Logistische Probleme drohen der Bundeswehr in Afghanistan – Analyse von Peter Haisenko

Heute, 17 Jahre nach dem Beginn des Einsatzes in Afghanistan, muss das Bundeswehrkontingent darum bangen, überhaupt noch mit heiler Haut da raus zu kommen. Es zeichnet sich ein massives Logistikproblem ab. Wie das enstanden ist, analysiert Gastautor Peter Haisenko.
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Es heißt, dass die deutsche Luftwaffe nicht über strategische Transportflugzeuge verfüge, die schwere Geschütze, Panzer, Transport- und Kampfhubschrauber an Bord nehmen könnten.(Symbolbild)Foto: iSTOCK
Von 27. April 2018

Damals, im November 2001, gab es noch einen Rest an Glauben an die Gültigkeit des Grundgesetzes, obwohl es bereits von Schröder/Fischer mit der Teilnahme am Jugoslawienkrieg gebrochen worden war. So sonderte der damalige Verteidigungsminister Struck seinen Schwachsinn ab – „Deutschland wird am Hindukusch verteidigt“ –, um dem grundgesetzwidrigen Einsatz in Afghanistan eine Scheinlegitimierung zu verpassen, der das Verfassungsgericht in rabulistischer Weise folgte.

Heute, nach 17 Jahren, muss das Bundeswehrkontingent darum bangen, überhaupt noch mit heiler Haut da raus zu kommen. Es zeichnet sich ein massives Logistikproblem ab.

Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, auf das sich Herr Struck berief, war Art. 24 Abs. 1 des Grundgesetzes: Danach kann Deutschland durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen (= UN-Mandat). Hierzu hilft die Lektüre u.a. zu Art. 87a und Art. 35 des Grundgesetzes (Bundeswehr = Inlandseinsatz)

Von Beginn der Operation an war die Bundeswehr auf Fremdleistungen angewiesen, was den Transport von schwerem Gerät nach Afghanistan und zurück betraf. Ohne die Hilfe der Großraumtransporter AN 124 des russisch-ukrainischen Lauftransportunternehmens „Wolga-Dnjepr“ wäre der gesamte Einsatz in Afghanistan nicht möglich gewesen.

Das hat sich nicht wirklich geändert und wenn diese Hilfe ausbleiben sollte, wird auch ein geordneter Rückzug kaum funktionieren können. Dieses Problem steht seit ein paar Tagen im Raum und es könnte Weiterungen geben, die wirklich fatal wären.

Die deutsche Luftwaffe verfügt nicht über strategische Transportflugzeuge

Afghanistan ist eingerahmt vom Iran im Westen, Pakistan im Osten und Süden, während an der Nordgrenze Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan die direkten Nachbarn sind. Einen direkten Zugang zum Meer gibt es nicht und hierin liegt das Problem. Um schweres Gerät nach Afghanistan zu transportieren, ist man auf den Luftweg angewiesen oder das Wohlwollen von Nachbarstaaten.

Das Verhältnis USA-Pakistan ist mehr und mehr zerrüttet, das Verhältnis NATO-Russland nicht minder. Über den Iran braucht man hier gar nicht zu reden. Besonders die Logistik der Bundeswehr ist also darauf angewiesen, ihre Versorgungsflüge über Turkmenistan durchführen zu können. Das aber ist abhängig davon, dass der weitere Weg über Russland durchführbar bleibt. Das könnte sich ändern.

Laut FAZ sehen sich die Bundeswehr und die Streitkräfte anderer NATO-Staaten vom nächsten Jahr an mit einer möglichen Einschränkung ihrer Einsatzfähigkeit konfrontiert. Denn:

Die russische Chartergesellschaft, die mehr als zehn Jahre lang einen Großteil von schwerer Kampftechnik in Einsatzgebiete wie Afghanistan oder Mali transportiert hatte, steht ab Januar nur noch eingeschränkt zur Verfügung.

