Krieg in der Ukraine geht weiter – UN meldet weit mehr als 100.000 Flüchtlinge

Zehntausende Menschen fliehen wegen der russischen Invasion in die Ukraine. Das UNHCR schätzt, dass etwa 100.000 die Ukraine verlassen haben. Der Großteil seien aber Binnenflüchtlinge.
Frauen aus der Ukraine warten am Bahnhof von Przemysl in Polen auf ihren Weitertransport.
Frauen aus der Ukraine warten am Bahnhof von Przemysl in Polen auf ihren Weitertransport.Foto: Michael Kappeler/dpa
Epoch Times26. Februar 2022

Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine sind nach Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) bisher weit mehr als 100.000 Menschen in Nachbarländer geflüchtet.

Allein nach Polen seien an den ersten beiden Tagen der Invasion etwa 75.000 Menschen geflüchtet, sagte der deutsche UNHCR-Sprecher Chris Melzer der Deutschen Presse-Agentur. Russland hatte die Ukraine am Donnerstagmorgen angegriffen.

An der polnisch-ukrainischen Grenze beim Örtchen Dorohusk hätten einige Menschen erzählt, dass sie seit einem Tag in der Schlange stünden. Sie seien zwar ängstlich und verzweifelt, aber auch optimistisch, da sie die Grenze erreicht haben, sagte Melzer. Viele hätten angekündigt, sie wollten wieder zurück in ihre Heimat, sobald die Situation dies zulasse.

Melzer betonte zugleich: „Wir gehen davon aus, dass die größte Fluchtbewegung im Land stattfindet.“ Schätzungen zufolge waren bereits vor Beginn der russischen Invasion etwa 860.000 Binnenflüchtlinge im Land unterwegs, vor allem aus den ostukrainischen Separatistengebieten sowie der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Die Zahl sei nun natürlich gestiegen, sagte Melzer. Seriöse Schätzungen zur Zahl der Binnenflüchtlingen seit Kriegsbeginn seien aber bisher nicht möglich.

Polen: Grenzpunkte für Fußgänger geöffnet

Die polnische Regierung spricht von 100.000 Flüchtlinge aus der Ukraine, die seit dem Beginn der russischen Invasion allein in Polen angekommen seien.

Wegen der langen Staus auf der ukrainischen Seite der Grenze habe man sich entschieden, an allen Grenzpunkten auch einen Übergang für Fußgänger zu öffen, sagte Polens Vize-Innenminister Pawel Szefernaker am Samstag am Grenzübergang Medyka-Schehyni.

Nach seinen Angaben handelt es sich hauptsächlich um Frauen mit Kindern sowie Männer im nichtwehrfähigen Alter. Auf der ukrainischen Seite der Grenze hätten sich lange Staus gebildet. Die Abfertigung der Flüchtlinge dort werde auch dadurch langsamer, weil es durch die Kriegssituation zu Ausfällen im Computersystem des ukrainischen Grenzschutzes komme, hatte Szefernaker zuvor dem öffentlich-rechtlichen Sender TVP gesagt. Polen sei in der Lage, täglich bis zu 50.000 Flüchtlinge aus der Ukraine an der Grenze abzufertigen.

Flüchtlinge am Grenzübergang Medyka-Schehyni berichteten laut einer Reporterin der Deutschen Presse-Agentur von stundenlangen Wartezeiten auf der ukrainischen Seite auch für Menschen, die die Grenze zu Fuß überqueren wollen.

Slowakei ruft Ausnahmesituation aus

Die Regierung der Slowakei hat die sogenannte Ausnahmesituation ausgerufen, um den Zustrom von Flüchtlingen aus dem Nachbarland Ukraine besser bewältigen zu können. Diese Notmaßnahme erlaubt es der Regierung, rasch besondere Zivilschutzmaßnahmen zu ergreifen, ohne vorher das Parlament damit befassen zu müssen. Beispielsweise dürfen Mitarbeiter staatlicher Institutionen so auch außerhalb ihrer planmäßigen Dienstzeiten zu Einsätzen verpflichtet werden.

Im Unterschied zu einem „Ausnahmezustand“ werden dabei aber die Grundrechte der Bürger nicht eingeschränkt. Im Grunde ändere sich durch die Maßnahme nicht viel, weil schon bisher eine „Ausnahmesituation“ in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in Kraft gewesen sei, erklärte der konservative Regierungschef Eduard Heger.

Die slowakische Regierung gab zudem bekannt, dass sie Treibstoff und Munition in die Ukraine liefern werde. Heger bestätigte nach der Sondersitzung der Regierung auch, dass in Kürze Soldaten und militärisches Material der Nato in die Slowakei gebracht würden.

Am Freitagabend hatte in der Slowakei die Ankündigung der deutschen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht für Verwirrung gesorgt, dass Deutschland eine Kompanie Soldaten in das EU- und Nato-Land entsenden werde. Das Verteidigungsministerium in Bratislava wollte diese Information zunächst nicht bestätigen. Nach jüngsten Umfragen, die kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine veröffentlicht wurden, lehnt eine deutliche Mehrheit der slowakischen Bevölkerung ausländische Soldaten im Land grundsätzlich ab.

Krieg in der Ukraine geht weiter

Indes ist der Krieg weiter in vollem Gange. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko verschärfte am Samstag die Ausgangssperre in der ukrainischen Hauptstadt. „Zur effektiveren Verteidigung der Hauptstadt und der Sicherheit ihrer Einwohner gilt die Ausgangssperre ab heute, dem 26. Februar 2022, von 17:00 bis 08:00 Uhr“, schrieb er auf Telegram.

„Eine solche Ausgangssperre wird bis zum Morgen des 28. Februar eingeführt“, so der Bürgermeister. Die Stadt Kiew warnte zudem: „Alle Zivilisten, die sich während der Ausgangssperre auf der Straße aufhalten, gelten als Mitglieder der Sabotage- und Aufklärungsgruppen des Feindes.“

Klitschko rief dazu auf, Verständnis für die Situation zu haben und nicht auszugehen. Am Samstagmorgen war in Kiew unter anderem ein Hochhaus mit Wohnungen von einer Rakete getroffen worden. Die Ukraine und Russland beschuldigten sich gegenseitig, dafür verantwortlich gewesen zu sein. Angeblich soll es bei dem Anschlag wie durch ein Wunder nur sechs Verletzte gegeben haben.

In Sachen Friedensverhandlungen scheint es unterdessen nicht voranzugehen: Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wird von der russischen Nachrichtenagentur Interfax zitiert, dass die Ukraine Friedensverhandlungen ablehne. „Da sich die ukrainische Seite tatsächlich weigerte, zu verhandeln, wurde der Vormarsch der wichtigsten russischen Streitkräfte heute Nachmittag gemäß dem Plan der Operation wieder aufgenommen“, sagte er demnach.

Peskow sagte auch, dass der Vormarsch der Truppen am Tag zuvor auf Befehl des Obersten Befehlshabers in Erwartung von Verhandlungen ausgesetzt worden sei. Von der Ukraine gab es zu alledem zunächst kein Statement. (dts/dpa/afp/red)



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