Kunstraub chinesischer Artefakte in Europa: Wer sind die Auftraggeber?

Kunstraub ist ein lukratives Verbrechen. Doch wer steckt dahinter? Skrupellose Kunstliebhaber oder vielleicht sogar staatliche Akteure?
Eines der beim Kunstraub in Köln entwendeten chinesischen Artefakte.
Die Neun-Drachen-Vase gehört zu den aus dem am 13. September 2023 aus dem Kölner Museum für Ostasiatische Kunst gestohlenen chinesischen Artefakten.Foto: Polizei NRW
Von 23. Oktober 2023

Es ist gut vier Wochen her, dass eine Räuberbande in das Museum für Ostasiatische Kunst im Köln-Lindenthal eingedrungen waren und offenbar gezielt neun chinesische Kunstobjekte erbeutet hatten. Vor einigen Tagen berichtete die „Kölner Rundschau“, dass die Direktorin des Museums, Frau Shao-Lan Hertel, sich für einen offensiven Umgang mit dem Vorfall ausgesprochen habe. Der Einbruch, der „mit großem Aufwand und massiver Gewalteinwirkung vollzogen worden“ sei, müsse laut der Museumsdirektorin als „Weckruf“ verstanden werden. Hertel glaubt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Kunstraub und einer ganzen Reihe von „professionalisierten kriminellen Aktivitäten“ gebe, die sich zuletzt in Europa ereignet hätten.

BKA und Interpol: Den Dieben auf der Spur

Die Räuber kamen in der Nacht zum 13. September. Sie hebelten ein Fenster des Museums auf und räumten die Objekte aus den Vitrinen. „Ein Mitarbeiter des Museums war gegen Mitternacht durch laute Geräusche an der Vorderseite des Museums auf den Einbruch aufmerksam geworden und hatte zwei Männer gesehen“, hieß es in einem Statement des Polizeipräsidiums Köln. Von den Tätern fehlt bislang jede Spur.

Bei acht der neun geraubten chinesischen Kunstgegenstände handelt es sich den Angaben nach um Gründungsbestand des Museums. Ein Kunstsammlerehepaar hatte die Stücke zwischen 1906 und 1911 in China erworben. Das neunte Objekt sei ein Teller aus der Ming-Dynastie (1368–1644), der dem Haus als Schenkung des Förderkreises 2015 zugutekam. Nun sind die wertvollen Stücke Opfer einer Welle von Kunstraub geworden, die Europa seit einigen Jahren heimsucht.

Laut der Museumsdirektorin ist mittlerweile das Bundeskriminalamt in die Ermittlungen involviert – wegen der internationalen Dimension des Falles. Zudem habe auch Interpol die geraubten Kunstobjekte inzwischen auf Fahndungslisten gesetzt.

Experte vermutet Auftragsraub

Der Kölner Kunstsachverständige Christoph Bouillon sprach mit der „Kölner Rundschau“ über seine Sicht auf den Kunstraub. Er bemängelte „grobe Fahrlässigkeit“ beim Kölner Museum für Ostasiatische Kunst. Das Fenster sei nicht mit Spezialglas gesichert gewesen. Dass es sich um eine Zufallstat handle, halte er zudem für „extrem unwahrscheinlich“. Der öffentlich bestellte Auktionator verwies dazu auf zwei vorausgegangene Einbruchsversuche und die notwendige gute Vorbereitung für eine solche Tat. „Um Porzellan oder Glas zu entwenden, braucht man eine ausgeklügelte Logistik“, so der Kunstexperte.

Bouillon, der auch Berater des renommierten Auktionshauses Nagel in Stuttgart ist, schätzt, dass die gestohlenen Stücke „zusammen einen Betrag in Millionenhöhe“ bringen könnten, wenn sie legal verkauft würden. Die Stücke seien sehr attraktiv für Sammler, da sie „nicht so singuläre Einzelstücke wie die Mona Lisa oder Rembrandts Nachtwache“ seien. Daher könnten Sammler die Stücke in ihrer Vitrine haben, ohne dass es besonders auffalle, dass es sich um Diebesgut handle.

