Neue Dimension im Terror der Hamas – Israel sucht nach angemessener Strategie
Seit der Wiedergründung eines jüdischen Staates auf dem historischen Siedlungsgebiet der jüdischen Stämme am 14. Mai 1948 sieht sich Israel wiederholten militärischen und terroristischen Aggressionen gegenüber. Bereits unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung rückte eine Allianz aus regulären Armeen arabischer Staaten in das vormalige „Britische Mandatsgebiet Palästina“ ein. Beteiligt an dem Angriff waren Ägypten, Syrien, Libanon, Jordanien und der Irak. Ziel war die Beseitigung des neu entstandenen Staatsgebildes, das sich auf den UN-Teilungsplan von 1947 berief. Jordanien strebte zusätzlich die Annexion jener Teile von Judäa und Samaria an, die heute als „Westjordanland“ bekannt sind.
Israel konnte trotz der arabischen Übermacht den Krieg für sich und seine Unabhängigkeit verteidigen. Neben der Vertreibung verbliebener jüdischer Gemeinden aus arabischen Staaten verließen auch zahlreiche arabische Bewohner freiwillig oder unfreiwillig das Siedlungsgebiet. Sie flohen vorwiegend in die Staaten der Gegner im Unabhängigkeitskrieg – ohne dass diese sich um deren Integration bemühten. Stattdessen beharrten die arabischen Staaten, die weiterhin die Anerkennung des Existenzrechts Israels verweigerten, auf einer Rückkehr der Umgesiedelten, die später als „Palästinenser“ deklariert wurden.
Das Feindbild Israel zu bedienen, wurde für politische Eliten vieler arabischer Staaten zur willkommenen Strategie, innenpolitische Verwerfungen abzufedern. Der Sowjetblock unterstützte – obwohl Josef Stalin den jüdischen Staat anerkannt hatte – die arabischen Ambitionen zum einen, um in den entsprechenden Ländern Einfluss zu gewinnen. Zum anderen kam darin ein Revanchismus gegen Israel zum Ausdruck, das an einem Recht auf die Rückkehr von Juden in ihre historische Heimat auch aus sozialistischen Staaten festhielt – und enge Beziehungen zu den USA pflegte.
Jerusalem nach jedem Krieg um Friedensschluss bemüht
Zu einer weiteren bewaffneten Auseinandersetzung Israels mit arabischen Staaten kam es 1967 im Sechstagekrieg. Auch damals griff eine Allianz unter anderem aus Ägypten, Jordanien, Syrien und dem Irak das Land militärisch an. Wiederum hatten die Bemühungen keinen Erfolg. Israel kontrollierte fortan die zuvor von Jordanien annektierten Gebiete des Westjordanlands und Ost-Jerusalems.
Zudem erlangte Jerusalem die Kontrolle über den Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel und die Golanhöhen. Der Jom-Kippur-Krieg 1973 involvierte vor allem Israel, Ägypten und Syrien – auch hier behielt der jüdische Staat militärisch die Oberhand. Während es bis heute einen eingefrorenen Kriegszustand mit Syrien gibt, gelang ein Friedensschluss mit Ägypten, der zur Räumung der Sinai-Halbinsel durch israelische Truppen führte.
Armeen verloren an Bedeutung – Terrorismus wurde zur Waffe
Neben der in den 1960er-Jahren gegründeten PLO ging vom Libanon aus auch die Hisbollah auf Konfrontation und trat durch terroristische Akte gegen Israel in Erscheinung. Unterstützung bekam sie nach der „Islamischen Revolution“ im Jahr 1979 unter Ayatollah Chomeini auch vom Iran.
Es gab seit 1973 zwar keine Angriffe regulärer militärischer Einheiten mehr gegen Israel. Stattdessen unterstützten Jerusalem gegenüber feindselig gesinnte Staaten jedoch terroristische Organisationen aus den Reihen sogenannter Palästinenser und aus dem Libanon.
Israel versuchte, neben militärischer Abschreckung auch auf Diplomatie zu setzen. So kam es 1993 zum Osloer Abkommen, in dem sich Jerusalem zum Prinzip „Frieden gegen Land“ bekannte. Nach einem Friedensschluss im Jahr darauf verzichtete Jordanien auf Ansprüche bezüglich des Westjordanlands und Ost-Jerusalem. Stattdessen solle perspektivisch eine Option auf einen „Palästinenserstaat“ entstehen. Im Jahr 2005 räumte Israel zu diesem Zweck auch den Gazastreifen.
Rückzug aus Gaza wurde Israel schlecht gedankt
Allerdings kam es weiterhin nicht nur zu Terrorakten von Palästinenserorganisationen und Angriffen der Hisbollah aus dem Libanon. Die geplanten ersten Parlamentswahlen in den Palästinensergebieten im Jahr 2006 endeten mit einem Triumph der terroristischen Hamas in Gaza.
Diese lieferte sich seither nicht nur bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen mit der in Ramallah ansässigen Palästinensischen Autonomiebehörde. Regelmäßig greifen Hamas und kleinere Splittergruppen wie „Islamischer Dschihad“ seither auch Israel vom Gazastreifen aus mit Raketen an.
In den Jahren 2008/09, 2012, 2014 und 2021 reagierte Israel mit groß angelegten Militäroffensiven gegen die Hamas. Dabei flog vor allem die israelische Luftwaffe Angriffe gegen die militärische Infrastruktur und gegen Tunnelsysteme der Terrororganisationen. Dabei kam es auch zu zahlreichen zivilen Opfern infolge der dichten Bebauung in Gaza-Stadt und der Praxis der Hamas, zivile Gebäude für militärische Zwecke zu instrumentalisieren. So unterhielten die Terroristen beispielsweise Waffenlager in Schulgebäuden oder Flüchtlingslagern.
