Keine EU-Kontrolle für Reisende aus China – Virologe: Deutsche Aussage „schlichtweg dumm“

Die WHO spricht von „unvollständigen Informationen“ des KP-Regimes zur neuen Corona-Welle in China. Die EU will trotzdem keine Testpflicht für Einreisende. Laut einem US-Virologen könnte Chinas Wiederöffnung der Grenze „eine Katastrophe für die ganze Welt“ bedeuten.
Angesichts einer hohen Zahl von Corona-Infektionen in China haben die USA neue Beschränkungen für Reisende aus dem asiatischen Land eingeführt.
Angesichts einer hohen Zahl von Corona-Infektionen in China haben die USA neue Beschränkungen für Reisende aus dem asiatischen Land eingeführt.Foto: Andy Wong/AP/dpa
Von 30. Dezember 2022


In Anbetracht der Corona-Welle, die das Land überschwemmt, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Verständnis für Kontrollen von Einreisenden aus China geäußert. Mehrere Länder, unter anderem die USA, Japan, Indien und Malaysia, haben für diese verpflichtende Tests auf COVID-19 angeordnet. In der EU hat sich bislang nur Italien zu einem solchen Schritt entschlossen. Im Jahr 2020 war das südeuropäische Land besonders stark von der ersten Corona-Welle betroffen, die Europa erreichte.

WHO vermisst „detaillierte Informationen“ vonseiten des KP-Regimes

Zugleich klagt die WHO über die Informationspolitik des KP-Regimes. Ihr Präsident Tedros Adhanom Ghebreyesus erklärte am Donnerstag auf Twitter:

In Ermangelung vollständiger Informationen aus China ist es verständlich, dass Länder Maßnahmen ergreifen, von denen sie glauben, dass sie ihre Bevölkerung schützen werden.“

Zugleich forderte er das KP-Regime in Peking dazu auf, der WHO „detaillierte Informationen“ zur Corona-Lage im Land bereitzustellen.

Nach dem ersten Ausbruch von COVID-19 in Wuhan hatte die kommunistische Führung über Wochen hinweg die eigene Bevölkerung und die Welt darüber im Unklaren gelassen. Das Regime verhängte Maulkörbe für Ärzte und versorgte die WHO mit unzureichenden und zum Teil unzutreffenden Informationen.

Dass die WHO selbst diese im Vertrauen auf deren Richtigkeit weiterreichte, hatte ihr in weiterer Folge scharfe Kritik eingebracht. Die USA als größter Beitragszahler hatten 2020 sogar temporär ihre Mitgliedschaft beendet.

EU-Behörde vertraut auf hohes Niveau an Immunisierung

Während bevölkerungsstarke Industrienationen wie die USA und Indien, aber auch das eigene Mitgliedsland Italien Corona-Kontrollen für Einreisende aus China verhängt haben, will die EU insgesamt diesen Schritt nicht gehen. Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC erklärte am Donnerstag hingegen, solche Maßnahmen seien für die EU insgesamt nicht notwendig.

Die Behörde verwies darauf, dass die EU-Staaten „ein relativ hohes Niveau an Immunisierung und Impfung“ aufwiesen. Das ECDC argumentierte zudem damit, dass die in China zirkulierenden Varianten „bereits in der EU verbreitet“ seien.

Auch aus weiteren Mitgliedstaaten sind vorerst keine Pläne bekannt, die Einreiseregeln für China zu verschärfen. Dabei erwarten beispielsweise Länder wie Österreich demnächst einen Ansturm von Besuchern aus Fernost. Diese besuchen traditionell um diese Jahreszeit Tourismusgebiete wie Salzburg oder Hallstatt.

Noch keine Einigung auf EU-Ebene

Italien hatte die Ergebnisse von Corona-Tests in Mailand zum Anlass genommen, die Einreisebestimmungen zu verschärfen. Tests bei Passagieren von zwei ankommenden Flügen aus China hatten zum Ergebnis, dass etwa die Hälfte der Reisenden mit COVID-19 infiziert war. Neben den bereits ausgewerteten Mailänder Tests will man auch alle Tests, die künftig verpflichtend durchzuführen seien, auf mögliche Varianten untersuchen.

Die Regierung in Rom unternahm am Donnerstagmorgen auch einen Vorstoß, die verpflichtenden Tests für Einreisende aus China in der gesamten EU einzuführen. Die 27 Mitgliedstaaten konnten sich nicht auf eine Vorgehensweise einigen, versprachen aber, die Gespräche über ein gemeinsames Vorgehen fortzusetzen.

