Nach dem Tod von Queen Elizabeth II: Sorge um Monarchie und Commonwealth

Die sterblichen Überreste der am Donnerstag verstorbenen Königin Elizabeth II. sind noch nicht bestattet, und schon mischen sich in die Kondolenzadressen erste Sorgen um den Bestand der Monarchie und des Commonwealth. War die Queen die letzte Klammer des Bündnisses?
Titelbild
Ein Blumenmeer an den Toren des Buckingham Palace am 09. September 2022 in London.Foto: Neil P. Mockford/Getty Images)
Von 9. September 2022

Insgesamt 117 Länder der Welt hatte die am Donnerstag (8.9.) verstorbene Königin Elizabeth II. in den 70 Jahren und 214 Tagen ihrer Amtszeit bereist und dabei rund 1,7 Millionen Kilometer zurückgelegt. Einen Reisepass benötigte sie dazu nicht – auch keinen Führerschein. Beide Dokumente werden in Großbritannien auf ihren Namen ausgestellt. Noch während aus aller Welt die Beileidsadressen an das britische Königshaus eingehen, regen sich die ersten Stimmen, die nach dem Tod der Monarchin Fragen aufwerfen, die sich zu ihren Lebzeiten noch nicht gestellt hatten: von der Gültigkeit von Dokumenten bis hin zur Zukunft des Commonwealth oder sogar des Königshauses selbst.

Pässe gelten weiter – bis zu deren Ablaufdatum

Aufgrund der monarchischen Staatsform des Vereinigten Königreiches sind sämtliche offiziellen Dokumente, die im Umlauf sind, von der Königin selbst ausgestellt. Dies gilt für Dokumente für den innerstaatlichen Gebrauch ebenso wie für jene im Außenverhältnis – etwa für Reisepässe.

Auf der ersten Seite des britischen Reisepasses bittet der Staatssekretär Ihrer britischen Majestät und fordert im Namen Ihrer Majestät all diejenigen, die es betrifft, auf, „den Inhaber ungehindert passieren zu lassen und ihm die Hilfe und den Schutz zu gewähren, die notwendig sind“.

Der Tod der Monarchin hat nun vielerorts die Frage aufgeworfen, ob mit deren Ableben die Reisedokumente im Besitz der Bürger des Vereinigten Königreiches noch ihre Gültigkeit behalten.

Wie die „BBC“ informiert, ist dies der Fall. Zwar werden neu ausgestellte Pässe auf „Seine“ Majestät Bezug nehmen. Allerdings sind die bereits ausgefertigten Reisedokumente mit einer Geltungsdauer ausgestattet und deren Gültigkeit endet erst mit ihrem Ablaufdatum. Geändert werden für die Zukunft auch Banknoten, Amtssiegel, Gütesiegel und andere Utensilien, die derzeit noch auf den Namen der verstorbenen Königin lauten.

Commonwealth war Queen Elizabeth II. stets ein zentrales Anliegen

Unklarer ist – zumindest auf längere Sicht – die Frage, welche Auswirkungen der Tod der Königin auf das britische Königshaus selbst und vor allem das Commonwealth of Nations beziehungsweise Commonwealth, wie es seit 1947 offiziell heißt, haben wird. Diesem 1931 gegründeten Staatenverband gehören heute 56 Staaten an, neben dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland sind es vor allem ehemalige Kolonien.

Die Bandbreite reicht dabei von Kanada und Neuseeland über Kenia, Botswana, Brunei, Indien, Kamerun und Lesotho über Uganda oder Bangladesch bis hin zu Pakistan, Südzypern, Ghana oder Kiribati. In 15 dieser Länder, den sogenannten Commonwealth Realms, ist der britische Monarch auch das Staatsoberhaupt. Neben dem Vereinigten Königreich selbst sind dies Antigua und Barbuda, Australien, die Bahamas, Belize, Grenada, Jamaika, Kanada, Neuseeland, Papua-Neuguinea, die Salomonen, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen sowie Tuvalu.

Der verstorbenen Königin lag das Commonwealth sehr am Herzen. Ein Großteil ihrer Reisetätigkeit führte sie in Mitgliedsländer des Verbundes, der ursprünglich Autonomiebestrebungen ehemaliger Kolonien entgegenwirken sollte, dessen spätere Bedeutung jedoch vor allem wirtschaftlicher Natur war und der zudem der wechselseitigen politischen Konsultation sowie dem sportlichen und kulturellen Austausch dienen sollte.

Australiens Linke will Monarchie abschaffen

Die Stimmung bezüglich eines Verbleibs im Commonwealth ist – ungeachtet der flächendeckenden Trauer über den Tod der angesehenen Monarchin – in den derzeitigen Mitgliedsländern uneinheitlich. Barbados hatte sich im Vorjahr zur Republik erklärt, aber gleichzeitig von der Möglichkeit eines Wiederaufnahmeantrags Gebrauch gemacht, über den im Regelfall auch positiv entschieden wird.

Australien hatte sich 1999 in einem Referendum für den Erhalt der Monarchie ausgesprochen, linke Parteien wie die regierende Labour oder die Grünen wollen perspektivisch allerdings einen neuen Anlauf zu einer republikanischen Staatsordnung nehmen.

In Neuseeland sind es vor allem Verbände von Ureinwohnern wie den Maori, die sich für einen Bruch mit der britischen Krone aussprechen. In diesem Land waren Proteste gegen die Besuche der Königin am heftigsten, im Jahr 1981 gab es sogar einen Mordanschlag.

