Himmelfahrtskommando Irak
Tenison Perera duckt seinen Kopf verzweifelt hinter das Armaturenbrett seines Trucks. Er ahmt nach, wie er knapp dem Tod entkommen ist. Er umklammert das Lenkrad, während er nervös erzählt, wie die Kugel eines Scharfschützen vor Kurzem durch die Kabine seines Trucks sauste, knapp an seinem Kopf vorbei, und dann durch die Windschutzscheibe wieder ins Freie drang.
Knappe Angelegenheiten wie diese gehören zum Alltag des 44-jährigen aus Sri Lanka. Perera ist ein Truck-Fahrer im vom Krieg zerrissenen Irak und hat Dutzende Fahrten in die von Rebellen bevölkerte irakische Wüste unternommen, bei denen er Nachschub für die im Land verteilten US-amerikanischen Truppen lieferte. Jede Fahrt ist eine gefährliche Reise, da sein Konvoi regelmäßig von Heckenschützen und Mörserbomben attackiert wird.
Trotz der ständigen Bedrohung ist Pereras Truck beladen mit auffälligen Sicherheitsmängeln. Das Glas ist nicht kugelsicher, die Türen und die Fahrerkabine sind aus dünnem Metall gebaut und der große Tank ist völlig ungeschützt – eine tickende Zeitbombe, falls er von einer Kugel getroffen wird. Diese Art von LKW würde man auf Nordamerikas Highways erwarten, nicht jedoch in einem Kriegsgebiet.
„Viele Male haben Heckenschützen schon auf mich geschossen“, sagt Perera, als er sich auf eine weitere Fahrt über die Grenze Kuwaits in den Irak vorbereitet. Er hat Baumaterial für die riesige neue US-Botschaft in Bagdad dabei. „Gott sei Dank hatte ich keine Probleme.“
Vor Heckenschützen zu flüchten ist nicht das, was Perera erwartet hatte, als er sich auf eine Annonce einer Arbeitsvermittlung in Sri Lanka meldete, die ihm ein gutes Gehalt und Gratifikationen im sicheren Kuwait versprach. Der Job klang nach der perfekten Gelegenheit, um dringend benötigtes Geld für die Familie aufzutreiben, und so nahm der dreifache Familienvater einen 800-Dollar-Kredit auf, um die verlangte „Rekrutierungsgebühr“ zu bezahlen. Prompt schickte man ihn in den Mittleren Osten.
Als er ankam, konfiszierte eine kuwaitische Firma Pereras Pass und sagte ihm, dass er Trucks in den Irak werde fahren müssen, um die Amerikaner bei ihrem Krieg gegen den Irak zu unterstützen. Falls er sich weigere, würde man ihn in der Stadt aussetzen. Allein in einem unbekannten Land, weit weg von Zuhause, mit Schulden und ohne Pass, hatte er keine Wahl.
Das ist nun zwei Jahre her. Seither hat er seine Familie nicht mehr gesehen.
Das Missbrauchsmuster
Pereras Misere wird von tausenden anderer verarmter südasiatischer Männer geteilt. Auf einer Reihe von Reisen nach Kuwait trafen wir Dutzende dieser Männer, die gemeinsam mit ihren Kollegen in den Mittleren Osten rekrutiert wurden mit dem Versprechen eines guten Jobs. Nur, um dann von kuwaitischen Transportfirmen angeheuert zu werden, die in den Irak fahren.
Für ihre Anstrengungen werden sie sehr schlecht bezahlt und diskriminiert, ihnen wird die medizinische Versicherung und viele andere Leistungen, die ihnen versprochen wurden, verweigert, und sie werden beinahe ohne Schutzausrüstung in die Schusslinie geschickt.
Dazu kommt, dass ihre Ausbeutung von unwissenden amerikanischen Steuerzahlern finanziert wird. Seit 2001 hat die in Houston ansässige Baufirma KBR einen exklusiven Vertrag mit dem Verteidigungsministerium, den sogenannten LOGCAP 3, um Essen, Kleidung und andere Dienste für die Truppen im Irak bereit zu stellen. Der Vertrag ist laut US-Army mehr als 20 Milliarden an Steuergeldern wert.
Aber KBR verwendet dieses Geld nicht alleine. Das Unternehmen hat vieles davon in eine ausgeklügelte Serie von Subkontraktoren gesteckt, die jetzt im Irak besteht. Hunderte kuwaitische Firmen sind beteiligt. Unter ihnen sind jene, die sich offen über US-Arbeitsgesetze hinwegsetzen. Sie benutzen billige importierte Arbeitskräfte, indem sie die Pässe der Angestellten einbehalten und die Arbeiter unter sehr schlechten Bedingungen unterbringen – und das wird alles von den Dollars der Steuerzahler finanziert.
