Hat die ÖVP die Ablösung des „Kurier“-Chefredakteurs erzwungen?
Ein Mediendeal, den der am Wochenende zurückgetretene FPÖ-Chef und ehemalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache in dem vieldiskutierten „Ibiza-Video“ angesprochen und auch AfD-Sprecher Jörg Meuthen am Sonntagabend (19.5.) im Talk bei „Anne Will“ erwähnt hatte, beschäftigt nun auch das linksgerichtete österreichische Internetportal „Kontrast“.
Gerald Demmel zeigte sich darin verwundert darüber, dass Strache in dem 2017 aufgenommenen Video, also bereits ein Jahr, bevor die Transaktion über die Bühne gegangen war, über eine Beteiligung an der auflagenstärksten österreichischen Tageszeitung gesprochen hat. Er nannte auch einen Namen: den des Immobilieninvestors René Benko. Mit diesem wollte er sich bereits zu diesem Zeitpunkt auf dessen Yacht getroffen und über dessen Pläne gesprochen haben.
Tatsächlich erwarb Benkos Signa-Konzern im Vorjahr 24,5 Prozent an der seit ihrer Gründung mithilfe von Gewerkschaftsgeldern durch den antikommunistischen SPÖ-Veteranen Franz Olah im Jahr 1959 stets umkämpften „Kronen Zeitung“. Diese Anteile kommen aus dem 50-prozentigen Bestand der Funke-Gruppe (WAZ), die 1987 die Anteile von Mitgründer Kurt Falk übernommen hatte, der zusammen mit Hans Dichand die Fäden in der Hand gehalten hatte, ehe er sich mit diesem überwarf.
Hat die ÖVP die Ablösung des „Kurier“-Chefredakteurs erzwungen?
Auch am „Kurier“, der seit den späten 1960er Jahren im Schatten des Kleinformats steht, hält Benko seither 24,22 Prozent, ebenfalls erworben von der WAZ. An der „Krone“ hält nun Dichand-Sohn Christoph einen 50-prozentigen Anteil, am „Kurier“ ist die Raiffeisen-Gruppe mit 50,56 Prozent Mehrheitseigentümerin.
Das von SPÖ-Parlamentsklub herausgegebene Magazin „Kontrast“ zählt Benko zum „innersten Kreis“ und zum „Netzwerk“ von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Es sieht einen ursächlichen Zusammenhang zur Entlassung des vormals langjährigen „Kurier“-Chefredakteurs und früheren ORF-Journalisten Helmut Brandstätter.
Der betont linksliberale Brandstätter wurde zum 1. Oktober 2018 durch die als ÖVP-nahe geltende Martina Salomon ersetzt und fungiert bis zum Auslaufen seines Vertrages nur noch als Herausgeber. Die „Presse“ deutet an, es habe im Vorfeld Druck vonseiten der Regierung auf die eng mit den ÖVP-Bünden verzahnte Raiffeisen-Gruppe gegeben, diese möge ihren Einfluss als Mehrheitseignerin geltend machen, um die Personalie durchzusetzen.
Das SPÖ-Blatt meint seit dieser Zeit neben aus seiner Sicht zu „wohlwollenden“ Interviews mit Politikern der Volkspartei auch eine „äußerst freundliche FPÖ-Berichterstattung“ wahrzunehmen – worunter in diesem Fall aber möglicherweise so ziemlich alles subsumiert werden dürfte, was konstruktiver wirkt als Nazi-Vergleiche wie jüngst jener des ORF-Moderators Armin Wolf.
„Krone“ konterte linkem Übergewicht
Die sozialdemokratische Partei selbst hatte ihr eigenes Medienimperium in Österreich bereits Ende der 1980er Jahre eingebüßt, als ihre Parteizeitungen wie „Tagblatt“ oder „Arbeiter-Zeitung“ mangels wirtschaftlicher Perspektiven ihr Erscheinen einstellen mussten. Allerdings wechselten die namhaftesten Journalisten und Autoren in „unabhängige“, politisch weit linke Magazine wie „Profil“ oder „News“, einige auch zum ORF. Diese waren, neben der Tageszeitung „Der Standard“, fortan die bestimmenden Medien.
Einen einigermaßen bürgerlichen Kurs verfolgte demgegenüber noch die wirtschaftsnahe „Presse“. Ein echtes Gegengewicht zu den linksliberalen Publikationen bildete hauptsächlich die „Kronen Zeitung“. Die „Krone“ hatte als von den Intellektuellen verachtetes Massenblatt einen wesentlichen Anteil daran, dass es in Österreich eine strukturelle bürgerliche Mehrheit gibt und die Grünen deutlich schlechtere Wahlergebnisse erzielen als in Deutschland. Anders als eine Vielzahl an Tageszeitungen in Österreich ist die „Krone“ wirtschaftlich so erfolgreich, dass sie auch nicht vom staatlichen Presseförderungssystem abhängt, das eine weitere Verzahnung von Medien und Politik schafft.
Seit Benko seine Anteile an der „Krone“ übernommen hatte, herrscht auch in dieser jedoch ein Hauen und Stechen. Der Immobilienmagnat will die Gründerfamilie Dichand dazu bewegen, bestehende Vorkaufs- und Aufgriffsrechte, Gewinngarantien und weitere Vorrechte, die ihr den Einfluss auf das Blatt sichern sollen, neu zu verhandeln. Zudem wollen Benko und die Funke-Gruppe die Entlassung Christoph Dichands als Chefredakteur erreichen.
„Niemals Einfluss aufgeben“
Die Dichand-Familie hatte über Jahrzehnte hinweg Kurs und Strategie der Zeitung bestimmt, die mit ca. 30 Prozent Tagesreichweite immer noch eine europaweit rekordverdächtige Verbreitung erfährt. In den 2000er Jahren war der Anteil sogar noch jenseits der 40 Prozent. Unter den Onlineangeboten ist krone.at hinter dem ORF und dem „Standard“ auf Platz drei.
Eine Preisgabe ihrer Vorrechte würde, so heißt es aus der Gründerfamilie, den unabhängigen und volksnahen Kurs gefährden, der das Blatt so lange so erfolgreich gemacht hatte, und dem Verscherbeln an Finanzinvestoren Tür und Tor öffnen. Zudem seien 1500 Arbeitsplätze in Gefahr. Die Dichand-Familie zeigte sich allenfalls bereit, selbst noch Anteile zuzukaufen – auf keinen Fall, so zitiert sie der „Standard“, würde sie jemals ihren „Einfluss aufgeben“.
Christoph Dichand selbst meint über die „Macht der Krone“:
Der Umstand, dass viele Politiker und auch mächtige Institutionen immer noch die Nähe der ‚Krone‘ suchen, zeigt, dass sie nicht abgenommen hat. Man hat noch immer sehr viel Zutrauen in ihren Einfluss.“
Angesichts des Umstandes, dass auch in Österreich die „Unabhängigkeit der Medien“ eine Frage von Einfluss, Geld und Interessen ist, haben Straches angeheiterte Gedankenspiele in Ibiza über eine Übernahme des Kleinformats einen recht lebensnahen Hintergrund.
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