IAEA-Team von Kiew aus auf dem Weg zu AKW Saporischschja

Das Kernkraftwerk Saporischschja steht im Südosten der Ukraine. Russische Truppen kontrollieren das Gebiet.
Das Kernkraftwerk Saporischschja steht im Südosten der Ukraine. Russische Truppen kontrollieren das Gebiet.Foto: Uncredited/Russian Defense Ministry Press Service/AP/dpa
Epoch Times31. August 2022

Experten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) haben sich von Kiew aus auf den Weg zum von russischen Truppen besetzten Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine gemacht. Das Team sei nach sechsmonatigen Bemühungen „endlich in Bewegung“, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi am Mittwoch vor der Abreise in Kiew zu Journalisten. „Die IAEA begibt sich zum AKW Saporischschja.“

Das mit sechs Reaktoren größte Kernkraftwerk Europas wird seit Anfang März von russischen Truppen kontrolliert. In den vergangenen Wochen war die Gegend des AKW Saporischschja wiederholt beschossen worden, wofür sich die Ukraine und Russland gegenseitig verantwortlich machten. Der Beschuss nährte die Furcht, dass es in Saporischschja zu einer ähnlichen Atomkatastrophe kommen könnte wie 1986 im ukrainischen, damals zur Sowjetunion gehörenden Tschernobyl.

IAEA-Chef Grossi hatte über Monate Zugang zu der Anlage in Saporischschja gefordert. Anfang August hatte er vor der „sehr realen Gefahr einer nuklearen Katastrophe“ gewarnt.

Am Dienstag trafen die IAEA-Experten den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. „Wir wollen, dass die IAEA-Mission zur Atomzentrale gelangt und alles tut, um die Gefahren (einer Atomkatastrophe) zu verhindern“, sagte Selenskyj laut einem von seinem Büro veröffentlichten Video.

Mit Jodtabletten gegen Radioaktivität

Die 68-jährige Rentnerin Kateryna hat die Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 überlebt. Jetzt bereitet sie sich mit den anderen Einwohnern der südukrainischen Stadt Saporischschja auf ein mögliches Unglück im nahegelegenen AKW vor, dem größten Europas. Die Menschen in Saporischschja stehen bereits für Jodtabletten an. Sie sollen die Gesundheitsrisiken der Strahlung im Falle einer Katastrophe abschwächen.

„Die Bedrohung war sehr groß, aber wir haben überlebt“, erinnert Kateryna sich an die Atomkatastrophe von Tschernobyl. „Jetzt haben wir sechs Reaktoren, nicht einen“, gibt sie zu bedenken.

Die Stadt Saporischschja liegt etwa 50 Kilometer Luftlinie von dem gleichnamigen Atomkraftwerk entfernt. Seit Anfang März ist Saporischschja von russischen Truppen besetzt. In der Gegend gibt es anhaltende Kampfhandlungen. Zusätzlich zum Beschuss des Kraftwerks wirft Kiew Moskau vor, die Anlage zur Lagerung schwerer Waffen zu nutzen und um die 500 Soldaten dort stationiert zu haben. Der Kreml beharrt jedoch darauf, lediglich Sicherheitspersonal vor Ort zu haben.

Vergangene Woche wurde das Kraftwerk erstmals in seinem 40-jährigen Bestehen kurzzeitig vom ukrainischen Stromnetz getrennt, nachdem die letzte funktionierende Starkstromleitung beschossen wurde. Die ukrainische Atombehörde Energoatom warnte, es bestehe die Gefahr, dass „radioaktive Substanzen freigesetzt werden.“ Sollte es zu einem ernsten Zwischenfall in dem Kernkraftwerk kommen, würden radioaktive Stoffe in die Atmosphäre gelangen, darunter radioaktives Jod. Beim Einatmen kann dies das Risiko für Schilddrüsenkrebs erhöhen – ein Effekt, der nach Tschernobyl beobachtet wurde.

Die Einnahme von Tabletten mit nicht-radioaktivem Jod soll verhindern, dass sich das radioaktive Jod in der Schilddrüse anreichert, sodass es auf natürlichem Weg über den Urin ausgeschieden wird. Um das Atomkraftwerk Saporischschja haben rund 13 Schulen Tabletten ausgegeben. Ärzten zufolge sollen sie an alle Menschen verteilt werden, die in einem Radius von 50 Kilometern um die Anlage leben. Bisher haben offiziellen Angaben zufolge mehr als 5.000 Einwohner der Stadt Saporischschja ihre Tabletten abgeholt, darunter mehr als 1.500 Kinder.

Tabletteneinnahme bei Alarm

Elena Karpenko, Krankenschwester am Kinderkrankenhaus von Saporischschja, erklärt: „Die Tablette wird bei Gefahr genommen, wenn Alarm gegeben wird.“

Am Wochenende haben Rettungsdienste in Saporischschja Evakuierungen sowie das Dekontaminieren von radioaktivem Staub geübt. Die Stadt hat inzwischen einen Vorrat von zwei Tonnen einer speziellen Dekontaminierungslösung angelegt. Im Katastrophenfall werden zwei Sirenen ertönen, um die Einwohner zu warnen. Einem ersten Alarm folgt 24 Stunden später ein zweiter.

Der örtliche Gesundheitsvorsteher Taras Tyschtschenko erklärt den zeitlichen Abstand: „Vielleicht erreicht die radioaktive Wolke nicht den Bereich, wo Menschen sind.“ Zum Zeitpunkt des zweiten Alarms sei „eindeutig, wie weit die radioaktive Wolke sich ausgebreitet hat“, führte er fort. Bis dahin lägen alle Informationen über sichere Gebiete und Evakuierungsstandorte vor. (afp/mf)



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