Die Vorgehensweise von KBR sorgt in Washington schon seit längerem für Stirnrunzeln. Das Pentagon beschuldigt das frühere Tochterunternehmen des Ölbohrausrüsters Halliburton (US-Vizepräsident Dick Cheney war hier einst Vorstandsvorsitzender), mehr als eine Milliarde Dollar an „unbestätigten“ und „fragwürdigen“ Spesen verrechnet zu haben. Das Unternehmen machte im Dezember Schlagzeilen, als ein Mitarbeiter im Irak mutmaßlich von seinen Kollegen vergewaltigt wurde. Aber die jüngsten Vorwürfe gehören zu den ungeheuerlichsten.
Den Statistiken des Arbeitsministeriums von 2007 zufolge, starben in den ersten vier Monaten des vergangenen Jahres neun Auftragnehmer jede Woche. Auf jeden amerikanischen kamen vier Nicht-Amerikaner. Seit der Krieg begonnen hat, starben dem Ministerium zufolge mehr als 1.000 Auftragnehmer im Irak.
Die südasiatischen Fahrer sind besonders in Gefahr, da ihnen kaum Schutz von ihren Firmen geboten wird. Die Fahrer sagen, dass zusätzlich zu ihren schlecht gesicherten Trucks ihnen auch kein Training oder kugelsichere Westen gegeben werde – anders als bei vielen ihrer amerikanischen Gegenparts, die direkt von KBR angeheuert wurden.
„Der Unterschied ist, dass sie weiß sind und wir Asiaten sind.“
„Wenn (amerikanische Fahrer) einen großen Truck fahren können, können wir das auch. Wenn sie 15 Stunden fahren können, können wir das auch. Was ist der Unterschied?“, fragt Joel, ein Fahrer aus den Philippinen, der seinen Nachnamen nicht genannt haben möchte. „Der Unterschied ist, dass sie weiß sind und wir sind Asiaten.“
Wie Perera kam auch Joel in den Mittleren Osten, nachdem ihm ein guter Job in Kuwait versprochen worden war. Als er ankam, erklärte die in Kuwait ansässige Jassim Transport and Steveoring Company den Vertrag, den er zuhause abgeschlossen hatte, für ungültig, sagt Joel. Dafür bekam er einen neuen auf Arabisch – den er nicht lesen konnte. Und wie Perera wurde auch ihm ein Ultimatum gestellt – unterschreibe, oder du wirst ausgesetzt.
„Ich kam zu dieser Firma, indem ich übers Ohr gehauen wurde“, beschwert sich der Vater zweier junger Töchter. „Ich habe viele Versprechungen bekommen, aber sie wurden alle gebrochen.“
Große Gefahr, kleine Bezahlung
Obwohl er vier Jahre lang gearbeitet hat, sind ihm praktisch keine Ersparnisse geblieben. Joel und die anderen Fahrer erklären, dass sie auf einer abfallenden Basis bezahlt würden, die auf ihrer Herkunft basiert. Philippinos bekommen nicht mehr als 4.500 Dollar im Jahr, während Fahrer aus Sri Lanka und Indien gerade einmal 3.000 Dollar im Jahr einnehmen. Sie sind darauf erpicht, uns ihre Gehaltszettel zum Beweis zu zeigen.
Zum Vergleich: Amerikanische Fahrer, die für KBR arbeiten, können bis zu 100.000 Dollar verdienen, wenn sie in den Irak fahren.
Die Löhne der Südasiaten sind nur geringe Kompensation für die Gefahren, denen sie ausgesetzt sind. Die Fahrer treffen sich im Irak mit großen Armeekonvois, und man erwartet, dass sie non-stop zu ihren Destinationen fahren, die oft Stunden entfernt liegen. Wenn kein US-Konvoi vorhanden ist, werden sie von irakischen Truppen eskortiert. Das macht die Fahrer nervös, denn die Iraker lassen sie bei Gefahr durch Rebellen oft im Stich.
Die Fahrer erhalten kein Training für das Kriegsgebiet, nur eine ominöse Warnung, bevor sie die Grenze überschreiten: „Unsere Firma sagt, dass wir schnell fahren sollen“, erklärt Perera. „Sie sagen, wenn wir langsam fahren, werden wir sterben.“
Das wenige Geld, das die Fahrer einnehmen, wird nach Hause zu den verarmten Familien geschickt. Wenn ein befreundeter Fahrer getötet wird, legen sie ihre Ersparnisse zusammen und senden sie zur trauernden Witwe – ein verzweifelter Akt der Barmherzigkeit. Wenige der Witwen sehen jemals das Versicherungsgeld, das ihren Ehemännern versprochen wurde, sagen die Fahrer. Das bedeutet, dass der Tod eines Fahrers seine gesamte Familie in Gefahr bringt.
