Medwedew bei Xi: Peking bringt sich als Ukraine-Vermittler ins Gespräch

Kampf auch auf dem diplomatischen Feld: Während der ukrainische Staatschef Selenskyj nach Westen reiste und Unterstützung in den USA suchte, schickte Putin seinen Vertrauten Medwedew nach Osten, der sich in Peking mit Chinas KP-Chef traf.
Enger Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin: Dmitri Medwedew.
Enger Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin: Dmitri Medwedew.Foto: Yekaterina Shtukina/Sputnik/AP/dpa
Von 23. Dezember 2022

Während der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch (21.12.) in den USA um weitere Unterstützung warb, hat auch der Kreml diplomatische Schritte gesetzt. Am Montag traf Russlands Präsident Wladimir Putin seinen belarussischen Verbündeten Alexander Lukaschenko.

Zwei Tage später traf sein enger Vertrauter Dmitri Medwedew in Peking mit Chinas KP-Machthaber Xi Jinping zusammen. Ein Thema war dabei erwartungsgemäß der Krieg in der Ukraine.

Hardliner und Parteichef Medwedew trifft auf KP-Chef

Darüber hinaus ging es, wie die staatstreue „South China Morning Post“ (SCMP) schreibt, um eine Intensivierung der Zusammenarbeit in den Bereichen Handel, Energie und Landwirtschaft. Generell bekannten sich beide Politiker dazu, dass Russland und Chinas KP-Regime gegen Druck von außen zusammenwirken sollen.

Medwedew, der bereits von 2008 bis 2012 Präsident der Russischen Föderation war, gilt perspektivisch als möglicher Nachfolger Putins. Derzeit ist er stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates. Er gilt als Hardliner. In Peking traf er KP-Chef Xi in seiner Funktion als Vorsitzendem der Regierungspartei „Einiges Russland“. Dabei überbrachte er auch Grüße des Staatsoberhaupts.

Auf Telegram schrieb Medwedew im Anschluss an das Treffen im Diaoyutai-Staatsgästehaus in Peking von „äußerst nützlichen Gesprächen“. Xi wiederum erklärte, sich eine Rolle seines KP-Regimes als möglicher Vermittler eines Friedens in der Ukraine vorstellen zu können.

Xi mahnt „politische Lösung“ an

Xi äußerte der staatlichen Nachrichtenagentur „Xinhua“ zufolge die Hoffnung auf „Zurückhaltung“ aufseiten aller Konfliktparteien in der Ukraine. Sicherheitsbedenken sollten, so äußerte der Machthaber gegenüber Medwedew, „politisch gelöst“ werden.

Das Treffen zwischen Medwedew und Xi war zuvor nicht angekündigt worden. Parallel dazu begannen die seit 2012 jährlich abgehaltenen gemeinsamen Marineübungen im Ostchinesischen Meer. Diese dauern über mehrere Wochen an.

Der Zeitpunkt und die Umstände des Treffens heizen unterdessen Spekulationen über mögliche Vereinbarungen hinter den Kulissen an. Die „New York Times“ schreibt von einem „Zeichen der Verbundenheit beider Länder angesichts einer vertieften internationalen Isolation Russlands“. Für den Kreml sei das Treffen ein „nützliches Kontraprogramm“ zum Selenskyj-Besuch in Washington.

Das chinesische KP-Regime sei ein „bedeutendes, wenn auch weitgehend leises Gegengewicht zu Putins internationaler Ausgrenzung“. Zwar verzichte Peking darauf, Waffen zu liefern oder aktiv beim Bruch westlicher Sanktionen zu helfen. Allerdings kaufe China bereitwillig Öl, das der Westen unter dem Eindruck der russischen Militäroperation in der Ukraine boykottiert.

Bilaterale Beziehungen historisch häufig belastet

Xi erklärte Medwedew gegenüber, die Beziehungen zwischen beiden Ländern hätten „internationale Veränderungen überdauert“. Dem chinesischen Staatssender CCTV zufolge sprach der Machthaber von einer „langfristigen strategischen Entscheidung“ beider Länder. Mit Russlands Präsident Putin war Xi zuletzt im September zusammengetroffen.

Bei einer Diskussion in Moskau im Oktober lobte Putin den Stand der Beziehungen zu Chinas Ein-Parteien-Staat. Diese hätten „in den letzten Jahrzehnten ein noch nie da gewesenes Maß an Offenheit, gegenseitigem Vertrauen und Effektivität erreicht“.

Historisch war das Verhältnis zwischen Russland beziehungsweise der früheren Sowjetunion und China häufig angespannt. Vor allem entlang der gemeinsamen Grenze gab es häufig Territorialkonflikte. Unter der Diktatur Mao erfolgte nach außen hin zudem ein Bruch zwischen den Kommunistischen Parteien Chinas und der Sowjetunion.

Heute hingegen ist die Ablehnung einer westlichen Hegemonie ein verbindendes Element zwischen beiden Ländern. Der westliche Umgang mit Russland, speziell seit Beginn der 2010er-Jahre, hat die Hinwendung Moskau zu China beschleunigt und intensiviert.

