Nach Staudamm-Zerstörung: Kein „unmittelbares nukleares Risiko“ für KKW?
Nach der teilweisen Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der ukrainischen Region Cherson am Dienstag, dem 5. Juni, verliert der Stausee rasch an Wasser. Damit wächst die Sorge um die Versorgung des KKW Saporischschja mit Kühlwasser und eines möglichen Atomunfalls. Das KKW Saporischschja liegt oberhalb des betroffenen Stausees. In der Region Cherson meldeten die Behörden großflächige Überflutungen.
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) sah zunächst „kein unmittelbares nukleares Risiko“, teilte die Organisation am Dienstagvormittag im Onlinedienst Twitter mit. IAEA-Experten seien vor Ort und „beobachten die Situation“.
Die ukrainische Führung sprach hingegen von einer „rapide wachsenden“ Gefahr. „Die Welt befindet sich wieder einmal am Rande einer nuklearen Katastrophe“, erklärte Präsidentenberater Michailo Podoljak. Russland erklärte, die Zerstörung des Staudamms stelle keine Bedrohung für die Sicherheit des Kernkraftwerks dar.
Der von Russland eingesetzte Leiter des KKW, Juri Tschernitschuk, erklärte im Onlinedienst Telegram, „der Wasserstand im Kühlbecken hat sich nicht verändert“. Der teilweise zerstörte Staudamm liegt am Fluss Dnipro, der das Kernkraftwerk mit Kühlwasser versorgt.
Geschichte
Das KKW Saporischschja liegt in der Nähe der Stadt Enerhodar am Fluss Dnipro, nicht weit entfernt von der 2014 von Moskau annektierten Halbinsel Krim. Es verfügt über sechs der 15 Reaktoren der Ukraine, die vier Millionen Haushalte mit Strom versorgen können. Das KKW wird aus dem Stausee Kachowka mit Kühlwasser versorgt.
Bei den Reaktoren handelt es sich um Druckwasserreaktoren sowjetischer Bauart vom Typ WWER-1.000, die als vergleichsweise sicher gelten und eine Gesamtleistung von rund 6.000 Megawatt haben. Nach Angaben des ukrainischen Betreibers Energoatom wurden die Reaktoren zwischen 1984 und 1995 in Betrieb genommen.
Vor dem Ukraine-Krieg erzeugte das Kernkraftwerk Saporischschja etwa ein Fünftel des ukrainischen Stroms. Die Ukraine verfügt über beträchtliche Uranreserven und ist laut der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) weltweit der siebtgrößte Produzent von Atomenergie.
Kämpfe und Betriebsausfälle
Russische Streitkräfte besetzten das Kernkraftwerk am 4. März 2022, also schon kurz nach Beginn Ukraine-Kriegs Ende Februar. In den folgenden Monaten geriet das KKW immer wieder unter Beschuss. Dabei wurden Teile der Anlage beschädigt. Immer wieder mussten Reaktoren wegen der Angriffe abgeschaltet werden. Seit September produziert keiner der sechs Reaktoren mehr Strom.
Die Anlage ist weiterhin an das ukrainische Energienetz angeschlossen, wurde jedoch nach offiziellen Angaben seit Kriegsbeginn bereits sieben Mal zeitweise von der externen Stromversorgung abgeschnitten.
Energoatom warnte Ende Mai, dass die Notgeneratoren des Kernkraftwerks lediglich für eine Stromversorgung von rund zehn Tagen ausreichten – etwa für die Kühlung der Brennstäbe. Danach drohe „ein Unfall mit radioaktiven Konsequenzen für den gesamten Planeten“.
Moskau und Kiew machen sich gegenseitig für Angriffe auf das Kernkraftwerk verantwortlich. Das KKW liegt am Fluss Dnipro, der an dieser Stelle die Frontlinie zwischen ukrainischen und russischen Truppen bildet.
Internationale Bemühungen
Die IAEA verfügt über ein Expertenteam vor Ort. Der Chef der Behörde, Rafael Grossi, besuchte das KKW Ende März und warnte im Anschluss, es müsse „eine Katastrophe verhindert werden“.
Grossi stellte Ende Mai einen Plan zum Schutz des Kernkraftwerks vor dem UN-Sicherheitsrat vor. Dieser sieht unter anderem vor, „dass es keinen Angriff von der oder auf die Anlage geben soll“ und Saporischschja nicht als Lager oder Basis für schwere Waffen genutzt werden dürfe. Es müssten zudem „alle Anstrengungen unternommen werden, damit Strom von außerhalb jederzeit verfügbar und sicher ist“.
Trotz Bemühungen der Vereinten Nationen kam eine entmilitarisierte Zone rund um das Gelände bisher nicht zustande.
Kühlwasserversorgung
Seit der Zerstörung des Kachowka-Staudamms am Dienstag wird über die Folgen für die Versorgung des KKW Saporischschja mit Kühlwasser diskutiert, das es aus dem Stausee Kachowka bezieht.
Grossi warnte bereits, der Wasserstand könnte in wenigen Tagen auf ein gefährliches Niveau sinken, wenn keine Lösung gefunden werde. Die Anlage ist zwar abgeschaltet, Kühlwasser ist aber trotzdem nötig, unter anderem um die Brennelemente zu kühlen und eine nukleare Katastrophe zu verhindern. (AFP/mf)
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