Lampedusa findet keine Ruhe: Meloni will Militär einsetzen – Druck auf Ampel nimmt zu

In Lampedusa ist es erneut zu einer Massenankunft von Asylsuchenden gekommen. Die Politik reagiert nervös. Deutschland ist unterdessen nicht das großzügigste Asylland in der EU: Zypern, Österreich und Estland nehmen pro Kopf mehr Flüchtlinge auf.
Gerettete Migranten am Montag auf einem Boot im Hafen der Insel Lampedusa.
Gerettete Migranten am Montag auf einem Boot im Hafen der Insel Lampedusa.Foto: Cecilia Fabiano/LaPresse/AP/dpa
Von 21. September 2023


Nur kurz währte die Erleichterung auf Italiens Mittelmeerinsel Lampedusa, nachdem Rettungskräfte einen großen Teil der in der Vorwoche angekommenen Asylsuchenden weitertransportiert hatten. Schon am Dienstag, 19. September, und am Mittwochmorgen sind auf Dutzenden Booten erneut mehr als 1.000 Migranten angekommen. Bereits in der Vorwoche hatten an einem einzigen Tag mehr als 5.000 Menschen die Insel erreicht.

Obwohl die Boote jeweils vom nahe gelegenen Sfax aus aufgebrochen waren, weist Tunesien Vorwürfe zurück, Zusagen nicht einzuhalten. Allein von Freitag bis Montag habe man mehr als 2.500 Migranten an einem Aufbruch nach Europa gehindert. Im Juni hatte die EU mit der dortigen Regierung eine Vereinbarung zur Bekämpfung illegaler Migration und Schleuserkriminalität unterzeichnet. Im Gegenzug sollte die EU Tunesien knapp eine Milliarde Euro für unterschiedliche Zwecke zur Verfügung stellen.

Nur die Hälfte der Eingereisten stellt Asylantrag in Italien

Auf Lampedusa selbst herrschen weiterhin chaotische Zustände. Im sogenannten Hotspot befinden sich derzeit mehr als 1.700 Menschen, darunter knapp 450 unbegleitete Minderjährige. Die dortige Lagerinfrastruktur ist nur für wenige hundert Personen ausgelegt.

Bereits nach der Massenankunft aus der Vorwoche hatte der dortige Stadtrat den Notstand ausgerufen. Lampedusa und die Nachbarinsel Linosa zählen zusammen lediglich 6.500 Einwohner. In der Vorwoche waren insgesamt 6.800 Asylsuchende auf mehr als hundert teils seeuntüchtigen Booten auf der Insel gelandet.

Insgesamt sind in diesem Jahr schätzungsweise bereits mehr als 130.000 Flüchtlinge auf Booten nach Italien gelangt. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es etwas mehr als 66.000. Dem Innenministerium in Rom zufolge stellt erfahrungsgemäß nur die Hälfte davon einen Asylantrag in Italien.

Meloni will Abschiebegefängnisse in abgelegenen Gebieten errichten

Auch nach dem Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag auf der Insel fühlt Italien sich von Brüssel und anderen EU-Mitgliedstaaten im Stich gelassen. Das Kabinett unter Premierministerin Giorgia Meloni will nun zu „außergewöhnlichen Maßnahmen“ greifen.

Das Höchstmaß der Haftdauer bei Abschiebungen will ihr Kabinett nun auf die nach EU-Recht maximal zulässigen 18 Monate ausdehnen. Auf diese Weise soll es möglich werden, illegal Eingereiste bis zum Ende der Prüfung des jeweiligen Asylantrages festzuhalten.

Das Militär soll zu diesem Zweck „in abgelegenen, möglichst dünn besiedelten Gebieten“ Einrichtungen schaffen, die leicht eingegrenzt und überwacht werden können. Von der Leyen wiederum hatte am Wochenende einen Zehn-Punkte-Plan vorgestellt. Dieser sieht unter anderem mehr Marineeinsätze im Mittelmeer vor. Die Kommissionspräsidentin meinte dazu:

Wir werden entscheiden, wer in die Europäische Union kommt – und unter welchen Umständen. Und nicht die Schleuser.“

Polen: Keine Verteilung – „sonst sieht ganz Europa aus wie Lampedusa“

Frankreich hat unterdessen bereits deutlich gemacht, keine Asylsuchenden aus Lampedusa aufnehmen zu wollen. Innenminister Gérald Darmanin hat zwar erklärt, man werde helfen, „wenn Personen asylberechtigt sind, wenn sie sexuell, politisch oder religiös verfolgt werden“. Darüber hinaus sei Paris jedoch lediglich bereit, Italien bei der Rückführung nicht Asylberechtigter zu unterstützen.

Dies sei ein Großteil der Angekommenen. Frankreich wolle sich für eine Rückführung in Länder einsetzen, mit denen Paris gute diplomatische Beziehungen pflege. Darmanin zufolge stammten 60 Prozent der in Lampedusa gelandeten Geflüchteten aus französischsprachigen Ländern. Zu diesen gehören die Elfenbeinküste, Gambia, der Senegal und Tunesien selbst.

