Kriminelle Geschwister
Wenn man die Namen Fannie Mae oder Freddie Mac hört, denkt man vielleicht an Romanfiguren aus Kinderbüchern. Welch wichtige Rolle die beiden für viele Amerikaner spielten und spielen, ist hierzulande eher unbekannt. Doch gerade diese beiden harmlos klingende Kindernamen tragenden Unternehmen bergen große wirtschaftliche Sprengkraft in sich. Fannie Mae und Freddie Mac sind aus den Wertpapierabkürzungen abgeleitete populäre Abkürzungen zweier Hypothekenfirmen, die ähnlich wie deutsche Bausparkassen, den amerikanischen Bauinteressenten billiges Geld zur Verfügung stellen sollen und gewissen vom Kongress festgelegten Regularien unterliegen.
In der Vergangenheit trugen die beiden Institutionen dazu bei, dass sich viele Amerikaner ihren Traum vom eigenen Haus erfüllen konnten, denn sie bekamen von Freddie und Fannie billige Kredite. Zusätzlich gab es noch Kreditanreize und Steuervergünstigungen, gegen die sich die bei uns diskutierte Eigenheimzulage eher bescheiden ausnimmt. Doch dann lockerte die Clinton-Regierung die Aufsicht über die beiden Institute, die prinzipiell Privatfirmen sind, wodurch die Kreditvergabe erleichtert wurde. Genauer gesagt, vergaben die Firmen jetzt Kredite, ohne sich allzu viele Gedanken über die Kreditwürdigkeit der Kunden zu machen.
Dann kamen noch zwei Ereignisse hinzu, die den Lauf der Wirtschaft veränderten: Die Anschläge auf das World Trade Center sowie das Platzen der Aktienblase am Neuen Markt um das Jahr 2000.
Als Reaktion hierauf pumpte die US-Notenbank Unmengen von Geld in den Wirtschaftskreislauf, um die Wirtschaft vor dem Abschwung zu bewahren. Einer der führenden Männer der Notenbank, Bernanke, der auch als Nachfolger von Greenspan gehandelt wird, gebrauchte das Bild von den Helikoptern, die Geld über dem Land ausstreuen. Er wollte damit ausdrücken, dass die Federal Reserve Bank alles im Griff hat und jederzeit die Wirtschaft in jede gewünschte Richtung lenken kann.
Immobilienspekulation setzte ein
Was in früheren Zeiten vielleicht funktionierte, ist in einer Zeit, da die industrielle Basis der USA längst ins Ausland ausgelagert wurde, nicht mehr das Allheilmittel. Das Geld, das für den produzierenden Sektor und die Konsumenten gedacht war, ging einfach in den Immobiliensektor. In der Folge verteuerten sich die Immobilien in den meisten Teilen des Landes zum Teil um ein Vielfaches, eine Immobilienspekulation setzte ein, die bis heute anhält und längst pathologische Züge trägt.
In der Folge des Immobilienbooms wiederum gaben Fannie und Freddie leichtfertig immer mehr Kredite heraus, da man keine Gefahr von Seiten der Schuldner sah, oder deutlicher gesagt, sehen wollte.
Doch letzten Juni (2004) kam der erste Sturm über die beiden: Man stellte
fest, dass Freddie Mac sein Einkommen um 4,5 Mrd. USD falsch angegeben hatte, woraufhin die Manager von Freddie Mac den Hut nehmen mussten und der Kongress die Oberaufsicht über die Firma übernahm. Letzten Oktober musste schließlich auch Fannie Mae in geschwisterlicher Eintracht zugeben, dass sie das Eigenkapital der Aktionäre um 1,1 Mrd. USD falsch angegeben hatte.
Schon zur Zeit der Clinton-Administration wurden die beiden quasi zu einer Art kriminell-geschwisterlichen Vereinigung, was allmählich auch für die Anleger sichtbar wurde.
Worin bestand nun die Verfehlung beider Firmen:
Sie kauften zum Teil zweifelhafte Hypothekenanleihen auf, wandelten das dadurch geschaffene Buchvermögen in Anleihen um und verkauften diese wiederum auf dem Markt.