Das Blatt verweist darauf, dass die deutsche Luftwaffe nicht über strategische Transportflugzeuge verfüge, die schwere Geschütze, Panzer, Transport- und Kampfhubschrauber an Bord nehmen könnten. Auch das neue Transportflugzeug A400M sei für einige dieser „Transportstücke in Übergröße“ nicht geeignet.

Wegen Verzögerungen in der Produktion des A-400M war vor mehr als zehn Jahren ein Vertrag mit dem damaligen russisch-ukrainischen Gemeinschaftsunternehmen „Ruslan“ geschlossen worden.

Am Flughafen Leipzig/Halle standen fortan immer zwei Antonow-Jumbos abrufbereit zur Verfügung, weitere Flugzeuge konnten in bestimmten Stundenfristen zusätzlich gebucht werden.

Nach der Verschlechterung der Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine wurden mit den bisherigen Joint-Venture-Partnern – dem ukrainischen Flugzeughersteller und dem russischen Transportunternehmen Wolga-Dnjepr – neue Verträge geschlossen. Demnach stellte die russische Seite zwölf und die ukrainische Seite nur sieben Flugzeuge zur Verfügung.

„Sollte die Vertragsverlängerung mit Wolga-Dnjepr tatsächlich ausbleiben, müsste die NATO, und mithin die Bundeswehr, im nächsten Jahr andere Transportmittel für ihre schwersten Lasten finden“, so die Zeitung.

Hoffen auf die Gnade der Taliban?

Zunächst sollte der Moskauer Führung höchster Respekt gezollt werden. Trotz der massiven Verunglimpfungen, Anschuldigungen und Sanktionen hält sich Russland an die Verträge, die mit der NATO und der Bundeswehr geschlossen worden sind. Der Vertrag über Logistikleistungen ist nicht mit sofortiger Wirkung gekündigt worden, sondern wird bis Vertragsende erfüllt und das reicht halt nur bis Ende dieses Jahres 2018.

Russland hat nun angekündigt, dass es einer Verlängerung nicht zustimmen wird.

Das gilt nicht nur für Afghanistan, sondern auch für alle anderen Länder. So benötigt zum Beispiel Frankreich die russische AN 124 für den Transport seiner Hubschrauber in afrikanische Einsatzgebiete, ebenso wie die Bundeswehr. Zur Zeit kann niemand sagen, wie der Verlust dieses einzigartigen Transportmittels kompensiert werden kann. Es ist unschwer zu erkennen: Die Bundeswehr hat ein Problem, das sie nicht eigenständig lösen kann, nicht nur in Afghanistan.

Faizabad, Afghanistan, Oktober 2002.  Foto: Aiguel Villagran/Getty Images)

Aber das ist noch lange nicht alles. Wenn der Westen, die NATO, weiterhin auf Russland einprügelt, sind weitere Gegenmaßnahmen wahrscheinlich.

Russland könnte als nächste Reaktion seinen Luftraum für militärische Transporte sperren. Dann wird es richtig schwierig.

Es kann ausgeschlossen werden, dass die Flugrouten über den Iran verlegt werden könnten. Alle Versorgungsflüge von und nach Afghanistan müssen dann erst einmal Richtung Süden laufen, über Pakistan, den indischen Ozean, um dann den weiten Weg über Arabien antreten zu können.

Das würde die Wegstrecke nahezu verdoppeln, nämlich auf über zehn bis elf Stunden und da ist dann das nächste Problem: Ohne Zwischenlandung zum Auftanken geht es nicht. Das aber ist heikel, denn nicht jedes Land auf diesem Weg wird das zulassen. Richtig schwierig, ja geradezu unlösbar wird es, wenn die USA Pakistan weiter verärgern und Islamabad auch den pakistanischen Luftraum für Militärtransporte sperrt.

