Kardinal Ratzinger ist neuer Papst

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Der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger ist der neue Papst. Künftig wird er Benedikt XVI. genannt. (Bild - GettyImages)
Epoch Times19. April 2005

Vatikan-Stadt – Der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger ist neuer Papst. Als Benedikt XVI. wird der 78-Jährige, der als strenger Bewahrer einer konservativen Glaubenslehre gilt, die katholische Kirche mit ihren weltweit 1,1 Milliarden Mitgliedern führen. 115 Kardinäle wählten ihn am Dienstag überraschend nur 26 Stunden nach Beginn ihres Konklaves im Vatikan zum Nachfolger des am 2. April verstorbenen Johannes Paul II..

Ratzinger, früher Erzbischof von München und Freising, war als einer der aussichtsreichsten Favoriten gehandelt worden. Doch hatten viele Beobachter auch bezweifelt, dass sich die aus 52 Ländern stammenden Mitglieder des Konklaves mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit auf den in Fragen der Kirchendoktrin polarisierenden Hardliner Ratzinger würden einigen können. In Deutschland wurde seine Wahl mit Freude, aber auch Kritik kirchlicher Reformgruppen aufgenommen. Es war erst das dritte Mal seit rund 100 Jahren, dass der neue Papst bereits am zweiten Tag des Konklaves gefunden wurde.

„DEMÜTIGER ARBEITER IM WEINBERG DES HERRN“

In seiner ersten Ansprache an zehntausende Gläubige auf dem Petersplatz sagte der neue Papst: „Liebe Brüder und Schwestern, nach dem großen Papst Johannes Paul II. haben die Kardinäle mich gewählt, einen einfachen, demütigen Arbeiter im Weinberg des Herrn. Mich tröstet die Tatsache, dass der Herr selbst mit unzureichenden Werkzeugen zu arbeiten und zu handeln weiß. Und vor allem vertraue ich mich Euren Gebeten an.“ Dann spendete Benedikt XVI. erstmals den traditionellen Segen „Urbi et Orbi“.

Als Zeichen für die erfolgreiche Wahl des 265. Papstes in der Geschichte der römisch-katholischen Kirche war kurz vor 18.00 Uhr weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle im Vatikan aufgestiegen. Die Menge auf dem Petersplatz, die gespannt auf die Entscheidung gewartet hatte, brach in Jubel aus, als sich der zunächst grau erscheinende Rauch langsam weiß färbte – das Zeichen, dass sich die in der Kapelle streng abgeschirmten Kardinäle auf einen neuen Papst geeinigt haben. Zur weiteren Bestätigung läuteten wenig später auch die Glocken des Petersdoms. Etwa eine dreiviertel Stunde später trat einer der Kardinäle auf die Loggia des Petersdoms und sprach die Formel „Habemus Papam“ – Wir haben einen Papst.

GLÄUBIGE STRÖMEN IN MÜNCHNER FRAUENKIRCHE

Der am 16. April 1927 im bayerischen Marktl am Inn geborene Ratzinger ist seit vielen Jahren in der Kurie tätig und war ein enger Vertrauter von Johannes Paul II.. Als Präfekt der römischen Glaubenskongregation, der Nachfolgebehörde der Inquisition, war er der oberste Hüter der katholischen Lehre. Er verteidigte das kategorische Nein der Kirche zum Priestertum der Frau, vertrat eine harte Linie gegen wiederverheiratete Geschiedene und Homosexualität. Er trat für eine Vorherrschaft der katholischen Kirche vor allen anderen Glaubensgemeinschaften ein. Außerdem disziplinierte Ratzinger Vertreter der Befreiungstheologie in Lateinamerika. Nun steht er vor der Herausforderung, die Nachfolge eines der aktivsten und populärsten Päpste anzutreten, den die katholische Kirche je hatte.

Der vor Ratzinger letzte Papst mit dem Namen Benedikt war Benedikt XV., dessen Pontifikat von 1914 bis 1922 dauerte. Er hatte den Vatikan für die internationale Diplomatie geöffnet und sich für ein Ende des Ersten Weltkriegs eingesetzt. „Benedikt war ein ruhiger Pontifex“, sagte der frühere Vatikan-Diplomat John-Peter Pham. „In großen Menschenansammlungen fühlte er sich nicht wohl.“

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Wahl Ratzingers strömten Hunderte Gläubige an seinen früheren Wirkungsort, die Münchner Frauenkirche. Viele Menschen zündeten Kerzen an, einigen weinten vor Freude. Bundeskanzler Gerhard Schröder begrüßte die Wahl Ratzingers als große Ehre für Deutschland. Er freue sich darauf, Papst Benedikt XVI. zum Weltjugendtag im August in Köln zu begrüßen. Der kirchenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hermann Kues (CDU), nannte es einen historischen Augenblick, dass es nach fast 500 Jahren wieder einen deutschen Papst gebe. Dagegen sagte der Bundesgeschäftsführer der Initiative „Kirche von unten“, Bernd Göhring: „Wir halten die Wahl Ratzingers für eine Katastrophe.“ In den nächsten Jahren würden vom neuen Papst wohl keine Reformen zu erwarten sein.

STRENG ABGESCHIRMTE WAHL

Die letzten deutschen Päpste waren Victor II. (1055-1057) und Stephan IX. (1057-1058). Traditionell wird aber auch der holländische Papst Hadrian VI. aus Utrecht (1522-1523) zu Zeiten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zu den deutschen Päpsten gezählt.

Die Wahl Ratzingers zum Papst fand streng abgeschirmt von der Öffentlichkeit statt. Anti-Abhöranlagen sollten sicherstellen, dass nichts nach draußen drang. Die Kardinäle hatten in der Kapelle keinerlei Kontakt zur Außenwelt und keinen Zugang zu Radio, Fernsehen oder Internet. So wollte der Vatikan sicherstellen, dass sich die Kardinäle nicht beeinflussen und sich nur durch den Heiligen Geist leiten lassen. Reuters



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