Kiew meldet „massive“ russische Angriffe im Süden der Ukraine

Russische Truppen greifen weiterhin Ziele im Süden und Osten der Ukraine an. Der ukrainische Präsident Selenskyj fordert unterdessen schärfere Sanktionen gegen Russland und kritisiert seinen „Gas-Krieg“ gegen Europa.
Die zerstörten Überreste einer Antonow An-225 liegen auf einem Flugplatz in Hostomel.
Die zerstörten Überreste einer Antonow An-225 liegen auf einem Flugplatz in Hostomel.Foto: Christophe Gateau/dpa
Epoch Times26. Juli 2022


Russland hat nach Angaben Kiews erneut Ziele im Süden der Ukraine bombardiert. Die ukrainische Armee meldete am Dienstag „massive“ russische Luftangriffe unter anderem auf den Hafen von Mykolajiw und in der Nähe der Schwarzmeerstadt Odessa. Präsident Wolodymyr Selenskyj veröffentlichte Videoaufnahmen von zerstörten Gebäuden in dem südwestlich von Odessa gelegenen Badeort Satoka. In der östlichen Region Donezk kamen unterdessen drei Zivilisten ums Leben.

Satoka sei „ein ganz normales Dorf“, schrieb Selenskyj. „Es gibt keine Stützpunkte und keine Truppen. Die russischen Terroristen wollten einfach nur schießen.“

Das Südkommando der ukrainischen Armee berichtete von „massiven Raketenangriffen“ im Süden des Landes. Opfer habe es nach ersten Informationen nicht gegeben. In Mykolajiw seien die Hafeninfrastruktur und eine Autofirma bombardiert worden. Gouverneur Vitali Kim veröffentlichte ein Video, das mehrere Explosionen nach Raketeneinschlägen in Mykolajiw zeigte.

Tote und Verletzte nach Angriffen im Gebiet Donezk

Russische Truppen nahmen in der Nacht zum Dienstag in der ostukrainischen Region Donezk mehrere Ortschaften unter Beschuss. So die Angaben von Gouverneur Pawlo Kyrylenko. Drei Zivilisten verloren binnen 24 Stunden bei russischen Angriffen ihr Leben, sagte er im ukrainischen Staatsfernsehen. „Es gibt keine einzige Ortschaft in der Region Donezk mehr, die nicht getroffen wurde und relativ sicher ist.“

In der benachbarten Region Luhansk wehrte die ukrainische Armee nach Angaben von Gouverneur Serhij Hajdaj innerhalb der vergangenen 24 Stunden vier Angriffsversuche der russischen Truppen ab.

Russland hatte die selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk im ostukrainischen Donbass wenige Tage vor Kriegsbeginn als unabhängig anerkannt. Seit 2014 kontrollieren prorussische Separatisten Teile beider Regionen. Inzwischen hat die russische Armee Luhansk fast vollständig erobert und verstärkt ihre Angriffe auf Ziele in der Region Donezk.

Auch in dem von prorussischen Separatisten kontrollierten Teil des Gebiets Donezk töteten russische Soldaten nach örtlichen Angaben einen Zivilisten in der Stadt Horliwka. In der Region verletzten sie fünf weitere Menschen, hieß es.

Selenskyj fordert weitere Sanktionen gegen Russland

Die Drosselung der Gaslieferungen sei für Europa eine weitere Bedrohung, sagte Selenskyj mit Blick auf die Ankündigung des russischen Gaskonzerns Gazprom. Der ukrainische Staatschef bezeichnete es als Russlands Gas-Krieg. Von diesem Mittwoch an will Gazprom die Lieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 auf 20 Prozent der Kapazität drosseln. Gazprom nannte als Grund, dass eine weitere Gasturbine in die Reparatur müsse. Deshalb werde die Leistung von derzeit 40 Prozent weiter reduziert auf 33 Millionen Kubikmeter Gas täglich, hieß es. Nord Stream 1 ist für Deutschland die wichtigste Versorgungsleitung mit Gas aus Russland.

Laut Selensky müsse der Westen zurückschlagen. Statt an eine Rückgabe der bereits reparierten Gasturbine zu denken, sollte Europa die Sanktionen gegen Russland weiter verschärfen. „Tun Sie alles, um Russlands Einnahmen nicht nur aus Gas und Öl zu reduzieren, sondern auch aus anderen Exporten, die noch bleiben“, sagte er.

Selenskyj warnte, jede weitere Handelsbeziehung sei ein „potenzielles Mittel des Drucks für Russland“. Es steht seit langem im Ruf, sein Gas als „geopolitische Waffe“ einzusetzen. Russland pumpt trotz des Krieges weiterhin einen Teil des Gases durch die Ukraine nach Westeuropa.

