NEWSTICKER Nordsyrien: Türkei setzt Angriff fort – UNHCR fürchtet neue Fluchtbewegungen

In der Nacht setzte das türkische Militär seinen Angriff fort. Es wird von 15 Toten gesprochen. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen warnt vor einer neuen Flüchtlingswelle.
Epoch Times9. Oktober 2019

10:00 Uhr: Türkei setzt ihren Angriff fort

Das türkische Militär hat in der Nacht seinen Angriff gegen Kurdenmilizen fortgesetzt. Das Verteidigungsministerium Ankaras twitterte: „die heldenhaften Soldaten“ rückten mit der „Operation Friedensquelle“ im Osten des Flusses Euphrat weiter vor.

Bisher ist bekannt, das mindestens 15 Menschen ums Leben kamen, darunter sind acht zivile Opfer und zwei Kinder. Der Angriff stößt international auf scharfe Kritik, die Regierungen fordern das sofortige Ende.

08:54 Uhr: UNHCR warnt vor neuer Fluchtbewegung

Nach Beginn der türkischen Invasion in Nordsyrien hat das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) vor neuen Fluchtbewegungen gewarnt. „Wir fürchten, dass erneute Kampfhandlungen zu neuen Fluchtbewegungen und neuer Vertreibung innerhalb Syriens führen werden“, sagte der UNHCR-Repräsentant in Deutschland, Dominik Bartsch, der „Welt“ (Donnerstagsausgabe). Die Ressourcen der humanitären Akteure in und um Syrien seien „im neunten Kriegsjahr längst am Limit“, so Bartsch weiter.

Der Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, Johannes Varwick, kritisierte die bisherige „westliche Passivität“. „Wenn nun die Kurden im Zuge der türkischen Invasion aus Nordsyrien vertrieben werden, dann löst das gewiss eine neue Flüchtlingskrise aus, die die Region weiter destabilisiert“, sagte Varwick der „Welt“. Davon werde sich Deutschland und Europa „nicht abschotten können“. (dts)

Mittwoch, 9.10.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Beginn eines neuen Militäreinsatzes gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Nordsyrien verkündet. Die „Operation Friedensquelle“ gegen die YPG und die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) habe begonnen, schrieb Erdogan am Mittwoch im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Sie solle den „Terrorkorridor“ an der türkischen Grenze beseitigen und Frieden und Ruhe schaffen.

Zudem solle bei dem gemeinsamen Einsatz mit der Syrischen Nationalarmee eine „Sicherheitszone“ geschaffen werden, um die Rückkehr syrischer Flüchtlinge zu erleichtern, schrieb Erdogan. Die Syrische Nationalarmee ist der neue Name eines Zusammenschlusses von syrischen Rebellengruppen, die an der Seite der türkischen Streitkräfte kämpfen. Die Schaffung der „Sicherheitszone“ war im August mit den USA vereinbart worden.

19:40 Uhr: Trump nennt türkischen Einmarsch in erster Reaktion eine „schlechte Idee“

US-Präsident Donald Trump hat den Einmarsch der Türkei in Nordsyrien kritisiert. „Die Vereinigten Staaten befürworten diesen Angriff nicht und haben der Türkei deutlich gemacht, dass diese Operation eine schlechte Idee ist“, teilte Trump mit. Er verteidigte erneut seine Entscheidung, US-Truppen aus dem syrischen Grenzgebiet zur Türkei abgezogen zu haben.

Wann und in welchem Umfang die USA wirtschaftliche Strafmaßnahmen wegen des Einmarsches gegen die Türkei verhängen werden, war noch nicht zu erfahren.

18:15 Uhr: Syrische Kurden melden zwei zivile Tote bei türkischen Angriffen

Bei der türkischen Offensive in Nordsyrien sind nach Angaben der syrischen Kurden mindestens zwei Zivilisten getötet worden. Die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) teilten am Mittwoch mit, bei Angriffen auf das Dorf Mischarrafa seien zwei Zivilisten getötet und zwei weitere verletzt worden. Auch in den Städten Tal Abjad, Ras al-Ain, Kamischli und Ain Issa habe es „intensive Bombenangriffe“ auf militärische Stellungen und zivile Siedlungen gegeben.

Die SDF sind ein Bündnis der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) mit kleineren arabischen Milizen. Ihren Angaben zufolge flogen mindestens 25 türkische Kampfflugzeuge über die Grenzregion. Die SDF riefen die USA und die internationale Koalition gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) auf, eine Flugverbotszone einzurichten. Wegen der Luftangriffe habe bereits eine Massenflucht aus der Grenzregion begonnen.

Tausende Zivilisten würden von der syrischen Grenzstadt Ras al-Ain nach Süden fliehen, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Aus dem Umland würden die Menschen zudem ins Zentrum von Tal Abjad fliehen, wo es noch keine Angriffe gab. Ein AFP-Reporter sah in Ras al-Ain Einwohner, die zu Fuß mit ihrem Gepäck vor den Angriffen flohen. Auch vollgepackte Autos und Motorräder verließen in langen Schlangen die Stadt.

