach das FBI unwahrheitsgemäß von „russischer Desinformation“ und nahm mit seiner Einschätzung unmittelbar Einfluss auf die Präsidentschaftswahlen.

Mögliche Gründe für die Razzia

Das Misstrauen vieler Republikaner gegenüber dem Justizministerium und dem FBI sitzt daher tief. Sie mutmaßen, dass die Razzia in Mar-a-Lago Trump an einer erneuten Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2024 hindern soll. Auch ein Zusammenhang mit der Untersuchung des Kapitolsturms vom 6. Januar 2021 wird vermutet.

Möglich ist auch ein „Machtkampf“ zwischen Trump auf der einen und dem Justizministerium mit dem FBI auf der anderen Seite. Trump hat in den vergangenen Monaten zwei Klagen erhoben, die sich gegen Beteiligte im Russiagate-Skandal richten: Hillary Clinton, das Nationalkomitee der Demokraten und diverse FBI-Mitarbeiter. Die Razzia in Mar-a-Lago könnte eine Reaktion auf die Klage gewesen sein, weil das FBI fürchten musste, dass Trump im Besitz von Dokumenten ist, die die Behörde belasten und dass Trump diese veröffentlichen würde.

Neue Informationen haben diese Theorie untermauert. Schon allein der ungewöhnlich große Umfang des Durchsuchungsbefehls würde sie stützen. Entgegen Garlands Aussage war er nicht „gezielt“ formuliert. Vielmehr war er sehr weit gefasst und umfasste alle präsidialen Unterlagen aus Trumps gesamter Amtszeit. Hätten dem Justizministerium Hinweise für eine konkrete Straftat vorgelegen, hätte es keinen so umfassenden und vagen Durchsuchungsbefehl formuliert.

Aber das ist nicht das einzige Indiz. Ein Artikel der „Newsweek“ vom 17. August enthielt einige bemerkenswerte Aussagen über die Razzia von zwei Quellen, die in den Geheimdiensten tätig sind.

Sie sagten aus, dass Agenten unter dem Vorwand in Trumps Wohnsitz eingedrungen sind, um allgemein nach Regierungsdokumenten zu suchen, die rechtmäßig der Regierung gehören. Das wirkliche Ziel sei aber ein privater Lagerraum Trumps gewesen, in dem er Dokumente aus seiner gesamten Amtszeit gesammelt haben soll, die ihn von Vorwürfen entlasten könnten. Beamte des Justizministeriums befürchteten, dass Trump sie als Waffe gegen das Ministerium und das FBI einsetzen könnte, schreibt das Nachrichtenmagazin.

Das heißt, dass es um Dokumente ging, die Trump gesammelt und in seinem Besitz gehabt haben soll, mit denen er beweisen wollte, dass Russiagate ein Betrug war, einer, der von Beamten aus den höchsten US-Institutionen betrieben wurde – einschließlich des FBI und des Justizministeriums.

Justizministerium wusste, was Trump lagerte

Die Razzia am 8. August war nicht der erste Besuch des FBI in Mar-a-Lago. Bereits am 3. Juni erschien ein Beamter für Spionageabwehr aus dem Justizministerium mit drei FBI-Agenten. Berichten zufolge erlaubte Trump ihnen, „die Kisten im Lagerraum zu öffnen und zu durchsuchen“. Die Beamten sollen einige der Dokumente mitgenommen haben.

Man kann davon ausgehen, dass das Justizministerium nach diesem Besuch wusste, welche Dokumente Trump in seinem Besitz hatte. Ebenso hatte es Kenntnis darüber, was sich in einer Mappe befand, deren Freigabe Trump noch am 19. Januar 2021 angeordnet hatte. – Trump hatte die Mappe zur Freigabe an das Justizministerium geschickt. Die Mappe enthielt Unterlagen im Zusammenhang mit der Crossfire-Hurricane-Untersuchung des FBI.

Trump erklärte dazu: „Der Generalstaatsanwalt hat auf meine Anweisung hin eine angemessene Überprüfung durchgeführt, um sicherzustellen, dass die in der Mappe enthaltenen Materialien vom Weißen Haus in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht veröffentlicht werden können.“ Wie bekannt geworden ist, hat das Justizministerium unter Generalstaatsanwalt Merrick Garland jedoch „keine einzige Seite“ dieser Dokumente freigegeben.

Im Fall der Klage Trumps gegen Clinton & Co. und die FBI-Mitarbeiter machte das Justizministerium einen Schachzug: Der Staatsanwalt für den südlichen Bezirk von Florida beantragte, dass anstelle von bestimmten FBI-Mitarbeitern „die Vereinigten Staaten als beklagte Partei“ eingesetzt werden. Das bedeutet, dass das Justizministerium möglicherweise genau zum richtigen Zeitpunkt belastende Unterlagen in seinen Besitz gebracht hat, nämlich zu dem Zeitpunkt, in dem es im Zusammenhang mit dem Russiagate-Skandal vor Gericht steht.

Chronologie: Was geschah bisher alles?

