Hassrede oder Meinungsfreiheit? Deutsche Medien halten sich von „Twitter Files“ zurück

Twitter-Files: Fast täglich kommen neue Enthüllungen, doch die „vierte Gewalt“ im Staat verhält sich merkwürdig ruhig. Eine kurze Recherche bei deutschen Medien.
Twitter-Files
Elon Musk ermöglicht die Herausgabe der Twitter-Files durch unabhängige Journalisten. (Illustration)Foto: Samuel Corum/AFP via Getty Images
Von 19. Dezember 2022

Die jüngsten Veröffentlichungen der Twitter-Kommunikation durch freie Journalisten, Stichwort: Twitter Files, könnten Antworten geben auf Vorwürfe, mit denen der Social-Media-Riese seit Jahren konfrontiert wird. Jedoch: Viele große deutsche Medien scheinen kein rechtes Interesse an einer Aufklärung und Neubewertung zu haben, wie eine kurze Online-Recherche ergeben hat (Stand: 15.12.22, 12:00 Uhr).

Wenig bis kaum Interesse zeigen deutsche große Medien an diesen Themen, deren kritische Betrachtung und Aufarbeitung im Sinne der demokratischen Gesellschaft wären. Sie würden auch aufzeigen, welche Gefahren die Anwendung moderner Technologien und die Ansammlung großer Marktmacht im Social-Media-Bereich mit sich bringt.

Über die schon seit ein paar Monaten bekannte Hunter-Biden-Laptop-Geschichte geht lediglich ein Medium hinaus: Die „Bild“ veröffentlichte einen Artikel mit der Überschrift „Wurden Corona-Kritiker unterdrückt?“ Die Laptop-Geschichte griffen nur noch der „Spiegel“ und „T-Online“ in nennenswerter Tiefe im Zusammenhang mit den neuen Twitter-Veröffentlichungen auf.

Elton John wichtiger als investigativer Journalismus

TAZ, „Frankfurter Rundschau“, „Welt“, „Süddeutsche“, „Rheinische Post“ und DPA begnügen sich damit, ein breites Spektrum anderer Twitter-Themen aufzugreifen, die größtenteils den Eindruck erwecken, Twitter sei jetzt „out“ und habe große Probleme. Beispielsweise, dass Bundeskanzler Olaf Scholz seinen Rückzug von Twitter überlegt, den Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) schon vollzogen hat: Weil hatte erklärt, dass die neue Twitter-Strategie  „offenbar bewusst darauf ausgelegt sei, jegliche Kontrolle zu vermeiden und unter dem Deckmantel der ‚freien Rede‘ der Verbreitung von ‚Hatespeech‘ freien Lauf zu lassen“.

Auch dass der Musiker Elton John sich ebenfalls zurückzieht, ist offensichtlich wichtiger als ein investigativer Blick auf die Twitter-Files: „Mein ganzes Leben lang habe ich versucht, die Musik zu nutzen, um Menschen zusammenzubringen. Doch es macht mich traurig zu sehen, wie Fehlinformationen jetzt dazu benutzt werden, unsere Welt zu spalten“ twitterte Elton John. Die Antwort von Elon Musk ließ nicht lange auf sich warten: „Ich liebe Deine Musik. Ich hoffe, Du kommst zurück. Gibt es bestimmte Fehlinformationen, über die Du Dir Sorgen machst?“ – Keine Antwort von Elton John.

„Hassrede und Hetze“ oder Redefreiheit?

Unkritisch ist auch die „Welt“: „Wer auf Twitter falsche oder irreführende Informationen zum Coronavirus streute, wurde zuletzt noch abgestraft. Nach Elon Musks Übernahme des Online-Dienstes wird sich das nun ändern“, meint das Blatt und lässt zwischen den Zeilen durchblicken, die Praxis von Twitter, Beiträge unterhalb von rechtlich relevanten Vergehen zu zensieren, zu befürworten.

In die gleiche Kerbe schlägt „T-Online“: „Kritiker befürchten, dass Musk den Kampf gegen die Verbreitung von Hassbotschaften und Falschnachrichten bei Twitter drastisch beschränken könnte.“

Die ARD-Tagesschau berichtet über die mahnenden Worte von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton, „EU-Richtlinien einzuhalten. Andererseits drohe der Plattform die Abschaltung“. Die ab nächstem Jahr kommenden EU-Gesetze über digitale Märkte und Dienste seien „wirkungsvolle Instrumente, um die Verbreitung von Lügen und Hass einzudämmen“. Musk hatte betont, ein weiteres Verständnis von Redefreiheit zu haben. „Kritiker befürchten, dass er damit Hassrede und Hetze Vorschub leisten könnte“, schreibt die ARD.

Die WAZ stellt sich an die Seite der Biden-Regierung, die eine Anklage des amerikanischen Top-Virologen Anthony Fauci für „unglaublich gefährlich“ hält. Die Zeitung schreibt: „Musk hatte am Sonntag eine Anklage von Fauci gefordert, der seit Beginn der Corona-Pandemie in den USA Anfang 2020 die Regierung berät und vor allem von vielen Rechten vehement angefeindet wird.“

Das ZDF berichtete am 6. Dezember und ließ die kritische Betrachtung vermissen: „Das Weiße Haus wertet die Veröffentlichung interner Twitter-Dokumente mit Blick auf den Sohn von US-Präsident Biden als Ablenkungsmanöver. Welches Ziel könnte Musk damit verfolgen?“

Seit dem 2. Dezember veröffentlichen die amerikanischen Journalisten Matt Taibbi, Bari Weiss, Michael Shellenberger und Leighton Woodhouse E-Mail-Auszüge aus der Konzernkommunikation bei Twitter. In Teilen liefern sie einen völlig neuen Blick auf das Gebaren des Kurznachrichtendienstes, in Teilen bestätigen Sie Vermutetes oder Bekanntes.

Die bislang präsentierten Themen drehen sich vor allem um die Laptop-Geschichte von Hunter Biden unmittelbar vor der Präsidentschaftswahl 2020, den Ausschluss Präsident Trumps von der Plattform und die Zusammenarbeit zwischen FBI und Twitter. Darüber hinaus präsentieren die Journalisten neue Erkenntnisse über den Umgang mit Corona-Tweets und den Vorwurf einer politischen Linkslastigkeit.



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