Italiens geplante Regierung: „Lasst uns erst einmal anfangen, dann dürft Ihr uns auch kritisieren“

Die EU ist beunruhigt über die geplante Politik der neuen italienischen Regierung. Der Parteichef der Fünf-Sterne-Bewegung Luigi Di Maio mahnt die Kritiker zur Geduld: "Lasst uns erst einmal anfangen, dann dürft Ihr uns auch kritisieren."
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«Wir wurden nicht gewählt, um ins Parlament einzuziehen und dort zu kampieren, die große Herausforderung ist, den Worten Taten folgen zu lassen», sagt Sterne-Chef Luigi Di Maio.Foto: Ettore Ferrari/ANSA/AP/dpa
Epoch Times22. Mai 2018

Der EU-Parlamentarier Elmar Brok (CDU) hat mit deutlichen Worten vor den Wirtschaftsplänen der geplanten italienische Regierungskoalition aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der fremdenfeindlichen Lega gewarnt. „Die Zeichen stehen auf Sturm“, sagte Brok der „Saarbrücker Zeitung“ vom Dienstag.

Italien habe im Falle eines abrupten Kurswechsels keinen Anspruch auf europäische Solidarität, warnte Brok.

Deshalb wird die Wirtschaft dort einbrechen. Die italienischen Banken werden einbrechen. Viele Italiener werden dann versuchen, ihre Ersparnisse ins Ausland zu bringen, um sie vor dem Chaos zu retten.“

Die Bundesregierung müsse deshalb auf Gespräche im Rahmen der Euro-Gruppe dringen und der italienischen Regierung „reinen Wein einschenken, sprich, die Grenzen ihrer Möglichkeiten aufzeigen“. Nur so lasse sich das Schlimmste möglicherweise noch abwenden.

Giuseppe Conte als künftiger Regierungschef geplant

Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio kündigte an, dass der Rechtswissenschaftler Giuseppe Conte neuer Regierungschef des Landes werden. Der 54-jährige Conte hat wenig Erfahrung in politischen Ämtern.

Nach Angaben aus dem Präsidentenpalast in Rom will Staatspräsident Sergio Mattarella am Dienstag noch nicht darüber entscheiden, ob er der Ernennung des Rechtswissenschaftlers Giuseppe Conte zum Ministerpräsidenten der geplanten Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega zustimmt.

Italienische Tageszeitungen berichteten unter Berufung auf Quellen im Präsidialpalast, Mattarella habe Zweifel an der Entscheidungsgewalt des Politik-Neulings Conte im Angesicht der politischen Schwergewichte Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung und Matteo Salvini von der Lega, die voraussichtlich seine Minister werden sollen. Zudem fordere der Präsident Garantien, dass die neue Regierung Italiens europäische Verpflichtungen und internationalen Bündnisse respektiert.

Mattarella beriet am Dienstag mit den Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern. Eine Entscheidung darüber, ob er Conte mit der Regierungsbildung beauftragt, wollte Mattarella nach Angaben eines Sprechers am Dienstag aber noch nicht treffen. Lehnt er Conte ab, könnte es Neuwahlen geben.

Neue Regierung will EU-Sparpolitik beenden

Die Regierungsvorhaben der beiden systemkritischen Parteien könnten zu massiven Konflikten mit Brüssel führen. Die Lega und die Fünf Sterne wollen die Sparpolitik im hoch verschuldeten Italien beenden. Sie planen Steuersenkungen und massive zusätzliche Sozialausgaben.

Die Pläne veranlassten den für den Euro zuständigen EU-Kommissionsvizepräsidenten Dombrovskis zu einer Warnung. Die Kommission lege „Wert darauf, dass die neue italienische Regierung auf Kurs bleibt und eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik betreibt“, sagte der Lette dem „Handelsblatt“.

Die Regierung müsse das Wachstum „mit Strukturreformen fördern und das Haushaltsdefizit unter Kontrolle behalten“.

Fünf-Sterne-Chef: „Lasst uns erst einmal anfangen, dann dürft Ihr uns auch kritisieren“

Die Koalitionspartner in spe bemühten sich in Rom um Beschwichtigung. Lega-Chef Matteo Salvini sagte, die neue Regierung wolle Italien „wachsen lassen und neu aufstellen und dabei die Regeln und Verpflichtungen einhalten“.

Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio mahnte die Kritiker zur Geduld: „Lasst uns erst einmal anfangen, dann dürft Ihr uns auch kritisieren.“

Wirtschaft und Finanzmärkte reagierten nervös auf die Entwicklung in Italien. Die Börse in Mailand schloss am Montag mit einem Minus von 1,52 Prozent, die Risikoaufschläge für Italiens Staatsanleihen steigen seit Tagen.

Italien hat einen Schuldenberg von 2,3 Billionen Euro angehäuft. Das entspricht 132 Prozent der Wirtschaftsleistung – die zweithöchste Schuldenquote in der EU nach Griechenland.

Katja Kipping (Linke): Die Bundesregierung ist mitschuldig

Linken-Chefin Katja Kipping gibt der Bundesregierung und der EU-Kommission eine Mitschuld an der Regierungsbildungskrise in Italien. „Es ist doch nicht von der Hand zu weisen, dass die von Berlin und Brüssel verordnete Kürzungspolitik zu einem mangelnden Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die EU geführt hat“, sagte Kipping dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

Statt an die sich abzeichnende Regierungskoalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega zu appellieren, sollten die Bundesregierung und die Spitzen der EU ihr eigenes Handeln hinterfragen.

„Auch wenn von der neuen Regierung in Rom mit Beteiligung der rechtsradikalen Lega Nord nichts Positives zu erwarten ist – insbesondere in Fragen der Einwanderung und der geplanten `Flat-Tax` -, sind die EU und die Bundesregierung gut damit beraten, über ihre eigenen Fehler nachzudenken“, sagte Kipping dem RND.

Grüne-Chefin: „Scheitert Italien, scheitert Europa“

Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock sieht durch die Regierungsbildungskrise in Rom den Zusammenhalt in der gesamten EU gefährdet. „Italien ist ein Herzland Europas. Scheitert Italien, scheitert Europa“, sagte Baerbock dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

Deutschland müsse das problematische Wahlergebnis in Italien zum Anlass für einen dezidiert proeuropäischen Kurs nehmen. „Wenn wir nur in Schockstarre geradezu darauf warten, dass ein Land nach dem anderen in Europafeindlichkeit und Illiberalität abrutscht, dann können wir nur verlieren“, warnte Baerbock.

„Die EU braucht einen Impuls, das hat Präsident Macron längst erkannt“, sagte sie. Dessen Vorschläge lägen auf dem Tisch. „Jetzt ist es an der Bundesregierung, Farbe zu bekennen, was sie will. Wir müssen Europa verändern, um es bewahren zu können.“

(afp/dts)



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