Italiens Verteidigungsminister: „Seidenstraßen-Abkommen mit China war ein destruktiver Akt“

Italien will wieder aus dem Seidenstraßen-Abkommen aussteigen, da es für das Land keinen positiven Effekt darstellt. Denn während Italien „eine Ladung Orangen nach China liefert, hat China seine Exporte nach Italien verdreifacht“, wie der italienische Verteidigungsminister sagte.
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Italiens Verteidigungsminister Guido Crosetto am 16. März 2023 in Tokio, Japan.Foto: Takashi Aoyama/Getty Images
Von 31. Juli 2023

Italien will offenbar bis Ende dieses Jahres wieder aus dem umstrittenen „Seidenstraßen“-Projekt mit China aussteigen. Der italienische Verteidigungsminister Guido Crosetto bestätigte den Schritt laut Medienangaben vom Sonntag. Italien war 2019 die erste große Industrienation, die sich Chinas milliardenschwerem Investitionsprogramm anschloss.

„Die Entscheidung, sich der Neuen Seidenstraße anzuschließen, war ein spontaner und destruktiver Akt der Regierung von Giuseppe Conte“, sagte Crosetto der Zeitung „Corriere della Sera“. China habe dadurch seine Exporte nach Italien erhöht, doch bei italienischen Exporten nach China habe das Abkommen nicht die gleiche Wirkung erzielt.

Wir haben eine Ladung Orangen nach China exportiert, während China seine Exporte in drei Jahren verdreifachte“, erklärte Crosetto.

„Das Lächerlichste ist, dass Paris, das sich der Initiative nicht angeschlossen hat, damals Flugzeuge für Dutzende Milliarden Euro an Peking verkauft hat“, kritisierte der italienische Verteidigungsminister.

„Peking tritt immer offensiver auf“, fuhr Crosetto fort. Einst habe das Regime vorgehabt, die größte Wirtschaftsmacht der Welt zu werden. „Heute verkündet es, dass es der größte Akteur auf militärischer Ebene sein wird“, führte der Verteidigungsminister weiter aus.

Dabei bezeichnete er die Ausweitung Chinas in Afrika zum Beispiel als „kulturelle Expansion“, dessen Ziele die KPC nicht mehr verstecke: „In Comics werden die Chinesen als Befreier und die Westler als Ausbeuter dargestellt, die es zu vertreiben gilt.“

Crosetto zufolge stellt sich nun aber auch die Frage, wie man aus der Initiative aussteigen kann, ohne die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu beschädigen. „China ist ein Konkurrent, aber auch ein Partner“, erklärte er.

Endgültige Entscheidung laut Meloni vor Dezember

Nach einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden letzte Woche im Weißen Haus sagte die italienische Premierministerin Giorgia Meloni, dass die „Seidenstraßen“-Initiative in Rom untersucht werde. Gleichzeitig kündigte sie an, dass sie Peking in naher Zukunft besuchen werde.

„Wir werden vor Dezember eine Entscheidung treffen“, sagte Meloni in einem Interview mit „Fox News“. Laut Meloni sind zu diesem Thema Gespräche mit der chinesischen Regierung und dem italienischen Parlament erforderlich.

Meloni bekräftigte ihre Ansicht, dass es ein „Paradoxon“ sei, dass Italien Teil der chinesischen Initiative sei, obwohl es nicht einmal zu den wirtschaftlich am weitesten entwickelten G7-Ländern gehöre, die den meisten Handel mit China hätten. Daran könne man laut Meloni erkennen, dass es möglich sei, „gute Beziehungen zu Peking zu haben, ohne an ‚Belt and Road‘ teilzunehmen“.

Noch vor ihrem Sieg bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr hatte Meloni bereits angekündigt, dass sie die Beteiligung Italiens an der Initiative nicht fortsetzen werde.

Medienberichten zufolge heißt es auch, dass die USA Rom ausdrücklich aufgefordert haben – zu dem Investitionspakt der Vorgängerregierung – Stellung zu beziehen. Für Italien ist der Rückzug jedenfalls heikel. Auch wenn konkrete Projekte bisher Mangelware sind, werden wirtschaftliche Vergeltungsmaßnahmen aus Peking befürchtet.