Dieses Vorgehen an sich ist sicher noch nichts Besonderes. Jedoch wurden die damaligen Verantwortlichen vom Goldfieber erfasst; es wurde nicht mehr auf die früheren Standards bei der Kreditvergabe geachtet, jeder Interessent konnte nun Darlehen erhalten. Das dadurch eingenommene Geld wurde wiederum in Form von Hypotheken an Immobilienkäufer oder Bauinteressenten verliehen, egal ob sie ein wirtschaftliches Konzept vorlegen konnten oder nicht. Aus schlechten Krediten wurden so noch schlechtere. In der Folge wurden aus faulen Hypotheken gleichsam offizielle Regierungsanleihen (da der Staat hinter Freddie und Fannie steht und die Rückzahlung der emittierten Anleihen garantiert).
In den letzten Monaten sah sich der Kongress gezwungen, eine Reihe von Reformvorschlägen auszuarbeiten, und es gab etliche Anhörungen über die Probleme der Firmen im Kongress. Der Kongress war jedoch bemüht, die Firmen nur mit Samthandschuhen anzufassen, da man sich der Brisanz und Sprengkraft, die in deren Problemen stecken, bewusst ist.
Aber der Kongress tanzte um den heißen Brei herum, man fand bisher keine Lösung, man vertagte sich, jetzt scheint es so, als würde es momentan überhaupt keine Entscheidung über das weitere Vorgehen bei den Hypothekeninstituten geben. Nur im Schneckentempo nähert man sich einer Lösung der Problematik. Dies ist jedoch gefährlich, da gegenwärtig zwei Entwicklungen bedrohlich wirken. Zum einen ziehen die Zinsen an, dadurch wird Zins und Tilgung für die Schuldner bedrohlich hoch, laut Umfrage ist der dafür aufzubringende Betrag oft schon höher als die Immobilienrendite. Die Höhe des verfügbaren Einkommens, das für die Rückzahlung aufgenommener Immobilienkredite aufgewendet wird, ist gegenwärtig auf nie gesehener Höhe.
Zweitens sind fast alle potentiellen Immobilienkäufer am Markt, in der Zukunft werden dadurch einfach Immobilienkäufer fehlen. Dadurch wird der Druck auf alle Marktteilnehmer erhöht, es kündigt sich ein Preisverfall in der Zukunft an. Diese Entwicklung gab es in den Siebzigern schon einmal in den USA.
Seit einiger Zeit fällt der Kurs der Aktie kontinuierlich, die Insiderverkäufe bei dieser Aktie sind ebenfalls auf hohem Niveau, was nichts Gutes verheißt.
Gerade in dieser Phase will der Kongress die Vergaberichtlinien ändern und die Aufsicht erneut verstärken; es wundert deshalb nicht, dass der Widerstand seitens Fannie und Freddie gegen einschneidende Maßnahmen wächst.
Wer muss am Ende zahlen?
Erschwerend kommt hinzu, dass die schwarzen Schafe selbst mit den bisher ausgearbeiteten Vorschlägen für klarere Standards überhaupt nicht zufrieden sind. Freddie und Fannie sind aber eine politische Kraft an sich, die von den Abgeordneten nicht einfach übergangen werden kann oder will. Bei den letzten Wahlen auf Bundesebene 2002 steuerten Freddie und Fannie nach Aussage des Centers for Responsive Politics über sechs Millionen USD für den Wahlkampf verschiedener Kandidaten bei. Durch intensive Lobbyarbeit gelang es den Firmen, etliche Kongressmitglieder auf ihre Seite zu ziehen, was sich jetzt auszahlt.
Die Bushadministration möchte die für Fannie und Freddie zuständige Aufsichtsbehörde dem Finanzministerium unterstellen, einer Mammutbehörde mit über 160 000 Angestellten. In der dortigen unübersichtlichen Ministerialbürokratie wäre eine Aufsicht über Fannie und Freddie kaum mehr möglich, so die Befürchtungen.
Wie kann es jetzt weitergehen? Fannie Mae ist gemessen an der Höhe der Einlagen die zweitgrößte Gesellschaft in den USA, damit zu groß um sie Bankrott gehen zu lassen. Demnach müsste der Steuerzahler wieder einmal die Zeche zahlen. Ob es allerdings so problemlos abläuft wie die Strategen des Kongresses es sich vorstellten, wird die Zukunft zeigen. Fannie und Freddie mögen außerhalb der USA nicht bekannt sein, doch über das Wohl und Wehe der dortigen und somit auch unserer Wirtschaft entscheiden sie mehr als Mac Donalds oder General Motors, die längst schon zu Global Playern wurden.
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