Brigitte Autran, die Leiterin des französischen Ausschusses zur Bewertung von Gesundheitsrisiken COVARS, äußerte in diesem Zusammenhang:

Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keinen Grund, die Kontrollen an den Grenzen wieder einzuführen.“

Deutschland und Portugal schlossen sich diesem Standpunkt an, den auch das aus der EU ausgetretene Vereinigte Königreich teilt. Österreich verwies zudem auf die wirtschaftlichen Vorteile der bevorstehenden Rückkehr chinesischer Touristen. Diese dürfen ab dem 8. Januar ins Ausland reisen, nachdem sie fast drei Jahre lang innerhalb der Landesgrenzen eingesperrt waren.

Professor Preben Aavitsland vom Norwegischen Institut für öffentliche Gesundheit wiegelte ebenfalls ab. Er schrieb auf Twitter:

Wir haben wahrscheinlich mehrere hunderttausend Menschen, die sich in Norwegen jede Woche mit COVID infizieren. Ein paar hundert zusätzliche Fälle unter Reisenden aus China wären ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Demgegenüber forderte Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in einer Pressekonferenz die Solidarität anderer EU-Mitglieder ein. Italien versuche, die Corona-Entwicklung angesichts der sich abzeichnenden Reisewelle aus China zu kontrollieren. Dies schaffe man jedoch nicht im Alleingang.

Die obligatorischen COVID-Tests seien „nur dann wirksam, wenn sie auf europäischer Ebene durchgeführt werden“, machte Meloni deutlich. Viele Besucher aus China reisten mit Anschlussflügen über andere europäische Länder nach Italien ein.

Reisewelle aus China ab 8. Januar zu erwarten

Der Virologe Sean Lin, ehemaliger Laborleiter der Abteilung für Viruskrankheiten am Walter Reed Army Institute of Research, übt unterdessen Kritik am Vorgehen der EU. Die länderübergreifende Behörde könne keine schnellen Entscheidungen treffen, selbst wenn dringende Maßnahmen erforderlich seien.

Die Grenzöffnung Chinas ab 8. Januar werde nach drei Jahren zu einem massiven Nachholeffekt im Fremdenverkehr führen. Chinesen würden das Zeitfenster zum Reisen ins Ausland nutzen, weil sie nicht darauf vertrauten, dass die Führung nicht wieder eine 180-Grad-Wende einlegen könnte. Gegenüber der Epoch Times machte Lin deutlich:

Sie werden in kurzer Zeit mit einem enormen Zustrom chinesischer Bürger konfrontiert sein.“

Das Screening von Neuankömmlingen aus China auf COVID-Infektionen sollte „das absolute Minimum“ einer Reaktion auf diese Entwicklung sein.

Virologe: Es könnte mehr als Omikron sein

Der Sprecher des deutschen Gesundheitsministeriums, Sebastian Guelde, hatte erklärt, man beobachte die Situation. Jedoch habe man „keine Anzeichen dafür gesehen, dass sich bei diesem Ausbruch in China eine gefährlichere Variante entwickelt hat“. Lin bezeichnete diese Aussage als „schlichtweg dumm“. Mit einem leichtgläubigen Vorgehen habe der Rest der Welt schon Ende 2019 folgenschwere Fehler begangen:

Es ist ein großes Risiko. In einer solchen Situation vertraut man immer noch auf die Kommunistische Partei. Die chinesische Regierung macht Wortspiele mit der ganzen Welt, und die Null-COVID-Politik der letzten zwei oder drei Jahre ist gegen die Wissenschaft selbst.“

Lin sprach von schweren Lungensymptomen, die man im Zusammenhang mit der derzeitigen Corona-Welle in China beobachtet habe. Diese seien anderswo in dieser Form nicht aufgetreten. Die Entwicklung wecke den Verdacht, dass – anders als von Peking behauptet – doch nicht nur die reguläre Omikron-Variante im Umlauf sein könnte.

Die bevorstehende Wiedereröffnung der chinesischen Grenze erinnere ihn an Anfang 2020, erklärt Lin weiter. Zu der Zeit hatte das Regime das Epizentrum des Virus, Wuhan, abgeriegelt, Reisen ins Ausland aber nicht unterbunden. Dies habe zur weltweiten Ausbreitung des Virus geführt.

Die Wiederöffnung der Grenzen bedeute, dass sich das Virus, das mutiert sein könnte, erneut ungehindert weltweit verbreiten könne. Dies, so Lin, sei „eine Katastrophe für die ganze Welt“.

(Mit Material von AFP)



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