Anzeichen für neue Ukraine-Front?

Die Analysten Jonathan Sweet und Mark Toth glauben nicht, dass die jüngsten diplomatischen Schritte Russlands einen rein protokollarischen Charakter hatten. Der Medwedew-Besuch sei nach ihrer Auffassung ebenso wenig ein rein symbolisches Gegenprogramm zu Selenskyj in Washington wie Putin in Belarus.

Im „Washington Examiner“ spekulieren sie über eine mögliche zweite Front, die Russland von Belarus aus in der Ukraine eröffnen könnte. Anlass ist eine „Änderung des russisch-weißrussischen zwischenstaatlichen Abkommens über die gemeinsame Gewährleistung der regionalen Sicherheit im militärischen Bereich“.

Dieses hatten Russland und Belarus jüngst im Vorfeld des Putin-Besuchs verabredet. Zudem seien dem Treffen die Bildung einer gemeinsamen militärischen Gruppe und eine kurze umfassende Bereitschaftsüberprüfung am 13. Dezember vorausgegangen.

Zudem habe Kreml-Sprecher Dmitri Peskow die Behauptung zurückgewiesen, Russland beabsichtige, die weißrussische Front gegen die Ukraine wieder zu eröffnen. Peskow habe jedoch schon zu Beginn des Jahres die Warnungen der USA vor einer Invasion in der Ukraine zurückgewiesen.

Könnte Chinas KP einen Angriff auf Taiwan planen?

Gleichzeitig steigt die Sorge, nicht Russland, sondern das KP-Regime könne eine „Überraschung“ planen. Das „Handelsblatt“ berichtet aktuell etwa von einer erneuten Provokation gegenüber Taiwan.

Andererseits sprechen die Entwicklungen in der Ukraine und die Folgewirkungen der westlichen Sanktionspolitik nicht zwingend für einen zeitnahen Angriff des KP-Regimes auf Taiwan. China profitiert derzeit zu sehr auf allen Ebenen vom Bruch Europas mit Russland, um mit einer solchen Offensive Sanktionen zu riskieren.

Zwar wäre es vor einem Jahr strategisch auch für Russland günstiger erschienen, es – ähnlich wie bei der türkischen Landung auf Zypern 1974 – bei einem Einmarsch in den Donbass zu belassen. Dies hätte weitere Sanktionen vonseiten des Westens nach sich gezogen. Eine so geschlossene Reaktion wie nach der Invasion auch zuvor nicht umkämpfter Teile der Ukraine wäre jedoch unwahrscheinlich gewesen.

Anders als Russland, das einen Angriff der ukrainischen Armee auf den Donbass fürchten musste, steht Chinas KP-Regime in Taiwan jedoch einem Status quo gegenüber. Gleichzeitig zieht Peking auf allen Ebenen Vorteile aus dem Ukraine-Krieg.

Chinas Regime auch in der Ukraine stark verankert

Der weitgehende Abbruch der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Westen und Moskau macht nicht nur Russland immer mehr von China als Ersatz-Handelspartner abhängig. Gleiches gilt für den Westen. Russland fällt als Energiepartner aus, während Europa diese Situation zur Beschleunigung der „Energiewende“ nutzen will. Was die Ersatzteile für Solaranlagen oder Windparks anbelangt und Seltene Erden, die Europa fehlen, ist China mit großem Abstand weltweiter Marktführer.

Für die zurückhaltende Position des KP-Regimes mit Blick auf den Ukraine-Konflikt gibt es ebenfalls einen Grund. Peking hat speziell seit Ende der 2000er-Jahre auch in Kiew einen bedeutenden Fuß in der Tür.

Zwar haben sich die politischen Beziehungen zu Kiew seit dem „Euromaidan“ eingetrübt, den China wie Russland als vom Westen unterstützten Staatsstreich betrachtet. Wirtschaftlich hat China jedoch 2019 sowohl die EU als auch die USA als wichtigsten Handelspartner der Ukraine hinter sich gelassen.

Das bilaterale Handelsvolumen betrug im Jahr 2020 nicht weniger als 15,4 Milliarden US-Dollar. Der Gesamthandelsumsatz stieg von zwei Prozent des ukrainischen BIP im Jahr 2001 auf elf Prozent im Jahr 2020. Von 2016 bis 2021 stiegen Chinas Investitionen in der Ukraine von 50 Millionen auf 260 Millionen US-Dollar.

Die von der Kommunistischen Partei Chinas gesteuerten Unternehmen investieren dabei meist in ukrainische Staatsunternehmen. Dazu erhalten sie häufig Kredite von staatlichen Banken. Auch im Energiesektor und in der Landwirtschaft haben chinesische Investoren in der Ukraine bereits Fuß gefasst. Es ist davon auszugehen, dass das Interesse des Regimes groß ist, den eigenen Gewinn auf Kosten aller Akteure zu maximieren.



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