19. Januar 2021 – Trump gibt ein Memo heraus, in dem Spygate-Dokumente freigegeben werden.

20. Januar 2021 – Trump verlässt das Weiße Haus. Der Großteil der Spygate-Dokumente wird an das Justizministerium zurückgeschickt, um sie vor der Freigabe aus Datenschutzgründen weiter zu redigieren. Nach Angaben von „Newsweek“ wurden 27 Kisten mit Material versehentlich vom Weißen Haus nach Mar-a-Lago geliefert.

Mai 2021 – Die National Archives and Records Administration (NARA) erklärt, dass Trump Unterlagen aus seiner Zeit als Präsident besitzen könnte, die er laut Gesetz zurückgeben müsste.

Mitte Januar 2022 – Nach Verhandlungen liefert Trump 15 Kisten mit Material an das NARA. Zu den Materialien gehören Berichten zufolge auch Dokumente mit unterschiedlichen Geheimhaltungsstufen.

15. Februar 2022 – Die republikanischen Senatoren Chuck Grassley und Ron Johnson schreiben an Justizminister Garland. Das Ministerium habe sich bisher geweigert, Trumps Anordnung zur Freigabe von Dokumenten vom 19. Januar 2021 nachzukommen. In dem Schreiben heißt es, dass das Justizministerium bislang „keine einzige Seite freigegeben hat“.

24. März 2022 – Trump reicht Klage ein gegen Hillary Clinton und Dutzende anderer Parteien, die behaupten, Trump habe mit Russland konspiriert, um die Wahl 2016 zu beeinflussen.

12. Mai 2022 – Nachdem das NARA im Februar das Justizministerium um eine Untersuchung über Trumps Umgang mit präsidialen Dokumenten gebeten hat, startet das FBI eine Untersuchung.

3. Juni 2022 – FBI inspiziert Lager in Mar-a-Lago. Trump erlaubt den FBI-Agenten, „die Kisten im Lagerraum zu öffnen und zu durchsuchen“. Das Ereignis zeigt, dass das Justizministerium entweder wusste oder eine sehr gute Vorstellung davon hatte, was es bei seiner Razzia am 8. August beschlagnahmte.

21. Juni 2022 – Trumps erweiterte Klage gegen Hillary Clinton und eine große Anzahl anderer mit dem Democratic National Committee (DNC) verbundener Personen, die an dem Russiagate-Skandal beteiligt waren.

21. Juni 2022 – Kash Patel, ehemaliger Beamter der Trump-Administration, wird der offizielle Vertreter Trumps für die National Archives. Patel sagte, es sei seine Absicht, „jedes einzelne Dokument zu identifizieren, das sie vor der Freigabe blockiert haben“. Er werde „nächste Woche damit beginnen, diese Informationen zu veröffentlichen“.

22. Juni 2022 – Richter Bruce Reinhart zieht sich plötzlich von Trumps Klage gegen Clinton & Co. zurück. Nur 44 Tage später unterzeichnete Reinhart persönlich den Durchsuchungsbefehl für die Razzia in Mar-a-Lago.

14. Juli 2022 – Schachzug des Justizministeriums in Trumps Verfahren gegen Clinton & Co. und die FBI-Mitarbeiter. Der Staatsanwalt beantragt, die FBI-Mitarbeiter als beklagte Partei durch die Vereinigten Staaten zu ersetzen. Das Justizministerium ist damit nun in der offiziellen Rechtsposition, gegen die Freigabe zurückgehaltener Dokumente zu prozessieren, die Trump noch in seiner Amtszeit freigegeben hatte.

18. Juli 2022 – Senator Grassley teilt in seinem zweiten Schreiben an FBI-Direktor Wray und Garland mit, dass „sehr glaubwürdige Whistleblower“ „Fragen darüber aufgeworfen haben, ob das Justizministerium und das FBI ihren gemeinsamen Strafverfolgungsauftrag mit Unparteilichkeit und ohne Betrug, Missbrauch und grobes Missmanagement ordnungsgemäß erfüllen.“

25. Juli 2022 – Mitteilung von Senator Grassley: Das FBI habe die Beweise gegenüber Hunter Biden fälschlicherweise als „Desinformation“ dargestellt. Grassley sagte, dass, „wenn diese Anschuldigungen wahr und zutreffend sind, das Justizministerium und das FBI institutionell bis ins Innerste korrumpiert sind“.

4. August 2022 – Trump legt Widerspruch dagegen ein, FBI-Mitarbeiter durch das Justizministerium zu ersetzen.

5. August 2022 – Richter Reinhart unterschreibt den FBI-Durchsuchungsbefehl für Trumps Mar-a-Lago-Anwesen. Garland erklärte später, dass er die Entscheidung, einen Durchsuchungsbefehl zu beantragen, „persönlich gebilligt“ habe.

8. August 2022 – Razzia in Trumps Anwesen

22. August 2022 – Trump fordert mit der Einsetzung eines „Special Masters“ die Einsetzung einer neutralen Instanz. Damit will er erreichen, dass das Justizministerium keinen Zugriff auf seine vertraulichen Unterlagen hat.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 59, vom 27. August 2022. >>> Shop



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