Peking im Kampf „gegen feindliche Kräfte“: Junge Demonstranten verhaftet

Mit Corona-Lockerungen versucht das kommunistische Regime in Peking von den „White Paper“-Protesten abzulenken und Zeit zu gewinnen. Doch die Verfolgung der Demonstranten hat längst begonnen. Die Partei bekämpft ihre „Feinde“ – das Volk. Wo sind die Verschwundenen?
Titelbild
„White Paper“-Protest am 27. November in Peking.Foto: Kevin Frayer/Getty Images
Von 12. Dezember 2022

In einer gemeinsamen Erklärung forderten am 7. Dezember 49 Menschenrechtsgruppen, darunter Amnesty International, die Pekinger Regierung dazu auf, die Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit des Volkes zu respektieren und keine Gewalt gegen friedliche Demonstranten der „White Paper“-Proteste einzusetzen.

Teilnehmer der Protestbewegung hatten gegenüber Reportern erklärt, dass bereits führende Studenten und Demokratiebefürworter zu schweren Strafen verurteilt worden seien, meist im Geheimen. Hat die Kommunistische Partei bereits großflächig damit begonnen, das Volk zu bekämpfen?

Auf einer Dringlichkeitssitzung des KPC-Zentralkomitees am 29. November wurde angekündigt, dass man „entschlossen gegen feindliche Kräfte“ und Handlungen, die „die soziale Ordnung stören“, vorgehen werde, um die „allgemeine Stabilität“ zu wahren. Seit den darauf folgenden massiven Verhaftungen ist die Menschenrechtsorganisation „China Human Rights Defenders“ (CHRD) in großer Sorge darüber, dass inhaftierte Demonstranten verschwinden und gefoltert werden könnten.

Größte Proteste seit 1989

Die „White Paper“-Bewegung gilt als wichtigste Protestbewegung Chinas seit 1989. Bis zum 2. Dezember soll es an 126 Universitätsstandorten in China Proteste gegeben haben, berichtete Initium Media, darunter an der Wuhan-Universität, der Technischen Universität Nanjing, dem Chengdu Institute of Physical Education und der University of Science and Technology of China.

Dass die Partei zur blutigen Unterdrückung des Freiheitsdenkens wieder Panzer auf die Straße schickt, wird von China-Experten weitgehend ausgeschlossen. Peking hat dazugelernt – und hat die technischen Mittel für eine „Präzisionsunterdrückung“.

Für Chinesen ist es schwierig, untereinander zu kommunizieren, ohne dass die Internetspione und Polizeistellen der Partei davon Wind bekommen. Westliche Social Media wie Twitter und YouTube sind in China verboten. Manche verschaffen sich unter hohem Risiko mit Spezialsoftware Zugang und überwinden Chinas „Golden Shield“, die Zensur- und Überwachungsfirewall, die die Chinesen von den Informationen der Außenwelt abschirmen soll und gleichzeitig unerlaubte Äußerungen nachverfolgt.

Verhaftet oder einfach verschwunden

Die in den USA sitzende „China Digital Times“ berichtete am 6. Dezember von einem Twitter-User, der über die Verfolgung junger Demonstranten berichtete. Diese waren während der „White Paper“-Proteste in Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan, verhaftet worden.

In diesem Fall geht es um einen jungen Mann aus Xinjiang, der im Juli 1998 geboren worden sein soll. Er wird im Bericht als X bezeichnet. X soll nach seinem Uni-Abschluss im vergangenen Jahr nach Chengdu gegangen sein, um als Planer in einem Unternehmen zu arbeiten. Als die Gemeinde im Lockdown war, sprangen X und sein Freund W über den Sperrzaun, um an den „White Paper“-Protesten teilzunehmen. X kam in dieser Nacht jedoch nicht zurück.

W und ein weiterer Freund versuchten am nächsten Tag, X zu finden. Sie fuhren zu mehreren lokalen Haftanstalten, dem Pidu Detention Center, dem Chengdu Detention Center und dem Shuangliu Detention Center. Sie dachten, X sei verhaftet worden und wollten ihm warme Kleidung vorbeibringen. Doch sie fanden ihn nicht. Vor dem Tor einer der Haftanstalten sahen sie einen Mann mittleren Alters, der Kleidung in Säcken dabei hatte. Er hatte offiziell Bescheid bekommen, dass sein Sohn Y festgenommen worden sei. Jedoch sei auch seine Schwiegertochter Z seither verschwunden, erfuhren sie. Den Informationen nach soll es schon neun Tage her sein, dass man etwas von der Schwiegertochter Z und X, dem jungen Mann aus Xinjiang, gehört habe. Ein hinzugezogener Anwalt habe vorgeschlagen, das Verschwinden bei der Polizei zu melden. Dort konnte man ihre Namen aber nicht im System finden.