Christoph Bouillon ist ein alter Hase im Kunstgeschäft. Seit drei Jahrzehnten ist er schon im internationalen Kunst- und Auktionshandel tätig. Zu dem Kölner Kunstraub drängt sich ihm ein Verdacht auf: „Denkbar ist, dass es Auftraggeber gibt, die sich quasi im Katalog genau diese Stücke ausgewählt haben.“ Auffällig sei auch, „dass es ähnliche Diebstähle von chinesischem Porzellan in jüngerer Zeit aus Museen in den Niederlanden und Frankreich gab“. Dem Experten zufolge seien derzeit besonders Chinesen an chinesischen Kunstobjekten interessiert, weil sie „in der Regel besonders finanzkräftig“ seien, „anders als das zurzeit bei vielen Europäern der Fall ist“.

Turbulenzen in der Museumswelt

Wenn man in solchen Größenordnungen von Chinesen spricht, scheint aufgrund seiner totalen Kontrolle eine Verwicklung des Pekinger Regimes naheliegend. International wird der Ton aus China zudem immer aggressiver, auch gegenüber der Kunstwelt.

Nachdem im Sommer berichtet wurde, dass im Britischen Museum in London ein leitender Mitarbeiter rund 2.000 Kunstobjekte aus einem Lagerraum über eBay verkauft hatte, verfasste Ende August die staatliche chinesische Auslandszeitung „Global Times“ einen aggressiven Leitartikel. Darin forderte das Staatsblatt vom Britischen Museum, „alle chinesischen Kulturgüter, die auf unzulässige Weise erworben wurden, kostenlos an China zurückzugeben“.

Die unter Kontrolle des Sprachrohrs der Kommunistischen Partei Chinas, „People’s Daily“ (Volkstageszeitung), auflegende „Global Times“ erklärte zudem, dass das Vereinigte Königreich auf eine „blutige, hässliche und beschämende Kolonialgeschichte“ zurückblicke. Man behauptete, dass der „überwiegende Teil der riesigen Sammlung des British Museum“ aus anderen Ländern stamme und ein „erheblicher Teil“ davon über „unzulässige Kanäle erworben“ worden sei, „sogar auf schmutzige und sündige Weise“, wetterte die Pekinger Staatszeitung.

„Es ist schwer nachzuvollziehen, wie genau China sie an das Britische Museum verloren hat, aber die meisten chinesischen Sammlungen wurden sicherlich von Großbritannien geplündert oder gestohlen, als es die Krise in China ausnutzte oder China sogar direkt ausraubte.“ Man behauptete weiter, dass, solange Großbritannien nicht nachweisen könne, „welche Sammlung rechtmäßig und ehrlich erworben wurde“, das Mutterland dieser Sammlungen (China) das Recht habe, deren Rückführung zu verlangen. Hierbei könne Großbritannien seine Aufrichtigkeit bei der „Beseitigung des kolonialen Makels und der Wiedergutmachung seiner historischen Sünden“ bestätigen.

„Der große chinesische Kunstraub“

Anfang August dieses Jahres berichtete die französische Tageszeitung „Le Monde“ von einem anstehenden Gerichtsverfahren gegen Mitglieder einer Kunstraubbande. Diese sollen am 21. Dezember 2019 versucht haben, in einer groß angelegten Aktion in das chinesische Museum des Château de Fontainebleau in Paris einzubrechen. Bei den acht Tatverdächtigen handelte es sich um fünf Spanier und drei Chinesen, die offenbar die Aktion leiteten. Dank der Zusammenarbeit der spanischen und französischen Polizei konnte man den Coup vereiteln.

