Nach dem Tod von Prigoschin: Was sagen Politiker aus Osteuropa?
Eine Woche ist es her, dass das Flugzeug mit dem Anführer der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, 150 Kilometer nordwestlich von Moskau abgestürzt ist. Während sich die ukrainische Führung eindeutig von einem Attentat distanziert hat, schrieb der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak auf der Plattform X (ehemals Twitter), der Abschuss von Prigoschins Flugzeug sei ein Signal des Kremls an alle. Er sagte, dies sei die Art und Weise, wie die russische Führung sich auf die Wahlen 2024 vorbereite.
„Die demonstrative Liquidierung von Prigoschin und dem Wagner-Kommando zwei Monate nach dem Putschversuch ist ein Signal von Putin. Es ist eine Botschaft an die russische Elite im Vorfeld der Wahlen 2024“, schrieb Podoljak und fügte hinzu: „Illoyalität ist gleichbedeutend mit Tod.“
Laut Podoljak sei klar, dass Prigoschin in dem Moment, als er an Lukaschenkos bizarre „Garantien“ und Putins ebenso absurdes „Ehrenwort“ glaubte, ein besonderes Todesurteil für sich selbst unterschrieben habe. Er betonte, dass man abwarten sollte, bis sich der „Nebel des Krieges“ auflöst, bevor man konkrete Schlussfolgerungen zieht.
Polen: „Zufall? – Auf keinen Fall“
„Es wäre sehr schwierig, jemanden zu nennen, der instinktiv denkt, dass dies ein Zufall ist“, sagt der polnische Außenminister Zbigniew Rau dem staatlichen Sender „TVP Info“. „Politische Gegner, die Wladimir Putin als Bedrohung für seine Macht ansieht, sterben nicht zufällig eines natürlichen Todes.“
Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki zog aus dem Vorfall Lehren für die Sicherheit in seinem Land. Als Reaktion auf den Tod Prigoschins erklärte er, es bestehe die Gefahr, dass die Wagner-Gruppe nun unter Putins Kontrolle gerate und gefährlicher werde als je zuvor.
Die Führung von Wagner werde wahrscheinlich von Putin übernommen. „Ist dies eine kleinere oder eine größere Gefahr? Ich denke, die Antwort ist klar“, zitierte ihn das Wirtschaftsportal „vg.hu“.
Der polnische Innenminister hat zudem am 28. August zusammen mit den baltischen Staaten eine Warnung ausgesprochen. Im Falle eines „kritischen Zwischenfalls“, in den die Wagner-Söldner verwickelt wären, würden sie ihre Grenzen zu Weißrussland vollständig schließen, so Minister Mariusz Kamiński. Er erklärt: „Wir fordern von den Minsker Behörden, dass die Wagner-Gruppe sofort das weißrussische Territorium verlässt und die illegalen Migranten unverzüglich das Grenzgebiet verlassen und in ihr Heimatland zurückkehren.“
Die polnischen Befürchtungen scheinen durch eine aktuelle Meldung aus Belarus bestätigt zu werden. Demnach befinden sich noch immer Tausende Wagner-Söldner im Land.
Einem ehemaligen belarussischen Oppositionspolitiker zufolge könnten die Söldner von der Regierung in Minsk sogar neue Personalausweise erhalten. „Diese würden es ihnen ermöglichen, in die EU einzureisen, um hier Terroranschläge zu verüben“, so der frühere Minister Pawel Latuschka.
Tschetschenischer Kriegsherr: „Verlust für die ganze Nation“
Der tschetschenische Staatschef Ramsan Kadyrow hat einen langen Telegram-Post über seinen „persönlichen Freund“ Jewgeni Prigoschin veröffentlicht. Wie die Zeitschrift „Portfolio“ ihn zitiert, lobt der tschetschenische Kriegsherr den verstorbenen Söldnerführer. Er schrieb, dass Prigoschin den Menschen „von ganzem Herzen geholfen“ habe und dass sie „viele Gemeinsamkeiten“ hätten.
„Jewgeni Wiktorowitsch war trotz seines Alters sehr aktiv und ein wichtiger Mann auf nationaler Ebene. Aber in letzter Zeit sah er nicht, oder wollte nicht sehen, was im Lande geschah“, so Kadyrow.
Er wies darauf hin, dass sein Freund die aktuelle Lage in Russland nicht richtig eingeschätzt habe. Der tschetschenische Staatschef habe selbst Prigoschin aufgefordert, „seine persönlichen Ambitionen im Namen des nationalen Interesses zurückzustellen“, heißt es in dem Beitrag. Alles andere hätte später geklärt werden können. Aber Kadyrow konnte sich nicht durchsetzen:
Aber nein, er war so. Prigoschin, ein stahlharter Charakter, der sofortige Ergebnisse wollte.“
Dem tschetschenischen Kriegsherrn zufolge spielte Prigoschin eine wichtige Rolle bei der „Spezialoperation“ in der Ukraine, sein Tod sei „ein Verlust für die ganze Nation“. In den Augen des tschetschenischen Volkes bleibe Prigoschin daher eine Heldenfigur, ungeachtet der Verschlechterung der Beziehungen zu Putin. Tschetschenien ist eine autonome Republik der Russischen Föderation im Nordkaukasus mit etwa 1,5 Millionen Einwohnern.
Ungarn: Keine Überraschung
Die Nachricht vom Tod Prigoschins kam für Osteuropa wenig überraschend, so Kanzleramtsminister Gergely Gulyás aus Ungarn.
Die ungarische Staatspräsidentin Katalin Novák erklärte in einem am Samstag in der italienischen Tageszeitung „Il Messaggero“ veröffentlichten Interview, dass sie den Tod von Jewgeni Prigoschin „nicht als Zeichen der Schwächung der Macht des russischen Präsidenten Wladimir Putin“ sehe. Auch sehe sie keine Herabsetzung der russischen Bemühungen. Vielmehr befürchtet Novák, dass „Moskau an einem langen Krieg interessiert ist“.
Novák wurde am Wochenende von Papst Franziskus empfangen, mit dem die ungarische Regierung seit Monaten an einem gemeinsamen Friedensplan arbeitet. Einzelheiten nannte die Staatspräsidentin nicht, ebenso wenig wie Ministerpräsident Viktor Orbán. Den Tod Prigoschins kommentierte Orbán nicht.
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