Der Junge aus Shanghai

Die Proteste in Shanghai nach dem Ürümqi-Feuer begannen am letzten Novemberwochenende in der Ürümqi-Road. Anfangs protestierten die Menschen gegen die Corona-Maßnahmen, forderten ein Ende der Lockdowns. Mehr und mehr wurden jedoch auch Slogans laut, dass die Kommunistische Partei zurücktreten soll, dass Xi Jinping zurücktreten soll. Man forderte Freiheit. Es kam zu Verhaftungen.

Ein Video vom Sonntagabend, 27. November, aus Shanghai, zeigt einen Jugendlichen mit längeren Haaren, der von der Polizei in einen Polizeibus gezerrt und geschlagen wurde. Der Junge berichtete Reportern zu dem Erlebnis, dass er Gymnasiast und minderjährig sei. 30 Stunden habe die Polizei ihn festgehalten, bevor man ihn schließlich frei ließ. Die Polizei wollte an die Fotos kommen, die er von den Protesten gemacht hatte. Als er sich geweigert habe, hätten sie ihn in ein Polizeifahrzeug gezerrt und geschlagen. Er saß in einem der Fahrzeuge und in einem anderen Polizeifahrzeug sollen schon mehr als 30 Leute gewesen sein. Alle verhaftet. Auch Mädchen seien geschlagen worden: „Eine wurde von fünf oder sechs umzingelt und geschlagen.“ Er selbst sei froh, dass er von einer Überwachungskamera fotografiert worden war und sein Handy vor dem Einsteigen ins Auto formatieren konnte. Sonst, so vermutet er, wäre er wohl nicht mehr freigekommen.

Wo ist „Nieder KPC“-Wang?

Immer noch gibt es keine Neuigkeiten über den Jugendlichen, von dem nur das Pseudonym Wang bekannt ist. Er forderte als erster auf der Ürümqi-Road in Shanghai den Rücktritt der Kommunistischen Partei und von Xi Jinping. Die Niederländerin Eva Rammeloo, eine in China ansässige Reporterin der „Dutch Daily“, twitterte am 6. Dezember: „Während viele verhaftete Demonstranten wieder frei sind, ist der Mann, den ich im ‚TheEconomist‘ porträtiert habe, immer noch verschwunden. Seine Freunde sind besorgt. Keiner weiß, wo er festgehalten wird oder wie es ihm geht.“ Der Link führt zu besagtem Artikel in der britischen Wochenzeitung.

Wang habe in Shanghai die Faust gehoben und die Menschen gefragt: „Kommunistische Partei?“ Die Menge habe geantwortet: „Nieder damit!“, heißt es beim „Economist“. Dann habe Wang gefragt: „Xi Jinping?“ Da habe die Menge schon zaghafter reagiert, man habe sich umgeschaut – und schließlich doch geantwortet: „Nieder mit ihm!“ Wang habe noch dreimal Xis Namen gerufen und die Menge habe geantwortet: „Nieder mit ihm!“

Es sei der erste Protest des 27-Jährigen überhaupt gewesen – wie es bei den meisten auf der Straße wohl gewesen sei. Nach seiner Schicht in einer Cocktailbar sei er mit dem Rad zum Protest gefahren. Manche hätten Blumen niedergelegt und Kerzen angezündet. Viele hätten weiße Blätter Papier in der Hand gehalten – zum stillen Protest. Eine Person habe gesagt: „Wir müssen nichts schreiben. Es ist ein Symbol der Volksrevolution.“

Verhaftungen auch in Guangzhou

Nach Angaben der „Arrested Concern Group“ seien am 4. und 5. Dezember in der südchinesischen Metropole Guangzhou Dutzende junger Menschen im Zusammenhang mit den Massenverhaftungen wegen der Kundgebung auf dem Haizhu-Platz am 27. November verhaftet worden, darunter viele engagierte Bürger und Kunstschaffende, hieß es. Die Hälfte etwa soll nach 24 bis 30 Stunden wieder laufen gelassen worden sein. Bei den übrigen ist der Verbleib offenbar unklar.

Auf Nachfrage der Reporter bei der Polizeistation zu den Verhaftungen wurde ihnen mitgeteilt: „Das ist noch nicht geklärt, es wird noch ermittelt.“ Dann sei aufgelegt worden.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion