Migrationskrise: Problemverschiebung durch EU-Deals mit Drittstaaten?

Durch milliardenschwere Abkommen mit Drittstaaten versucht die EU, dem Flüchtlingsproblem Herr zu werden. Häufig sind diese Deals der Anfang neuer Probleme.
Titelbild
Ein mit Flüchtlingen und anderen Migranten gefülltes Schlauchboot im Jahr 2016 an der Südküste der Türkei.Foto: iStock
Von 25. April 2023


Die Migrationsströme der vergangenen Monate stellt die EU vor große Herausforderungen. Von Januar bis März dieses Jahres sind erneut über Zehntausende Migranten illegal über verschiedene Fluchtrouten in die EU eingereist.

Allein Italien verzeichnete bis Mitte April eine Welle von mehr als 30.000 Flüchtlingen, die dort über das Mittelmeer an Land gegangen sind. Um eine Notbremse zu ziehen, hat die Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am 11. April für sechs Monate den nationalen Ausnahmezustand ausgerufen.

Da die italienischen Auffanglager überfüllt sind, will Ministerpräsidentin Giorgia Meloni die EU-Partner in Brüssel nun überzeugen, ein Migrationsabkommen mit Tunesien abzuschließen, wie die „Welt“ kürzlich berichtete. Mit dem Deal soll das Land Migranten abhalten, in Tunesien in See zu stechen.

Die Mehrzahl der Flüchtlinge nutzt seit Beginn der Corona-Krise die zentrale Mittelmeerroute, die von Libyen oder Tunesien aus nach Italien führt. Auch zwischen Januar und März 2023 sind mehr als 27.000 Menschen über diese Route in der EU angekommen, wie aus der Online-Plattform „Statista“ zu entnehmen ist.

Politisch schwierige Lage in Tunesien

Wie die „Welt“ weiter berichtet, will Präsident Kais Saied jedoch nicht nur punktuelle finanzielle Unterstützung, sondern einen längerfristigen Deal erzwingen. Dabei missbrauche er das Thema Migration als Druckmittel gegen Italien und die EU.

Die politische Situation stelle die EU vor ein Dilemma. Kais Saied, der das Parlament entmachtete, lässt politische Gegner verhaften, was dazu führte, dass immer mehr Menschen aus Tunesien fliehen. Zudem sei der Staat hoch verschuldet. Nachdem Saied 1,9 Milliarden US-Dollar vom Internationalen Währungsfonds (IWF) gefordert habe, die dieser wegen mangelnden Reformen zurückgehalten hatte, scheint er seinem Ziel näherzukommen.

Demnach habe sich Italien beim IWF und in der EU für Tunesien eingesetzt, und die ehemalige Kolonialmacht Frankreich erklärte, das tunesische Haushaltsdefizit ausgleichen zu wollen. Auf diese Weise wolle die EU nun unter allen Umständen verhindern, dass die Lage in Tunesien eskaliert.

Bestehende Abkommen

Ähnliche Abkommen zwischen der EU und Drittstaaten existieren bereits: mit der Türkei, Libyen, Marokko und Ägypten. Ein EU-Deal mit der Türkei besteht seit der Migrationskrise im Jahr 2015/2016. Damals kamen die meisten Migranten über die Türkei nach Griechenland. Allein im Oktober 2015 erreichten so mehr als 200.000 Menschen die EU, viele von ihnen waren Flüchtlinge aus Syrien.

Dafür, dass Brüssel sechs Milliarden Euro an die Türkei überwies, wurde folgender Deal vereinbart: Ankara versorgte die Migranten im eigenen Land und schützte die Grenzen. Auf diese Weise hätten die Ankunftszahlen schließlich nachgelassen. Anschließend seien andere Probleme aufgetreten. Unter anderem, dass Präsident Erdogan mittels des Abkommens weitere Zugeständnisse einfordern will.

Ein anderes Beispiel ist ein Abkommen zwischen Italien und Libyen, das im Jahr 2017 abgeschlossen wurde. Da das Land in Ost und West geteilt ist, die gegeneinander rivalisieren, ist keine umfassende Grenzkontrolle möglich. Der damalige Premierminister, mit dem das Abkommen abgeschlossen wurde, ist mittlerweile nicht mehr im Amt. In Libyen warten bis zu 900.000 Menschen auf eine Überfahrtmöglichkeit gen Europa.

Mit Ägypten besteht ein Deal, der erst im Oktober letzten Jahres abgeschlossen wurde. Dabei einigte sich Brüssel mit der Regierung in Kairo auf ein Abkommen über insgesamt 80 Millionen Euro. Dieses Geld soll Ägypten für den Grenzschutz ausgeben und dafür sorgen, dass die Migranten sich nicht auf den Weg nach Europa machen. Bisher gingen die Zahlen zurück.



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