Dann sitzen unsere Soldaten in Afghanistan in der Falle. Eine Armee ohne Nachschub und Rückzugsmöglichkeiten kann sich nur ergeben und dann auf die Gnade der Taliban hoffen.

Ein Konflikt mit Russland war nicht einkalkuliert

Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan war von Anfang an auf den guten Willen und die Hilfe Russlands angewiesen. Weder der grundgesetzkonforme Auftrag, noch die Ausbildung oder das geeignete Gerät waren vorhanden. Abgesehen davon, dass Russland in aller Ruhe das westliche Gerät an Bord der AN 124-Transporter inspizieren konnte, hat man so auch elementare Logistikverfahren preisgegeben.

Ein Konflikt mit Russland war nicht einkalkuliert. So muss man sich schon fragen, inwieweit die aggressive Haltung Merkels, UvdL´s und insbesondere des Außenministers Maas gegenüber Russland nicht nur fahrlässig gegenüber den Soldaten in Afghanistan ist, sondern deren Leben vorsätzlich in Gefahr bringt. Es kann nicht sein, dass zumindest die Verteidigungsministerin nicht von ihren Generälen auf diese prekäre Entwicklung hingewiesen worden ist. Man sollte sich merken, wer im Bundestag für eine Verlängerung und Aufstockung des Afghanistaneinsatzes gestimmt hat.

War der Einsatz in Afghanistan also umsonst? Finanziell betrachtet u.a. für deutsche und europäische Firmen/Consultants sicher nicht. Er hat den deutschen Steuerzahler richtig viel Geld gekostet. Was aber den „Erfolg“ anbelangt, war er restlos umsonst.

Auch nach 17 Jahren ist keinerlei Verbesserung der Situation vor Ort zu erkennen. Inzwischen herrschen die Taliban wieder über 32 der 34 Provinzen. Allerdings sollte dabei auch nicht übersehen werden, dass es durchaus Phasen gab, vor etwa zehn Jahren, während derer Positives geleistet worden ist. Dass das alles anschließend wieder den Bach runter gegangen ist, ist der planlosen und grundfalschen Gesamtpolitik zuzurechnen.

Als positives Beispiel nenne ich neben vielen NGOs den Einsatz von CIMIC (zivile militärische Zusammenarbeit – civil-military co-operation). Hier wurden (deutsche) aktive und Reserveoffiziere unter anderem für den Aufbau eines demokratisch-rechtsstaatlichen Rechtssystems eingesetzt.

Weshalb wurden erfolgversprechende Projekte nicht weitergeführt?

Wie wir aus erster Quelle wissen, beispielsweise von dem Reserveoffizier Dr. Sproß, der jahrelang vor Ort gearbeitet hat, ging diese Arbeit gut voran. Das lag an der persönlichen Wertschätzung für die deutschen Offiziere und an der Wertschätzung der Afghanen für Deutschland im Allgemeinen. Es ist schwer einzuschätzen, warum humanitäre und erfolgversprechende Projekte nicht konsequent weitergeführt wurden. Sicherlich trugen persönliche Eitelkeiten dazu bei, aber man sollte sich schon fragen, ob es nicht eher an mangelndem politischem Willen gelegen hat.

Auf den Straßen in Faizabad im Oktober 2002. Foto: Miguel Villagran/Getty Images

Der sogenannte ressortübergreifende Ansatz der Bundesregierung (Auswärtige Amt, Bundesinnenministerium, Bundesverteidigungsministerium, Bundesentwicklungsministerium, Bundeslandwirtschaftsministerium) wurde in Afghanistan nie konsequent umgesetzt und gelebt. So lag es wohl daran, dass es von Anfang an kein zielführendes Konzept gab, oder gar daran, dass es niemals die Absicht war, in Afghanistan stabile Verhältnisse außerhalb der US-Doktrin wiederherzustellen.