„Wenn sie mich verlieren, werden sie ein bemitleidenswertes Leben haben“, sagt Joel von seiner Familie. „Alles in Manila ist so teuer.“
„KBR duldet oder toleriert in keinster Weise unethisches Benehmen“, sagt Browne. „Von allen Angestellten von KBR wird erwartet, dass sie sich dem Verhaltenskodex der Firma entsprechend verhalten. Wenn diese missachtet werden, wird sofort und angemessen gehandelt.“ Browne meint, dass das Unternehmen nichts von den Anschuldigungen des Missbrauchs von Fremdarbeitern, die von Subkontraktoren wie Jassim angestellt wurden, wisse.
Die südasiatischen Fahrer, mit denen wir sprachen, bestehen jedoch darauf, dass ihre Diskriminierung offenkundig sei. Sie erklärten, dass sie, sobald sie im Irak sind, in der US-Basis nicht schlafen oder trinken dürfen. Obwohl sie manchmal Monate im Land verbringen, sagen die Fahrer, dass sie in den Trucks bleiben müssen – es sei „wie in Sardinendosen“, sagte ein Fahrer. Es wird ihnen sogar gesagt, dass sie weit weg von den Basen parken sollen, wo sie für Angriffe von Rebellen wie auf dem Präsentierteller stehen.
Wenn sie zurück sind in Kuwait, werden sie in abbruchreife Betoncamps am Rand der Hauptstadt untergebracht. Sie teilen sich kleine Zimmer mit alten Stockbetten und werden hinter Stacheldraht eingezäunt. Ein kuwaitischer Wächter ist am Tor positioniert.
Die Fahrer sagten, dass sie sich fürchten, für sich selbst aufzustehen. Sie sind sich ihrer Rechte in Kuwait nicht gewiss, sprechen die Landessprache nicht, und fürchten, dass sie ihr Unternehmen einsperren lässt, wenn sie sich beschweren.
Fragen der Verantwortlichkeit
Joels Arbeitgeber, Jassim Transport, ist eine dieser Firmen. Sie operiert vom Haupthafen in Kuwait-Stadt aus und ist laut eigenen Aussagen einer der 200 Kontraktoren, die von KBR angeheuert wurden. Im Jahr 1979 gegründet, ist es eines der größten Transportunternehmen.
Wir trafen uns mit Syed Shaheen Naqvi, Jassims Leiter des Business Development. In einem Undercover-Interview, das mit einer versteckten Kamera aufgenommen wurde. Er gab zu, dass er die Pässe einbehält, obwohl dies illegal ist.
„Wenn Sie mit uns einen Subkontrakt haben, wird ihre Arbeit gemacht. Wie wir das machen, lassen sie das unsere Sorge sein“, sagte er. „Ich mache, was immer ich machen muss – das ist meine Sorge.“
Naqvi erklärt, dass Jassim viele Verträge mit KBR hat und im Moment 600 ihrer Trucks jeden Tag durch den Irak fahren. Er sagt, dass 70 Prozent der Konvois der Firma von Rebellen angegriffen werden.
Während er uns ein Bild von einem typischen Jassim-Truck zeigte, bestätigte er, dass den Fahrern kein spezieller Schutz zukommen werde. Auf die Frage, was mit einem Konvoi passiere, wenn er angegriffen wird, lachte er zögerlich und sagte: „Ich weiß nicht, die Fahrer haben Glück.“
Wir kontaktierten Naqvi noch einmal, wegen seiner Aussagen über die Gefahren, denen seine Fahrer ausgesetzt sind. Er hatte keinen weiteren Kommentar, außer dass er abstritt, Pässe einzubehalten.
Im Jahr 2004 verbot die philippinische Regierung ihren Bürgern, in den Irak einzureisen, nachdem ein Fahrer von Rebellen gekidnapped wurde. Seither werden die Pässe mit einem klaren Stempel versehen „Nicht gültig im Irak“. Die Fahrer sagen jedoch, dass dies von Amerikanischen Bürgern an der irakischen Grenze und in den US-Basen ignoriert werde.
Das Pentagon bestreitet das und sagt, dass von allen Kontraktoren und Subkontraktoren erwartet wird, dass sie die Ein- und Ausreisebestimmungen einhalten.
„Das Verteidigungsministerium toleriert nicht, dass von Kontraktoren oder Subkontraktoren, die einen Vertrag des Verteidigungsministeriums unterstützen, Menschenhandel betrieben wird“, sagte der Sprecher des Pentagon, Chris Isleib, in einem E-Mail. Isleib sagte auch, dass das MinisterIum stichprobenartige Checks durchführe.
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