Ukrainische Truppen im Donbass unter neuem Kommando

Staatschef Selenskyj setzte nach größeren Gebietsverlusten seit Beginn des russischen Einmarsches einen neuen Befehlshaber Sondereinsatzkräfte der Armee ein. Viktor Horenko soll die Truppen kommandieren. Per Dekret entließ er den 44 Jahre alten Generalmajor Hryhorij Halahan, der in den Geheimdienst versetzt werde. Selenskyj ernannte ihn demnach zum stellvertretenden Chef des für Terrorbekämpfung zuständigen Zentrums des Geheimdienstes SBU.

Nach Russlands Einmarsch im Februar hat die Ukraine nun die Kontrolle über das Gebiet Luhansk komplett verloren. Das benachbarte Donezker Gebiet wurde etwa zur Hälfte von russischen Truppen erobert. Vor dem 24. Februar kontrollierten prorussische Separatisten nur knapp 30 Prozent der Gebiete. Selenskyj hatte unlängst beklagt, dass Kiew bereits 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets nicht mehr unter Kontrolle habe.

Selenskyj fordert wiederholt schwere Waffen vom Westen, um Russlands Vormarsch zu stoppen und besetzte Gebiete zurückzuerobern. Laut dem Einsatzkommando Süd hat die ukrainische Armee sechs Flugabwehrsysteme des Typs Stormer HVM aus Großbritannien erhalten. Wie die schon gelieferten deutschen Gepard-Flugabwehrpanzer dienen sie vor allem der Luftverteidigung von Truppenverbänden im Nahbereich.

Ringen um Getreidelieferungen geht weiter

In der Ukraine laufen weiter Vorbereitungen für die Ausfuhr von Getreide aus den Schwarzmeerhäfen. „Wir erwarten, dass sich das erste Schiff innerhalb der kommenden Tage bewegen könnte“, sagte ein UN-Sprecher. Der Erfüllung der Vereinbarung von Istanbul vom Freitag stehe von russischer Seite nichts im Wege, sagte Moskaus Außenminister Sergej Lawrow bei seinem Besuch in der Republik Kongo.

In dem Abkommen am Freitag hatte Russland zugesichert, Schiffe für den Export über einen Seekorridor fahren zu lassen und nicht zu beschießen. Auch die beteiligten Häfen Odessa, Tschornomorsk und Juschny dürfen nicht angegriffen werden. Es geht unter anderem um die Ausfuhr von Millionen Tonnen Getreide. Die unter der Vermittlung der UN und der Türkei unterzeichnete Einigung sieht vor, die Exporte von einem Kontrollzentrum in Istanbul überwachen zu lassen.

Parallel zu dem Korn-Abkommen wurde auch ein Memorandum mit Russland unterzeichnet. Nach Darstellung Moskaus wird darin festgehalten, dass sich die UN für eine Lockerung von Sanktionen einsetzen wollen, die indirekt Russlands Getreide- und Dünger-Export beschränken. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte mit Blick auf den Export von ukrainischem Getreide von einer Paketlösung gesprochen.

Die UN bestätigten dies bislang allerdings nicht. Die Dokumente seien „nicht öffentlich“ und würden nur dann öffentlich gemacht, wenn alle Beteiligten zustimmten, hieß es von den UN. Am Freitag hatten die UN lediglich schriftlich festgehalten, dass das Abkommen auf dem Grundsatz beruhe, „dass die gegen die Russische Föderation verhängten Maßnahmen auf diese Erzeugnisse keine Anwendung finden“.

Aus EU-Sicht ist das bereits gegeben. So bekräftigte etwa erst am Donnerstag ein EU-Beschluss, dass sich keine Sanktionsmaßnahme „in irgendeiner Weise gegen den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Lebensmitteln, einschließlich Weizen und Düngemitteln, zwischen Drittländern und Russland“ richtet.

Konkret ist etwa geregelt, dass für den Kauf, die Einfuhr und den Transport erforderliche Transaktionen gestattet sind. Zudem gilt, dass russische Handelsschiffe, die landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel transportieren, weiter Häfen in der EU nutzen dürfen. Russland beklagt hingegen, dass es durch die Folgen der Sanktionen massive Einschränkungen für seinen internationalen Schiffsverkehr und die Abwicklung von Zahlungen gebe. Als Beispiel nennt Moskau, dass Schiffe nicht mehr versichert werden können.

Was heute wichtig wird

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock besucht Tschechien und die Slowakei. Dort will die Grünen-Politikerin auch über den Ukraine-Krieg sprechen. Tschechien hat seit dem 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft inne. Mit den NATO- und EU-Partnern kooperiert Deutschland auch, um die Ukraine weiter mit Waffen zu versorgen. (afp/dpa/mf)



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