Im August 2018 berichtete das Männermagazin „GQ“ unter dem Titel „The Great Chinese Art Heist (Der große chinesische Kunstraub)“: „Es ist schon seltsam, dass die größten chinesischen Kunstwerke immer wieder dreist aus Museen in aller Welt gestohlen werden.“ Der Autor hatte sich für seinen aufwendigen Beitrag auf den Weg gemacht, ein Gerücht zu untersuchen: „Steht die chinesische Regierung hinter einer der kühnsten Kunstkriminalitätswellen in der Geschichte?“

Chinas „Schatzsucherteams“ unterwegs

„GQ“ berichtete: 2009 hatte Peking den Angaben nach die Entsendung eines „Schatzsucherteams“ an verschiedene Einrichtungen in den USA und Europa angekündigt. „Als ein achtköpfiges Team im New Yorker Metropolitan Museum eintraf, wurde es von einem Archäologen geleitet und bestand größtenteils aus Mitarbeitern chinesischer Staatsmedien und des Pekinger Palastmuseums. Während sich die Gruppe umsah und nach der ausgestellten Kunst fragte, schlüpfte ein Teilnehmer, ein Forscher namens Liu Yang, der für seinen Eifer bei der Katalogisierung der verlorenen Schätze Chinas einige Berühmtheit erlangt hatte, durch die langen Korridore des Museums auf der Suche nach Objekten, die er wiedererkennen könnte. Der Besuch endete ohne Zwischenfälle, aber der Taktikwechsel war offensichtlich: China gab sich nicht länger damit zufrieden, passiv dazusitzen und auf die Rückkehr seiner Kunst zu hoffen. Die Jagd war eröffnet. Bald kam es überall in Europa zu Diebstählen.“

2010, ein Jahr nach der Ankündigung der „Schatzsucherteams“, kam es bereits zu aufsehenerregenden Kunstraubfällen: im Chinesischen Pavillon des Stockholmer Königsschlosses Drottningholm und im norwegischen KODE-Museum in Bergen, wo 56 Objekte aus der China-Sammlung verschwanden. 2012 kam es zu einem großen Kunstraub im Oriental Museum der Durham University in England. Der Fall wurde aufgeklärt, fünf Personen verhaftet und die Beute im Wert von zwei Millionen Pfund gesichert. Im selben Jahr war das Fitzwilliam Museum der Cambridge University dran. 18 chinesische Artefakte wurden gestohlen. 2013 soll wieder das KODE-Museum in Bergen bestohlen worden sein. 22 chinesische Kunstobjekte verschwanden.

2015 kam es dann zum Raub im Chinesischen Museum des Château de Fontainebleau in Paris. Unter anderem berichtete der Blog „Burgerbe.de“ nach afp-Angaben darüber. „Das Museum für chinesische und fernöstliche Kunst ist durch Videokameras und eine Alarmanlage gesichert. Die Täter haben offenbar gezielt 15 zuvor ausgewählte Stücke mitgehen lassen. Die Objekte sind derart bekannt, dass sie auf dem Kunstmarkt unverkäuflich wären. Das deutet auf einen ziemlich gewissenlosen privaten Sammler als Auftraggeber.“

Die neuen reichen Arbeiterführer

„GQ“ verweist auf eine geschichtliche Veränderung bei den chinesischen Führern hin. Früher hätten diese sich kaum um verlorene und geplünderte chinesische Antiquitäten gekümmert. „Kunst war ein Symbol bürgerlicher Dekadenz, eher zur Zerstörung als zur Bewahrung geeignet.“ Doch dann sei eine neue Art der Kader gekommen, Plutokraten, die „in schwindelerregendem Tempo Artefakte“ kaufen. In den Jahren seit dem Raubüberfall in Fontainebleau (2015) seien die Raubüberfälle in ganz Europa fortgesetzt worden. „Oft scheinen sie mit einer Einkaufsliste zu arbeiten und hochwertige Gegenstände zurückzulassen, die nicht auf der Einkaufsliste stehen.“

In diesem Zusammenhang erwähnte der Autor noch einen der mächtigsten chinesischen Staatskonzerne, die mit dem chinesischen Militär verbandelte China Poly Group. Diese hatte den Angaben nach dereinst ein Schattenprogramm gestartet, um „verlorene Kunst ausfindig zu machen“. Sollten die Chinesen bereits in ganz Europa fündig geworden sein? Man weiß es nicht. Alles andere ist natürlich reine Spekulation.



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