Kiew schlägt Russland ungewöhnliches Tauschgeschäft vor

In den Bemühungen um internationale Sicherheitsgarantien sieht Selenskyj Fortschritte. Derweil müssen schwer verwundete Soldaten aus dem Werk Azovstal evakuiert werden. Die Entwicklungen im Überblick.
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Ukrainische Soldaten im Osten des Landes. 11. Mai 2022.Foto: YASUYOSHI CHIBA/AFP via Getty Images
Epoch Times12. Mai 2022


Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht deutliche Fortschritte bei den Bemühungen um internationale Sicherheitsgarantien für sein Land. Damit könnte die von Moskau geforderte politische Neutralität der Ukraine in einer Nachkriegszeit abgesichert werden.

Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk verhandelt unterdessen mit der russischen Seite um ein ungewöhnliches Tauschgeschäft – russische Kriegsgefangene gegen schwer verwundete ukrainische Soldaten aus dem Werk Azovstal in Mariupol.

Zuversicht bei Gesprächen über Sicherheitsgarantien

„Wir verhandeln mit den führenden Nationen der Welt, um der Ukraine Vertrauen in die Sicherheit für die kommenden Jahrzehnte zu geben“, sagte Selenskyj am Mittwochabend in seiner täglichen Videoansprache. Unter anderem sei am 8. Mai beim Treffen der G7, an dem die Ukraine erstmals teilnahm, über dieses Thema gesprochen worden.

„Dies ist nun das erste Mal in der Geschichte unseres Staates, dass solche Garantien erfasst werden können“, sagte Selenskyj. Und zwar nicht in irgendwelchen Memoranden oder unklaren Formulierungen, „sondern konkrete Garantien“. Diese seien damit auch „nicht nur rechtsgültig, sondern auch so formuliert, dass klar ist: Was genau, wer konkret und wie konkret (der Ukraine) garantiert wird“.

Die russische Armee hatte am 24. Februar ihre Offensive gegen die Ukraine gestartet. Eine der Forderungen Moskaus zur Beendigung der Kampfhandlungen ist ein klares Bekenntnis Kiews zur politischen Neutralität, für die das Land jedoch starke internationale Sicherheitsgarantien sucht.

Kiew schlägt Russland Tauschgeschäft vor

Die ukrainische Führung schlägt dem russischen Militär ein Tauschgeschäft für die im Stahlwerk Azovstal in Mariupol verschanzten letzten Verteidiger der Hafenstadt vor. „Als ersten Schritt haben wir den Russen folgenden Tausch angeboten: Wir transportieren unsere schwerverwundeten Jungs in einem humanitären Korridor aus Azovstal ab“, sagte Vize-Regierungschefin Wereschtschuk nach Angaben der „Ukrajinska Prawda“. Gleichzeitig lasse das ukrainische Militär russische Kriegsgefangene „nach Standardregeln für deren Austausch“ frei. Die Verhandlungen dazu dauerten noch an.

In den vergangenen Tagen war mehrfach über das Leiden der verwundeten ukrainischen Soldaten im Stahlwerk berichtet worden. Nach Darstellung eines Sanitäters herrscht dort inzwischen absoluter Mangel an Medikamenten. Das weiträumige Stahlwerk ist die letzte Bastion der ukrainischen Truppen in der schwer zerstörten Hafenstadt Mariupol. Das russische Militär fordert von den Verteidigern die Kapitulation, die ukrainischen Truppen lehnen das kategorisch ab.

Russisches Militär fordert Evakuierung ukrainischer Orte

Wohl zur Erleichterung eigener Angriffe hat das russische Militär internationale Organisationen zur Evakuierung ostukrainischer Orte aufgerufen.

„Mit Blick auf die drohende katastrophale humanitäre Lage der meisten Zivilisten in Kramatorsk und Slowjansk rufen wir die Weltgemeinschaft, die UN, die OSZE und das Internationale Komitee des Roten Kreuzes auf, unverzüglich alle Maßnahmen zur schnellen und sicheren Evakuierung der Zivilisten aus diesen Städten unter der Kontrolle der ukrainischen Streitkräfte einzuleiten“, wurde der Generaloberst Michail Misinzew vom Verteidigungsministerium in Moskau von der Agentur Interfax zitiert.

Nach Misinzews Darstellung haben sich die ukrainischen Truppen in diesen Orten verschanzt und missbrauchten die eigene Zivilbevölkerung als lebenden Schutzschild. In Slowjansk und Kramatorsk hielten sich demnach rund 90.000 Zivilisten auf. Kramatorsk und Slowjansk gelten als Eckpfeiler der ukrainischen Abwehrlinien in der Ostukraine.

Ukraine: Kämpfe zwischen Cherson und Mykolajiw

Russische und ukrainische Truppen haben sich in der Region zwischen Cherson und Mykolajiw im Süden der Ukraine erneut erbitterte Gefechte geliefert. Dabei gaben die Verteidiger den russischen Angreifern „keine Gelegenheit zum Vordringen“, wie die ukrainische Militärführung mitteilte.

Im Verlauf der Kämpfe seien mindestens 23 russische Soldaten getötet und zwei Panzer zerstört worden, ebenso wie ein Munitionslager, zitierte die Agentur Unian aus der Mitteilung. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.

Klitschko befürchtet weiterhin russische Angriffe auf Kiew

Ungeachtet des Abzugs russischer Truppen aus der Umgebung von Kiew befürchtet Bürgermeister Vitali Klitschko „jederzeit“ einen neuen Angriff auf die ukrainische Hauptstadt. Im Gespräch mit dem US-Sender CNN schloss Klitschko in der Nacht zum Donnerstag sogar den Einsatz taktischer Atomwaffen nicht aus. Kiew bleibe weiterhin das Hauptziel des russischen Militärs.

„Und solange in der Ukraine Krieg herrscht, können wir nicht einem Ukrainer irgendwelche Garantien geben“, sagte der frühere Box-Weltmeister. „Aktuell hat Sicherheit für uns oberste Priorität“, sagte er. Zwar werde das Land von „unseren Kriegern“ verteidigt, doch das Risiko bleibe. „Und ohne unsere Partner, ohne die USA und die europäischen Staaten können wir nicht überleben.“

Was bringt der Tag

Außenministerin Annalena Baerbock berät ab heute in Wangels an der Ostsee mit ihren Kollegen aus der G7-Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen über die Auswirkungen des Kriegs. Bei den Gesprächen sollen zeitweise auch die Außenminister der Ukraine und der Republik Moldau, Dmytro Kuleba und Nicu Popescu, dabei sein.

In Helsinki will der finnische Präsident Sauli Niinistö seine Position zu einer möglichen Nato-Mitgliedschaft seines Landes verkünden. Die Bekanntgabe gilt als wegweisend dafür, ob sich Finnland im Zuge des Kriegs dazu entschließt, die Aufnahme in das Militärbündnis zu beantragen. Auch Schweden denkt über einen Nato-Beitritt nach.

In Tokio treffen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel den japanischen Ministerpräsidenten Fumio Kishida. Beim 28. EU-Japan-Gipfel soll es unter anderem um die gemeinsamen Sanktionen gegen Russland sowie um Hilfen für Kiew gehen.

In Genf kommt der Menschenrechtsrat der UN zu einer Sondersitzung zur Ukraine zusammen. (dpa/red)



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