Hongkong: Größter Massenprotest seit drei Jahrzehnten – gegen Auslieferungsgesetz an China

Rund eine Million Menschen protestierten in Hongkong gegen das geplante Auslieferungsgesetz an China. Trotz des Widerstands will Regierungschefin Lam das Gesetz dafür schnell absegnen lassen.
Epoch Times10. Juni 2019

Nach der Großdemonstration von rund einer Million Menschen in Hongkong gegen geplante Auslieferungen an China ist es in der Nacht zum Montag zu Ausschreitungen gekommen. Es gab Verletzte und Festnahmen.

Nachdem sich der friedliche Massenprotest am Sonntagabend aufgelöst hatte, versuchten einige hundert radikale Demonstranten gegen Mitternacht, Absperrgitter einzureißen und den Legislativrat und Regierungssitz zu stürmen. Polizisten gingen mit Schlagstöcken und Pfefferspray vor.

Foto: Anthony Kwan/Getty Images

Zuvor war die Demonstration am Sonntag friedlich geblieben. Nach Angaben der Organisatoren waren 1,03 Millionen Menschen gegen das geplante Auslieferungsgesetz auf die Straße gegangen. Es war die größte Demonstration in Hongkong seit den Protesten vor 30 Jahren gegen die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 in Peking.

Die allermeisten Proteste verliefen friedlich. Foto: Anthony Kwan/Getty Images

 

Gesetz würde Auslieferung „verdächtiger Personen“ an kommunistisches China erlauben

Das kontroverse Gesetz würde Hongkongs Behörden erlauben, auf Ersuchen chinesischer Stellen verdächtigte Personen an die kommunistische Volksrepublik China auszuliefern. Kritiker argumentieren aber, dass Chinas Justizsystem nicht unabhängig sei, internationalen Standards nicht entspreche und politisch Andersdenkende verfolge. Auch drohten Folter und Misshandlungen. Das Gesetz wurde als „Werkzeug zur Einschüchterung“ in Hongkong beschrieben.

Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an China nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ als eigenes Territorium autonom regiert. Die sieben Millionen Einwohner der heutigen chinesischen Sonderverwaltungsregion genießen größere Freiheiten als die Menschen in China, darunter das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Presse- und Versammlungsfreiheit. Als Reaktion auf die Demonstrationen 2014 für mehr Demokratie, die Teile der Stadt wochenlang lahmlegten, zieht Peking aber die Zügel enger.

Erinnerung an „Regenschirm“-Proteste vor fünf Jahren

Die Ausschreitungen in der Nacht zum Montag erinnerten an die „Regenschirm“-Proteste vor fünf Jahren, die ihren Namen damals von den Regenschirmen gegen die Sonne und das Pfefferspray der Polizei bekommen hatten. Die Demonstranten, die das Parlament stürmen wollten, waren zum Teil maskiert und gehörten Studentengruppen an, die für eine Unabhängigkeit der Sonderverwaltungsregion eintreten.

Die Polizei rief Spezialkräfte, die den Protest nach rund einer halben Stunde auflösten, wie die Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“ berichtete. Einige Demonstranten und Polizisten seien verletzt worden. In den frühen Morgenstunden sei es an anderen Orten in der Metropole zu weiteren kleineren Zwischenfällen gekommen.

Breite Besorgnis der Bevölkerung über Auswirkungen

Die Atmosphäre in Hongkong ist aufgeheizt, da die umstrittene und loyal zur KP-Führung in Peking stehende Regierungschefin Carrie Lam trotz des massiven Widerstands in der Bevölkerung das Gesetz durchbringen will. Schon am Mittwoch soll die Peking-treue Mehrheit der Abgeordneten im nicht frei gewählten Legislativrat das Gesetz annehmen.

Anwaltsverbände, Menschenrechtsgruppen und ausländische Handelskammern haben sich besorgt über die Auswirkungen geäußert. Es wurde gewarnt, dass Auslieferungen an China die Position Hongkongs als internationaler Handelsplatz untergraben könnten. Auch zeigten sich einige Länder wie die USA und Kanada beunruhigt, dass das Gesetz ihre Bürger in Hongkong betreffen könnte.

Die Kritiker erklären, dass das Justizsystem in China nicht unabhängig ist. Es wird von der KP Chinas gesteuert, die sich über jegliches Recht und Gesetz stellt. Das Justizsystem entspricht daher keinen internationalen Standards, Andersdenkende werden verfolgt.

Auffällig ist ebenfalls, dass Angeklagte zu 99 Prozent verurteilt werden, oft auch zu Gehirnwäsche und Arbeitslager. (dpa/red.)



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