Nächtliche Krawalle: Macron verschiebt Staatsbesuch in Deutschland

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kommt am Sonntag nicht zu einem geplanten Staatsbesuch nach Deutschland. Grund sind die Krawallen in Frankreich.
Die Polizei steht vor explodieren Feuerwerkskörpern bei Ausschreitungen im Pariser Vorort Nanterre. Nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen Jugendlichen bei einer Verkehrskontrolle ist es erneut zu Krawallen in Frankreich gekommen.
Die Polizei steht vor explodieren Feuerwerkskörpern bei Ausschreitungen im Pariser Vorort Nanterre. Nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen Jugendlichen bei einer Verkehrskontrolle ist es erneut zu Krawallen in Frankreich gekommen.Foto: Aurelien Morissard/AP
Epoch Times1. Juli 2023

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron verschiebt wegen der Unruhen in Frankreich seinen ab Sonntag geplanten Staatsbesuch in Deutschland. Macron habe mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier telefoniert und ihn über die Situation in seinem Land unterrichtet, teilte das Bundespräsidialamt am Samstag in Berlin mit.

Der Besuch solle baldmöglichst nachgeholt werden. Das Präsidialamt in Paris bestätigte die Angaben und betonte, Macron wolle die nächsten Tage in Frankreich bleiben.

Steinmeier habe die Absage bedauert und Macron sein vollstes Verständnis ausgesprochen, hieß es in Berlin. Der Bundespräsident verfolge die Entwicklung in Frankreich mit großer Aufmerksamkeit und hoffe, dass die Gewalt auf den Straßen bald ende.

Der Staatsbesuch war für den 2. bis 4. Juli geplant und von langer Hand vorbereitet worden. Macron wollte Ludwigsburg, Berlin und Dresden besuchen.

1.311 Menschen festgenommen

Nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen 17-Jährigen ist es in Frankreich in der vierten Nacht in Folge zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen. Landesweit wurden dabei 1.311 Menschen festgenommen, erklärte das französische Innenministerium am Samstag. In der Nacht wurden nach ersten Informationen 79 Polizisten und Gendarmen verletzt. Nach Angaben der Regierung nahm die Gewalt jedoch insgesamt ab.

Allerdings zeigen Twitter-Videos nichts davon, dass diese Gewalt abnimmt. Ein User filmte hier, wie jemand in ein Einkaufszentrum gefahren ist und anschließend alle den Laden plündern:

Den vorläufigen Zahlen des Innenministeriums zufolge wurden in der Nacht auf Samstag 1.350 Fahrzeuge angezündet, 234 Gebäude in Brand gesetzt oder beschädigt und 2560 Brände auf Straßen gezählt. Die Zahl der Festnahmen erhöhte sich der Bilanz zufolge im Vergleich zur Vornacht um mehr als 400 Menschen auf insgesamt 1.311.

In den Städten Marseille, Lyon und Grenoble plünderten umherziehende Gruppen Geschäfte. In Marseille brach in einem Supermarkt ein größeres Feuer aus – der Brand stehe „mit den Ausschreitungen in Verbindung“, hieß es aus Polizeikreisen. Im Zentrum von Marseille schleuderten junge und oft maskierte Demonstranten Objekte auf Polizeitransporter, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten. Die Polizei reagierte mit dem Einsatz von Tränengas.

Auch in Paris gingen die Unruhen weiter. Nach Angaben der Behörden handelt es sich bei den Randalierern um mobile, vernetzte und oft „sehr junge“ Menschen.

Ab 21 Uhr fahren keine Busse und Straßenbahnen mehr

Bei einem Besuch in Mantes-la-Jolie westlich von Paris sprach Innenminister Gérald Darmanin am Samstag trotz der erneuten Ausschreitungen von einer „deutlich geringeren Intensität“ der Gewalt verglichen mit den Vornächten.

Die französischen Behörden hatten ihre Maßnahmen am Freitag nochmals verschärft, um die Lage wieder in den Griff zu bekommen. 45.000 Polizisten und Gendarmen wurden mobilisiert, das waren etwa 5000 mehr als in der Vornacht.

Zudem wurde als neue Maßnahme ab 21.00 Uhr landesweit der Verkehr von Bussen und Straßenbahnen eingestellt. Auch wurden mehrere Großveranstaltungen wurden abgesagt.

Der Verkauf von Feuerwerkskörpern, Benzinkanistern sowie entzündlichen und chemischen Produkten wurde systematisch unterbunden. Mindestens drei Gemeinden in der Nähe von Paris sowie mehrere andere Orte verhängten nächtliche Ausgangssperren.

Präsident Emmanuel Macron hatte zuvor auf einer Krisensitzung eine „inakzeptable Instrumentalisierung des Todes eines Jugendlichen“ angeprangert. Rund ein Drittel der Festgenommenen sei „jung, manchmal sehr jung“. Macron appellierte an die Eltern, dafür zu sorgen, dass sich ihre Kinder nicht an den gewaltsamen Protesten beteiligten.

Hintergrund

Die Proteste und Ausschreitungen waren durch den Tod des 17-jährigen Nahel M. ausgelöst worden. Der Jugendliche, dessen Familie aus Algerien stammt, war am Dienstag bei einer Verkehrskontrolle in der Pariser Vorstadt Nanterre von einem Polizisten erschossen worden. Am Samstagmittag begannen in Nanterre die Trauerfeierlichkeiten, die Beerdigung sollte am frühen Nachmittag stattfinden.

Der Tod des Jugendlichen ließ den Groll vieler Menschen gegen mutmaßliches „racial profiling“ der Polizei in den einkommensschwachen und multikulturellen Vororten Frankreichs wieder aufflammen. Von „racial profiling“ ist die Rede, wenn Menschen wegen ihrer äußeren Merkmale, etwa der Hautfarbe, kontrolliert werden.

Gegen den mutmaßlichen Schützen wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ihm wird laut Staatsanwaltschaft „vorsätzliche Tötung“ vorgeworfen. Nach Angaben seines Anwalts bat der in Untersuchungshaft sitzende Beamte die Familie des Opfers um Verzeihung. (afp)



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