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki hält an der strikten Position des Landes fest, keiner Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Staaten zuzustimmen. Dies würde lediglich einen Pull-Faktor erzeugen. Die Umverteilung von Migranten sei eine „Ermutigung zum Menschenhandel“, so der Premier. Lampedusa sei „eine Warnung“. Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen würden dazu führen, dass „ganz Europa, die gesamte Europäische Union, wie Lampedusa“ aussehe.

Noch keine konkrete Zusage bezüglich der Flüchtlinge aus Lampedusa

Deutschlands Regierung hatte zwar nach einem anfänglichen Rückzug erklärt, Flüchtlinge zum Zwecke der Durchführung eines Asylverfahrens aufzunehmen. Diesen freiwilligen Mechanismus hatten mehrere EU-Staaten eingeführt, weil sich Länder wie Polen geweigert hatten, Asylsuchende aufzunehmen. Nach den Dublin-Regeln müssten die Ankunftsstaaten die Verfahren durchführen.

Im Rahmen der freiwilligen Aufnahme hatte Deutschland bereits 2022 die Aufnahme von 3.500 Migranten zugesagt – bislang seien jedoch erst 1.800 eingetroffen. Bezüglich der jüngst angekommenen Asylsuchenden in Lampedusa gibt es noch keine konkreten Veranlassungen.

Unterdessen steigt der Druck auf die Ampel-Regierung vonseiten der EU-Politik und aus den eigenen Reihen. Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, spricht von einer „Migrationskrise“ und fordert ein Umsteuern der Bundesregierung:

Neben Humanität braucht es endlich strikte Steuerung und Begrenzung.“

Söder erneuert Forderung nach Obergrenze

Auch aus der Koalitionspartei FDP kommt die Forderung nach einer rigideren Asylpolitik. Generalsekretär Bijan Dijr-Sarai äußerte in den Tagesthemen: „Die Migration, die wir derzeit in Deutschland erleben, überfordert die Menschen in unserem Land.“ Die Liberalen fordern insbesondere eine verbindliche Erklärung von Marokko, Tunesien und Algerien zu „sicheren Herkunftsstaaten“. Vor allem die Grünen hatten dies kategorisch abgelehnt.

Diskutiert wurde zudem weiter über die Forderung von Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) nach einer Obergrenze für Asylbewerber – konkret 200.000 pro Jahr „als Richtwert“. Dazu sagte Wiebke Judith von Pro Asyl der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ (Dienstag), Söders Vorschlag sei unrealistisch und menschenrechtswidrig. „Wer eine Obergrenze einführen will, blendet völlig aus, was passiert, wenn die 200.001. Person kommt, um Asyl zu beantragen – zum Beispiel jemand, der aus Syrien geflohen ist und in Deutschland Familie hat. Diese Person hat ein Recht auf Schutz.“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei, weist auf die Probleme der Kommunen bei der Unterbringung der Schutzsuchenden hin. Er betont, dass Deutschland die „Hauptlast in dieser Migrationskrise“ trage. In diesem Jahr seien hier bislang 162.000 Asylanträge gestellt worden. In Italien waren es lediglich etwa 62.000.

Absolut meiste Asylanträge in Deutschland – pro Kopf auf Zypern

Tatsächlich wurden nach Daten der Europäischen Asyl-Agentur im ersten Halbjahr in Deutschland mit Abstand die meisten Asylanträge gestellt: Es waren 30 Prozent aller Anträge – und damit fast doppelt so viel wie in den nächstplatzierten Staaten Spanien (17 Prozent) und Frankreich (16 Prozent). Dahinter rangierte Österreich, dann Italien.

Im Verhältnis zur Bevölkerung wurden von Januar bis Juni die meisten Asylanträge pro tausend Einwohner in folgenden Ländern gestellt: Zypern (4,5), Österreich (2,5), Estland (2), Deutschland (1,9), Luxemburg (1,8).

Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, warnte, in der Bevölkerung könne die Zustimmung zur Aufnahme von Flüchtlingen sinken. „Der Bund muss deshalb das Signal senden, dass die Zuwanderung, so gut es geht, begrenzt wird und in geordneten Bahnen verläuft. Wichtig ist darüber hinaus, dass die Bundesländer nur Menschen auf die Kommunen weiterverteilen, die eine Bleibeperspektive haben“, sagte er dem RND.

Ex-MSI-Chef Fini fordert Amnestie und regelmäßige Einreisequoten

In Italien hat sich unterdessen der frühere Außenminister Gianfranco Fini von einem selbst veranlassten Gesetz distanziert. Im Jahr 2002 hatte er zusammen mit dem damaligen Lega-Chef Umberto Bossi ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die illegale Einreise nach Italien unter Strafe stellt.

Im Gespräch mit „La Repubblica“ sagte der frühere Chef der postfaschistischen „Alleanza Nazionale“ nun, dessen Umsetzung sei nicht mehr realistisch:

Als mein Gesetz verabschiedet wurde, haben nur sehr wenige um Asyl gebeten. Jetzt müssen wir in einem supranationalen Kontext handeln. Mein Gesetz sah regelmäßige Einreisequoten vor: Es führte zu einer Amnestie von Hunderttausenden Migranten. Das ist das Modell, dem wir folgen müssen.“

(Mit Material der dpa)



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