Kalifornien: Nach tagelang unterbrochener Stromversorgung bleiben auch die Elektroautos stehen

Aus Angst vor Waldbränden hat ein Energieversorger in Kalifornien im Sinne der Politik des Minimalrisikos angesichts hoher Windgeschwindigkeiten gleich 30 Countys den Strom abgedreht. Neben Schulen und Einzelhandel traf es auch Besitzer von E-Autos.
Von 12. Oktober 2019

Nicht nur in Deutschland bleibt die 2011 „Energiewende“ nach wie vor Erfolgsnachweise schuldig. Auch im US-Bundesstaat Kalifornien, der sich selbst als Vorreiter in der Umweltpolitik und beim „Klimaschutz“ beschreibt, hadern Wirtschaft und Bevölkerung mit Abstrichen im Bereich der Versorgungssicherheit – und den Folgekosten von Stromausfällen. Zu diesen kommt es nicht nur infolge von externen Einwirkungen wie Stürmen oder Erdbeben, sondern immer häufiger infolge von Präventivmaßnahmen im Sinne einer Niedrig-Risikopolitik, wie die Regierung sie vorschreibt.

Wie der „Guardian“ berichtet, hat sich die Pacific Gas and Electric Co. (PG&E) am Mittwoch (9.10.) dazu entschlossen, die Stromversorgung in mehr als 30 Countys des Landes zu unterbrechen. Es handele sich dabei um eine Vorsichtsmaßnahme, um mögliche Waldbrände zu verhindern, heißt es aus dem Unternehmen. Die Windgeschwindigkeit entlang der Küste bei San Francisco hatte zuvor 70 Meilen pro Stunde (etwa 112 km/h) überschritten, man befürchtete eine Gefahr für Überlandleitungen.

Betroffen von der zuvor noch nie in diesem Ausmaß vollzogenen Maßnahme waren etwa zwei Millionen Stromkunden. Da eine Ersatzversorgung in der kurzen Zeit nicht zu bewerkstelligen war, konnte das Unternehmen erst tags darauf, als die Windgeschwindigkeiten nachließen, beginnen, an der Wiederherstellung zu arbeiten. Dem „San Francisco Chronicle“ zufolge müsse man jedoch, bevor der Strom wieder fließen könne, 25 000 Meilen an Versorgungs- und 2500 Meilen an Übertragungsleitungen überprüfen – was insgesamt dem Umfang des Äquators entspreche.

Schadenshöhe bis zu 2,5 Milliarden US-Dollar

Die Folgen für das Alltagsleben der Betroffenen waren verheerend: Schulen mussten geschlossen bleiben, Ampelsysteme fielen aus, Krankenhäuser konnten nur noch mithilfe von Notstromaggregaten ihren Betrieb aufrechterhalten. In den Kühlhäusern von Restaurants und Lebensmittelversorgern verdarb Ware, die Betroffenen werden – so der Chef des kalifornischen Einzelhandelsverbandes, Ronald Fong, gegenüber Associated Press – auf den Kosten sitzenbleiben, weil Versicherungen nicht für die Folgen freiwilliger Stromabschaltungen aufkämen.

Erst am Freitag war die Versorgung wieder weitgehend gewährleistet. Nun versuchen die Behörden die Kosten des Versorgungsausfalls zu beziffern. Im Jahr 2011 hatte ein großflächiger Stromausfall in San Diego, der ebenfalls zwei Millionen Haushalte betraf, zwischen 97 und 119 Millionen US-Dollar an Schäden verursacht, darunter zwischen 12 und 18 Millionen infolge des Verderbens von Lebensmitteln und 70 Millionen durch Produktionsausfall.

Michael Wara vom Forschungsprogramm für Klima- und Energiepolitik an der Stanford-Universität rechnet mit einem Schaden von 65 Millionen US-Dollar durch den Stromausfall in Privathaushalten. Berechne man die Schäden bei Mittelstand und Industrie mit ein, könnten die Kosten auf 2,5 Milliarden US-Dollar steigen.

Wie „PJ Media“ berichtet, hat der Versorgungsausfall auch das Unternehmen Tesla und Elon Musk, den Technologieführer im Bereich des Elektroautos, auf dem falschen Fuß erwischt. Musk versicherte angesichts flächendeckend stillstehender Elektrofahrzeuge auf Twitter, er werde sich darum kümmern, in allen betroffenen Regionen Tesla-Powerpacks zur zusätzlichen Stromversorgung aufzubauen. Er warte nur noch auf die Bewilligung. Zudem wolle er die Superladestationen zusätzlich noch mit Solarenergie versorgen. Ziel bleibe „saubere Versorgung rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche“.

„Wochen können sehr lange sein“

John Pearley Huffman von „Car and Driver” beruhigt diese Zusicherung nur bedingt:

„Wochen können sehr lange sein, wenn man ein 3er Modell in seiner Garage hat mit leerer Batterie, keiner Stromversorgung, um sie aufzuladen und 80 Kilometer Entfernung bis zum nächsten Einkaufsladen, der über Strom verfügt. Aber so ist das Leben im Golden State, wo Wälder und Äcker schon bei der kleinsten Trafo-Fehlfunktion oder Schädigungen einer Überlandleitung in größter Gefahr sind. Und die politischen Entscheidungsträger jetzt Minimalrisiko verlangen, nachdem die Waldbrandsaison 2018 nicht weniger als 8527 Feuer erlebte, die insgesamt 1 893 913 Acre (7664,4 Quadratkilometer) Wildnis und mehr als 18 000 Gebäude vernichtet hatten.“

Kaliforniens ökologische Gesellschaftsexperimente beginnen nun, wehzutun, diagnostiziert Jim Treacher auf PJ Media. Vor allem diejenigen, die durch den Erwerb eines Elektroautos mit gutem Beispiel vorangehen wollten:

„Wenn Sie als Kalifornier also ein Elektroauto gekauft haben, um die Umwelt zu retten, können Sie es jetzt wegen seines Gefahrenpotenzials für die Umwelt nicht fahren. Wenn Ihnen der Planet wirklich am Herzen liegen würde, würden Sie sich überhaupt nicht mehr irgendwo hin- oder wegbewegen oder am Leben des 21. Jahrhunderts teilnehmen. […] Aber das ist halt der Clou daran, ‚woke‘ zu sein: Es wird immer einen geben, der noch ‚woker‘ ist.“



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