Langjährige EU-Anwärter mit Problemen – Kanzler Scholz auf Balkan-Mission

Schon vor Wochen gab Scholz bekannt, dass er auf den Balkan reisen wird. Damit wollte er die Botschaft setzen: Diese vom Westen vernachlässigte Region Europas gehört in die EU.
Europaflaggen wehen vor dem Sitz der EU-Kommission. (Archivbild)
Europaflaggen wehen vor dem Sitz der EU-Kommission. (Archivbild)Foto: Zhang Cheng/XinHua/dpa
Epoch Times10. Juni 2022


Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bricht am Freitag zu einer Balkan-Reise auf, bei der es vor allem um die EU-Beitrittsperspektive für insgesamt sechs Länder der Region gehen wird. Bei der Ankündigung der Reise hatte er Mitte Mai betont, dass er damit die Botschaft setzen wolle: „Der westliche Balkan gehört in die Europäische Union.“

Zunächst geht es am Freitag in das Kosovo und nach Serbien. Am Freitagabend reist Scholz in die nordgriechische Metropole Thessaloniki zu einem Treffen des Südosteuropäischen Kooperationsprozesses, dem 13 Staaten der Region angehören. Am Samstag geht es weiter nach Nordmazedonien und Bulgarien. Dort wird es vor allem um den Konflikt zwischen den beiden Ländern um einen EU-Beitritt Nordmazedoniens gehen, den Bulgarien seit langem blockiert.

Insgesamt streben sechs Balkan-Länder in die Europäische Union. Das Kosovo ist wie Bosnien-Herzegowina potenzieller EU-Beitrittskandidat. Serbien, Montenegro, Albanien und Nordmazedonien haben den Kandidatenstatus bereits. Für Scholz hat die EU-Erweiterung um die Staaten des westlichen Balkans Priorität vor einem Beitritt der Ukraine. Der Kanzler betont, dass es schon aus Rücksicht auf diese Länder keine Abkürzung für die Ukraine geben könne. Nächste Woche will die EU-Kommission sich dazu positionieren, ob die Ukraine EU-Beitrittskandidat werden soll.

Wo die Länder sich auf dem Weg in die EU befinden und wo es hakt:

EU oder Russland: Wo steht Serbien?

Serbien ist seit März 2012 Beitrittskandidat. In den Beitrittsgesprächen wurden bisher 18 von 35 sogenannten Verhandlungskapitel eröffnet. Die in ihnen festgehaltenen EU-Standards etwa zum Justizwesen oder zu Finanzen müssen vor einem Beitritt umgesetzt werden. Vorläufig abgeschlossen sind bisher erst zwei Kapitel in den Bereichen Wissenschaft und Bildung.

Besonderes Problem im Falle Serbiens ist das Verhältnis zum Kosovo. Belgrad erkennt die Unabhängigkeit der ehemaligen serbischen Provinz bis heute nicht an. Ein eigenes EU-Verhandlungskapitel widmet sich deshalb der Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Seiten. Doch Lösungen sind bis heute nicht in Sicht. Skeptisch sehen viele EU-Länder auch die traditionell engen Beziehungen Serbiens zu Russland, weshalb Belgrad die EU-Sanktionen wegen des Ukraine-Krieges nicht mitträgt.

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic, mit dem sich Scholz am Freitagnachmittag trifft, wollte Anfang der Woche eigentlich auch den russischen Außenminister Sergej Lawrow in Belgrad empfangen. Der Besuch scheiterte nur daran, dass die Nachbarländer seinem Flugzeug die Nutzung ihres Luftraums verwehrten.

Kosovo (1,9 Millionen Einwohner)

Ein Jahrzehnt nach dem Kosovokrieg hatte sich das mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnte Gebiet 2008 von Serbien losgesagt und für unabhängig erklärt. Schon davor strebte das Land Richtung EU – hat aber nicht nur wegen des ungelösten Konflikts mit Serbien bis heute weiter nur den Status eines „potenziellen“ Beitrittskandidaten. Die EU-Kommission verweist auf politische Instabilität und hält die Bemühungen beim Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen noch für deutlich ausbaufähig.

Neben Serbien erkennen auch fünf EU-Regierungen die Unabhängigkeit des Kosovo bisher nicht an, weil sie Abspaltungsbewegungen nicht unterstützen wollen: Griechenland, Rumänien, die Slowakei, Spanien und Zypern. Der Weg Richtung EU ist damit versperrt. Denn die 27 Mitgliedstaaten müssen den Kandidatenstatus einstimmig beschließen.

Nordmazedonien  (2,1 Millionen Einwohner)

Nordmazedonien ist schon seit 2005 offizieller EU-Kandidat. Doch bis heute gibt es keine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Blockiert war dies über viele Jahre durch einen Namensstreit mit Griechenland, als das Land noch Mazedonien hieß. Athen fürchtete wegen einer gleichnamigen Region Gebietsansprüche des nördlichen Nachbarn. Erst 2018 wurde das Problem durch den Zusatz „Nord“ im Staatsnamen gelöst, was Skopje zwei Jahre später den Weg in die Nato ebnete.

Doch beim EU-Beitritt gibt es inzwischen neue Probleme. Nun fordert Bulgarien, dass Nordmazedonien zuerst bulgarische Wurzeln in seiner Sprache, Bevölkerung und Geschichte anerkennt. Sofia stellt insbesondere eine Eigenständigkeit der mazedonischen Sprache in Frage und sieht sie als bulgarischen Dialekt. Kritisiert wird auch die angebliche Diskriminierung gegen eine bulgarische Minderheit in Nordmazedonien.

Bosnien hat noch einen langen Weg in die EU

Montenegro: Das kleine Adria-Land verhandelt seit 2012 über den EU-Beitritt. Alle 33 Kapitel wurden geöffnet, aber nur drei provisorisch geschlossen. 2020 nahm die politische Instabilität zu, was die Verhandlungen bremste.

Albanien: Wie Nordmazedonien erhielt auch Albanien im Juli 2020 von der EU-Kommission grünes Licht für Beitrittsverhandlungen. Da die EU die beiden Balkanländer als „Paket“ behandelt, ist Albanien aber nun Geisel der Blockade Nordmazedoniens durch Bulgarien.

Bosnien-Herzegowina: Das Land, das am schlimmsten unter den jugoslawischen Zerfallskriegen der 1990er-Jahre zu leiden hatte, hat nur den Status eines potenziellen Kandidaten. Serbische und kroatische Nationalisten blockieren elementare Gesetzesreformen, die für einen echten Kandidatenstatus nötig wären. (dpa/red)



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