Manchmal reicht ein „Like“: Mittlerweile sitzen mindestens 62 Deutsche in türkischen Gefängnissen

Manchmal reicht ein "Like" unter einem Türkei-kritischem Artikel aus, um als Deutscher in der Türkei festgenommen zu werden. Auch "nichtöffentliche Kommentare in sozialen Medien" könnten dazu führen, warnt das das Auswärtiges Amt. Es schreibt: „Es ist weiterhin von einem erhöhten Festnahmerisiko auszugehen“.
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Türkische Soldaten stehen vor dem Gefängniskomplex, in dem Deniz Yücel mehr als ein Jahr in der Türkei inhaftiert war.Foto: Emrah Gurel/AP/dpa
Epoch Times23. August 2019

Die Zahl der in der Türkei inhaftierten Deutschen ist in den vergangenen sechs Monaten von 47 auf 62 gestiegen. Weitere 38 Bundesbürger sitzen wegen einer Ausreisesperre in der Türkei fest.

Wie viele davon aus politischen Gründen – etwa wegen Terrorwürfen – in türkischen Gefängnissen sind oder nicht ausreisen dürfen, ist allerdings unklar. Das Auswärtige Amt (AA) führt dazu seit dem vergangenen Jahr keine Statistik mehr.

Die neuen Zahlen gehen aus Antworten des Staatssekretärs Andreas Michaelis aus dem AA auf Fragen der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen und Gökay Akbulut hervor. Die Zahl der deutschen Staatsbürger, denen die Einreise in die Türkei verweigert worden ist, ist danach rückläufig. 2017 waren es noch 95, im vergangenen Jahr 80, in diesem Jahr dagegen bisher nur neun.

Das Auswärtige Amt weist allerdings darauf hin, dass die Statistik möglicherweise lückenhaft ist. „Nicht alle Fälle von Einreiseverweigerungen deutscher Staatsbürger in die Türkei werden der Bundesregierung zwingend zur Kenntnis gebracht“, schreibt Michaelis.

Auswärtiges Amt: „Es ist weiterhin von einem erhöhten Festnahmerisiko auszugehen“

Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 hatten Einreiseverweigerungen und Festnahmen deutscher Staatsbürger deutlich zugenommen, was die Beziehungen beider Länder massiv belastete. Die Freilassung des prominentesten deutschen Häftlings in der Türkei, des Journalisten Deniz Yücel, hat vor eineinhalb Jahren allerdings eine Phase der Entspannung eingeleitet.

In den Reisehinweisen des Auswärtigen Amts wird trotzdem weiterhin mit deutlichen Worten vor Festnahmen und Zurückweisungen an der Grenze gewarnt. „Es ist weiterhin von einem erhöhten Festnahmerisiko auszugehen“, heißt es dort. Es reichten manchmal regierungskritische Stellungnahmen in den sozialen Medien oder auch nur das „Liken“ eines fremden Beitrags entsprechenden Inhalts für eine Inhaftierung aus.

„Es muss davon ausgegangen werden, dass auch nichtöffentliche Kommentare in sozialen Medien etwa durch anonyme Denunziation an die türkischen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden.“ Im Falle einer Verurteilung wegen „Präsidentenbeleidigung“ oder „Propaganda für eine terroristische Organisation“ riskierten Betroffene eine mehrjährige Haftstrafe.

„Schmusekurs“ der Bundesregierung sei „einer Demokratie unwürdig“

Im Februar hatte das Auswärtige Amt mitgeteilt, dass 47 Deutsche in türkischen Gefängnissen sitzen. Diese Zahl ist nun um fast ein Drittel gestiegen. Während der tiefen Krise in den deutsch-türkischen Beziehungen hatte das AA die politischen Fälle noch separat ausgewiesen. Zuletzt wurden 2018 noch vier gezählt. Jetzt macht das Ministerium die Unterscheidung nicht mehr.

Die Begründung lautete im Februar: „Nicht in allen Fällen ist eine abschließende Beurteilung der Verfahren möglich, weshalb eine binäre Einordnung in ‚politischer Fall‘ und ’nicht-politischer Fall‘ nicht immer eindeutig möglich ist.“

Die Linke fordert nun wieder eine härtere Gangart gegenüber der Türkei. Die Bundesregierung müsse „endlich klare Kante zeigen“, sagte die Bundestagsabgeordnete Akbulut. „Die Türkei ist geübt, gezielt Personen als sogenannte politische Geisel festzunehmen.“

Die stellvertretende Fraktionschefin Sevim Dagdelen sagte, der „Schmusekurs“ der Bundesregierung gegenüber dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sei „einer Demokratie unwürdig“ und müsse beendet werden. „Während Erdogan weiterhin auf Konfrontation setzt, legt Deutschlands Chefdiplomat (Heiko) Maas die Hände in den Schoß.“ (dpa)



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