Abkommen stieß bereits bei Abschluss auf massive Vorbehalte

Meloni gilt als entschiedene Unterstützerin eines freien Taiwan. Im letzten Jahr hatte sie mehrmals in Gesprächen mit Medien aus Taiwan deutlich gemacht, dass sie eine Vielzahl an Gründen sehe, das „Neue Seidenstraßen“-Abkommen nicht zu erneuern. Unter anderem hatte sie das Vorgehen des KP-Regimes in Hongkong, in Xinjiang und wiederholte Gewaltandrohungen gegen Taiwan kritisiert.

2019 hatte das hoch verschuldete Italien China den roten Teppich ausgerollt und darauf gehofft, seine Wirtschaftsbeziehungen zu Peking ausweiten zu können. In der Europäischen Union und in den USA hatte es bereits damals massive Vorbehalte gegen das Projekt gegeben. Auch bei der italienischen Regierung war das Projekt umstritten. Kritiker hatten unter anderem vor der Gefahr einer wachsenden Abhängigkeit von China gewarnt.

„Uns ist bewusst, dass diese Absichtserklärung ein Risiko und eine Chance ist“, hatte der italienische Wirtschaftsstaatssekretär Michele Geraci eingeräumt, der ein Jahrzehnt lang in China gearbeitet hat. Chinas Staatschef Xi habe jedoch betont, dass sein Land einen wirtschaftlichen Austausch und Investitionen „in beide Richtungen“ anstrebe.

Abkommen automatisch verlängert

Im Zuge des Abkommens schloss die chinesische Regierung am 23. März 2019 insgesamt 29 Protokollvereinbarungen mit Italien ab. Ein Drittel davon betraf Unternehmen, darunter den Turbinenhersteller Ansaldo und die Danieli-Gruppe, die eine Eisenhütte in Aserbaidschan bauen soll.

Eine Vereinbarung beinhaltet dabei auch die Öffnung des chinesischen Marktes für italienische Orangen. Eine weitere betrifft eine Partnerschaft zwischen dem chinesischen Tourismusriesen Ctrip mit den Flughäfen von Rom, der Bahngesellschaft Trenitalia und dem Ferrari-Museum in Modena. Überdies waren Städtepartnerschaften und Zusammenarbeiten staatlicher Medien beider Länder geplant. In den italienischen Medien war damals die Rede, dass die Vereinbarungen einen Umfang von fünf bis sieben Milliarden Euro umfassen.

Das bestehende sogenannte „Memorandum of Understanding“ zwischen Italien und China sieht vor, dass das Abkommen nach fünf Jahren automatisch verlängert wird. Wenn eine Partei beabsichtigt, nicht zu verlängern, muss sie die andere Partei im Voraus benachrichtigen. Sobald Italien beschließt, das Abkommen nicht zu verlängern, muss es daher Verhandlungen mit China aufnehmen.

Aktive Lobbyarbeit von chinesischen Beamten

Seit Melonis Amtsantritt ist bereits bekannt, dass die italienische Regierung einen Rückzug aus der „Seidenstraßen“-Initiative beabsichtigt. Seitdem ist Peking aktiv dabei, das Land wieder umzustimmen.

So wurde das Thema bereits im Februar dieses Jahres beim Besuch des chinesischen Außenministers Wang Yi in Italien erörtert. Im Mai dieses Jahres besuchte der KPC-Beamte Wang Lutong Italien, um ebenfalls über die Erneuerung des Abkommens zu verhandeln. Er ist Leiter der Europa-Abteilung des Außenministeriums der Kommunistischen Partei Chinas.

Ende Juni folgte schließlich noch die Italienreise von Liu Jianchao, dem Leiter für Auslandsverbindungen des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas. Dieser kam mit einer ganzen Delegation nach Italien, um eine Reihe von Lobbying-Aktivitäten zu starten. Sie trafen sich mit italienischen Würdenträgern und Geschäftsleuten, um ihren Widerstand gegen Italiens geplanten Rückzug aus dem Abkommen deutlich zu machen.



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