Prinz William in der Karibik mit Unmut empfangen

Proteste und republikanische Tendenzen gibt es auch in Jamaika. Diese richteten sich zuletzt jedoch nicht gegen die Königin selbst, sondern gegen Prinz William und Kate Middleton. Bei deren jüngstem Besuch in der Region wurden sie auch in Belize von Demonstranten empfangen. Diese forderten unter anderem eine Entschuldigung für die Verwicklung der britischen Royals in die Sklavenhaltung von verschleppten Afrikanern in der Region und Reparationszahlungen.

Der kleine Südseestaat Tuvalu, den die Queen das einzige Mal im Oktober 1982 besucht hatte, stimmte in zwei Referenden 1986 und 2008 für die Beibehaltung der Monarchie. Seit vergangenem Jahr ist das Thema jedoch auch dort neu aufgeflammt.

Verhältnismäßig entspannt ist das Verhältnis zur britischen Krone trotz der blutigen Kolonialvergangenheit und der wachsenden nationalistischen Tendenzen im Land auch in Indien. Die Zugehörigkeit zum Commonwealth steht dort nicht infrage – stattdessen steht ein umfangreiches Freihandelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich im Raum. Auch um die Queen wird getrauert. Indiens Premierminister Narendra Modi schrieb, er werde „ihre Wärme und Liebenswürdigkeit nie vergessen“. Und: „Sie personifizierte Würde und Anstand im öffentlichen Leben.“

Aus den 21 afrikanischen Commonwealth-Staaten waren die Oberhäupter von Kenia, Präsident William Ruto, und Ghanas Staatsoberhaupt Nana Akufo-Addo die Ersten, die am Donnerstag das Lebenswerk der Monarchin würdigten.

Skandale könnten Ansehen und künftige Rolle des Königshauses beeinträchtigen

Was zumindest auf längere Sicht die Einstellung der Menschen in den Ländern des Commonwealth zum Verbleib im Bündnis und zur Frage der Einführung der Republik beeinflussen könnte, ist das Bild, das das Königshaus in seiner neuen Konstellation abgibt.

Während die Queen als Monarchin mit der längsten Regentschaft in Nachkriegseuropa ein ruhender Pol war und weltweit für ein würdevolles, nobles und bei Bedarf auch zurückhaltendes Auftreten geschätzt wurde, lässt sich Gleiches für die nächsten Thronprätendenten nicht feststellen.

Der ehemalige Prinz Charles, durch den Tod seiner Mutter zu King Charles III. geworden, war in mehrere Skandale verwickelt und wurde vor allem in den 1990er-Jahren mehrfach zum Ziel beißenden Spotts in britischen und internationalen Medien. Dazu beigetragen hatten unter anderem seine Scheidung von der 1997 bei einem Autounfall verstorbenen Prinzessin Diana und abgehörte anzügliche Telefongespräche mit seiner Dauergeliebten Camilla Parker Bowles aus dem Jahr 1989.

Immerhin wurde die außereheliche Beziehung nachträglich durch die Hochzeit mit der jetzigen Herzogin Camilla 2005 „legitimiert“. Das Ansehen von Charles in der britischen Öffentlichkeit ist dennoch deutlich geringer als das der verstorbenen Königin – in den Ländern des Commonwealth dürfte die Situation nicht wesentlich anders sein.

Zudem geriet Charles, der selbst ernannte „Ökologist“, dessen „Sustainable Markets Initiative“ unter dem Eindruck der Coronakrise gemeinsam mit dem Weltwirtschaftsforum WEF das Projekt „Great Reset“ vorgestellt hatte, erst in jüngster Zeit wieder ins Visier der Medien: Er soll einen Koffer mit Bargeld in Höhe von einer Million Euro von einem katarischen Scheich für seine Wohltätigkeitsorganisation angenommen haben. Allerdings gibt es keine Hinweise auf eine nicht ordnungsgemäße Verbuchung.

Mögliche Thronfolger nach Charles im Zwielicht

Die Prinzen Harry und William, die aus der Ehe mit Diana stammen, gelten ebenfalls nur als bedingt identifikationsfähig. Harry hatte erst im März 2021 zusammen mit seiner Ehefrau Meghan Markle in einem Interview mit US-Talkshowmoderatorin Oprah Winfrey der britischen Königsfamilie rassistische Tendenzen vorgeworfen und erklärt, diese habe Meghan keine Unterstützung gewährt, als sie suizidgefährdet gewesen wäre. Aus diesem Grund seien beide in die USA gezogen.

William, der unmittelbare Thronprätendent nach Charles, gilt zwar in Großbritanniens Öffentlichkeit als akzeptabler Thronfolger. Vor allem in den afrikanischen und asiatischen Commonwealth-Staaten ist sein Ansehen jedoch deutlich gesunken – unter anderem wegen als rassistisch wahrgenommener Aussagen zur Bevölkerungsentwicklung in Afrika.

Noch die Queen selbst war es, die im Mai 2020 eine Erklärung veranlasste, wonach ihr zweiter Sohn Prinz Andrew, Duke of York und an achter Stelle der Thronfolge, das Königshaus nicht mehr vertrete: Grund dafür sind die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einer Beteiligung an Verbrechen des verstorbenen US-Milliardärs und Sexualstraftäters Jeffrey Epstein.

(Mit Material von dpa)

 



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