„Iron Dome“ konnte nur 90 Prozent der abgefeuerten Raketen abfangen
Der jüngste groß angelegte Terrorangriff der Hamas auf Israel unterscheidet sich von bisherigen vor allem in seiner Dimension. Am Samstag, 7. Oktober, hat diese israelische Grenzdörfer durch Terroristen infiltriert, deren Aufgabe es war, Zivilisten zu entführen und unter diesen Massaker anzurichten. Gleichzeitig hat sie aus dem Gazastreifen heraus Raketen in einer zuvor noch ungekannten Quantität auf den jüdischen Staat abgefeuert.
Die Hamas hatte offenbar die vergangenen Jahre zu einer massiven Aufrüstung genutzt. Auf diese Weise waren sie und mit ihr verbündete terroristische Vereinigungen in der Lage, bis zu 5.000 Raketen und Lenkflugkörper wahllos in Richtung israelischer Städte abzufeuern.
Die Masse der Raketen war so groß, dass das bislang als außerordentlich sicher geltende Kurzstrecken-Abwehrsystem „Iron Dome“ nur in der Lage war, etwa 90 Prozent davon abzufangen. Warum die üblicherweise als wachsam und vorausschauend geltenden israelischen Geheimdienste den Angriff nicht erahnt haben, ist derzeit Gegenstand der Debatte im Land.
Brigadegeneral plädiert für umfangreiche Bodenoffensive gegen Hamas
Offen ist nun, wie Israel auf die terroristische Attacke mit mehreren hundert Toten reagieren wird. Eine groß angelegte Mobilisierung der Armee einschließlich Reservisten ist bereits angelaufen. Sie soll den Gazastreifen abriegeln. Offen bleibt, wie nun Ägypten seine Grenze zu Gaza sichern wird. Seit 2014 besteht dort ein Sicherheitsstreifen, um den Schmuggel von Waffen und Terrorkämpfern zu unterbinden. Im Jahr 2021 hat man jedoch den Übergang Rafah teilweise geöffnet.
Gegenüber der israelischen Epoch Times hat der israelische Brigadegeneral Amir Avivi dafür plädiert, eine breit angelegte Bodenoffensive in Gaza in Angriff zu nehmen:
Es gibt keine andere Wahl, als Gaza zu besetzen, eine Militärregierung einzusetzen und den Ort von Terroristen und Infrastruktur zu säubern.“
Israel könnte die Hamas-Terroristen direkt bekämpfen und ihre Fähigkeit zur Durchführung von Angriffen auf Israel einschränken. Eine Bodenoffensive könnte auch dazu beitragen, das Raketenarsenal der Hamas zu zerstören und den Bau von Tunneln zu unterbinden. Außerdem wäre es Israel möglich, die Hamas-Führung zu schwächen und ihre Fähigkeit zur Durchführung von Angriffen zu beeinträchtigen.
Jerusalem wird Kosten und Nutzen abwägen
Ob Israel das Risiko einer groß angelegten Bodenoffensive in Gaza auf sich nehmen wird, ist trotz der besonderen Brutalität des derzeitigen Terrorkrieges der Hamas allerdings fraglich. Neben den militärischen Risiken würde eine Militäradministration dort über längere Zeit personelle und finanzielle Kräfte binden.
Darüber hinaus ist sich die Regierung in Jerusalem der propagandistischen Macht bewusst, die Hamas und andere Palästinenserorganisationen weltweit politisch und medial projizieren können. Nicht nur in arabischen oder mehrheitlich islamischen Staaten, auch in linken und ultrarechten Kreisen im Westen können die Terroristen auf Multiplikatoren zählen. Sie verbreiten entweder aufgrund von Informationsdefiziten oder aus ideologischer Überzeugung das palästinensische Opfernarrativ – und reproduzieren Tropen des „antizionistischen“ Antisemitismus.
Eine massive Bodenoffensive, bei der sich zahlreiche zivile Opfer nicht vermeiden ließen, würde mit Fortdauer der Zeit dieser Propaganda in die Hände spielen. Israel ist zwar mittlerweile weniger darauf bedacht, die öffentliche Meinung in westlichen Staaten auf Kosten eigener Sicherheitsinteressen zu besänftigen.
Israel will langfristige Normalisierungsprozesse in der Region nicht wegen Hamas gefährden
Jerusalem legt jedoch erheblichen Wert darauf, langfristig günstige diplomatische Prozesse in der Region nicht zu gefährden. Dazu gehören bereits bestehende Beziehungen zu vormals verfeindeten arabischen Staaten, aber auch angestrebte Normalisierungen wie jene mit Saudi-Arabien oder Kuwait. Diese würden Israel auch helfen, den Iran als gefährlichsten Akteur in der Region in Schach zu halten.
Dieses Ziel dürfte das Kabinett Netanjahu nicht einem kurzfristigen harten Vergeltungsschlag gegen die Hamas opfern wollen. Auch wenn dies bedeuten könnte, dass eine nicht nachhaltig ausgeschaltete Terrororganisation sich zeitnah wieder erholen könnte. Allerdings ist Israel an die permanente Gefahr von Terrorismus und Aggressionen mittlerweile in so hohem Maße gewöhnt, dass man taktisch sehr genau abwägt.
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