Das würde nämlich der Billigausbeutung der reichen Bodenschätze im afghanischen Boden entgegenstehen. Gewinner waren hier dann die sogenannten War-Lords – u.a. Dostum = Türkei und andere = China.

Schon vor Jahren wurde auch von Militärfachleuten die Forderung erhoben, den Afghanistaneinsatz sofort zu beenden. Diese Forderung erhält jetzt aktuelle Brisanz, eben weil die Logistik durch die irrationale Haltung gegenüber Russland nach Jahresende nicht mehr funktionieren kann. Auch in dieser Hinsicht sollte über den Zustand der deutschen Regierung nachgedacht werden. Wie kann man zeitgleich auf die Hilfe Russlands bauen und auf der anderen Seite gnaden- und grundlos auf Russland einprügeln?

Trotz Sanktionen hält Moskau seine Verträge ein

Das größte Land der Erde hat sich China zugewandt und ist so weniger vom „Westen“ abhängig, als umgekehrt. Auf die wirtschaftlichen Verluste gerade der deutschen Industrie will ich hierzu gar nicht eingehen. Man bedenke aber, wie sehr der Westen auf russische Bodenschätze und auch Hochtechnologie angewiesen ist.

So starten amerikanische Raketen mit russischen Triebwerken und nur Russland kann Astronauten zur ISS und zurück bringen. Wie gesagt, man muss Russland höchsten Respekt zollen, dass Moskau angesichts der Aggression, Sanktionen und Diffamierungen der westlichen Regierungen immer noch alle Verträge punktgenau einhält.

Das Verhalten des Westens hingegen kann nur als jämmerlich bezeichnet werden. Beispiel Iran und die Sanktionen. Da ist ein Vertrag über die Beendigung des nicht-existenten iranischen Atomwaffenprogramms abgeschlossen worden, aber die Sanktionen wurden nicht, wie zugesagt, im vollen Umfang aufgehoben.

Auch hier muss dem Iran höchster Respekt gezollt werden, dass sich Teheran angesichts dessen immer noch an diesen Vertrag hält. Andererseits ist das kein Wunder, denn der Iran hat immer beteuert, dass er den Besitz von Atomwaffen gar nicht anstrebt.

Maas und Co. beteuern immer wieder, dass Frieden hier und dort nur mit, nicht gegen Russland möglich ist. Ihre Handlungsweise aber zielt genau auf das Gegenteil.

Mit der Ankündigung Russlands, die logistische Hilfe für den Afghanistaneinsatz einzustellen, bekommen sie jetzt die Rechnung präsentiert – unter Einhaltung aller Verträge! Ich denke, besser kann man die Verlogenheit und Dummheit der westlichen und deutschen Politik nicht bloßstellen.

Zuerst veröffentlicht bei Anderweltonline.com

Was zwischendurch in Afghanistan von Deutschen Soldaten Positives geleistet worden ist, beschreibt Dr. Sproß in seinem Buch „Verteidigung am Hindukusch“. Es ist eine aufeinander aufbauende Abfolge von kleinen, teils skurrilen und humorvollen Geschichten aus dem Alltag eines Offiziers in Afghanistan, der nach bestem Wissen und Gewissen versucht hat, dem Einsatz vor Ort zu dem Sinn zu verhelfen, den er hätte haben sollen. In diesem lesenswerten und reich illustrierten Buch finden sich unter anderen Kapitel wie „Kehrwoche“, „Deutsche Ordnung“ oder „Dosenpfand“ und eine kleine Geschichte darüber, welche Probleme ein deutscher(!) Soldat erleben muss, wenn er einer einzigen Patrone verlustig geht. Mit einem Kapitel über den Einsatz für die GIZ/Bundesministerium für Entwicklung u.a. mit einem „Mohrrübenconsultant“ endet der Bericht. Einfach nur lesenswert! „Verteidigung Am Hindukusch“ ist erhältlich im Buchhandel oder direkt zu bestellen beim Verlag hier.

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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