Amnesty International forderte, sichere Fluchtmöglichkeiten für die Zivilisten aus dem Kampfgebiet zu schaffen. „Die Zivilisten im Nordosten Syriens haben bereits unter einer Reihe von Militäroffensiven, wiederholten Vertreibungen und schrecklichen Lebensbedingungen gelitten“, mahnte die Menschenrechtsgruppe. Die Türkei stehe rechtlich in der Pflicht, alle „möglichen Maßnahmen zum Schutz der Zivilisten“ zu ergreifen.

Das türkische Verteidigungsministerium versicherte, die neue Offensive gegen die YPG richte sich ausschließlich gegen die Stellungen, Waffen und Fahrzeuge der „Terroristen“. Die Armee werde alle „notwendige Aufmerksamkeit“ zeigen, um zu verhindern, dass unschuldige Zivilisten, „historische, kulturelle oder religiöse Strukturen“ sowie „Elemente befreundeter oder verbündeter Staaten“ in der Region zu Schaden kommen, hieß es.

UN-Sicherheitsrat

Der UN-Sicherheitsrat kommt am Donnerstag zu einer Sondersitzung wegen der türkischen Offensive in Nordsyrien zusammen. Dies teilten Diplomaten am Mittwoch am Sitz der Vereinten Nationen in New York mit. Frankreich hatte die Dringlichkeitssitzung beantragt.

Die syrische Stadt Tal Abyad wurde von türkischen Flugzeugen bombardiert. Foto: BULENT KILIC/AFP via Getty Images

17:50 Uhr: Generalsekretär Stoltenberg reagiert auf türkische Offensive

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat von der Türkei gefordert, mit ihrem Militäreinsatz in Nordsyrien vergangene Erfolge gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat nicht zu gefährden. Er zähle deshalb darauf, „dass die Türkei mit Zurückhaltung handelt“, schrieb der Norweger am Mittwoch im Kurzbotschaftendienst Twitter. Er werde das Thema am Freitag mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan besprechen.

Das Nato-Mitglied Türkei hatte am Mittwoch zusammen mit der Syrischen Nationalarmee eine Militäroffensive gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Nordsyrien gestartet, nachdem die US-Streitkräfte dort das Feld geräumt hatten.

Stoltenberg wird am Freitag zu einem Besuch in Istanbul erwartet, wo er türkische Regierungsvertreter treffen will.

16:50 Uhr: Deutschland verurteilt türkische Offensive

Deutschland verurteilt die türkische Offensive im Nordosten Syriens „auf das Schärfste“. Das sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) wörtlich am Mittwochnachmittag. „Die Türkei nimmt damit in Kauf, die Region weiter zu destabilisieren und riskiert ein Wiedererstarken des IS.“

Das vom Krieg der letzten acht Jahre schwer getroffene Syrien brauche stattdessen Stabilität und einen politischen Prozess, an dessen Anfang die Einberufung des Verfassungskomitees in Kürze stehe. „Die türkische Offensive droht nun jedoch eine weitere humanitäre Katastrophe sowie neue Fluchtbewegungen zu verursachen. Wir rufen die Türkei dazu auf, ihre Offensive zu beenden und ihre Sicherheitsinteressen auf friedlichem Weg zu verfolgen“, sagte Maas.

Der türkische Präsident Erdogan hatte am Mittag den Start der Operation „Friedensfrühling“ verkündet. Gleichzeitig soll ein türkisches Kampfflugzeug eine kurdische Stellung bombardiert haben. Der Schritt war seit Tagen erwartet und schon vorab international kritisiert worden

16:30 Uhr: Juncker fordert Beendigung der türkischen Offensive

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die Türkei aufgefordert, den Militäreinsatz gegen kurdische Milizen in Nordsyrien zu stoppen. „Ich fordere die Türkei und andere Akteure auf, mit Zurückhaltung zu handeln und den bereits gestarteten Einsatz zu stoppen“, sagte der Luxemburger am Mittwoch im Brüsseler EU-Parlament. Sollten die Pläne der Türkei die Einrichtung einer „Sicherheitszone“ beinhalten, werde die EU sich daran finanziell nicht beteiligen.

Türkei setzt syrische Rebellengruppen aus der „Freien syrischen Armee“ gegen die Kurden ein

An der neuen Offensive der Türkei gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Nordsyrien sollen auch tausende syrische Milizionäre teilnehmen. Ein Sprecher der Brigade Anwar al-Hak sagte am Mittwoch, an der ersten Phase der Offensive sollten sich 18.000 Kämpfer beteiligen. Tausende Kämpfer der Syrischen Nationalarmee warteten in der türkischen Grenzstadt Akcakale in einem früheren Flüchtlingslager auf ihren Einsatz.

Wie der Sprecher Abdelrahman Ghasi Dadeh vor Reportern sagte, würden 8000 Kämpfer die gegenüber von Akcakale gelegene syrische Grenzstadt Tal Abjad angreifen, während 10.000 weitere die weiter östlich gelegene Stadt Ras al-Ain attackieren würde. Eine nicht genannte Zahl von Kämpfern sollte demnach für einen späteren Angriff auf die Stadt Kobane mobilisiert werden. Alle drei Städte werden bisher von der YPG-Miliz kontrolliert.

Die Syrische Nationalarmee ist ein Zusammenschluss von syrischen Rebellengruppen, die bisher unter dem Namen Freie Syrische Armee (FSA) bekannt waren. Sie waren auch an den beiden vorherigen türkischen Militäreinsätzen gegen die YPG in Nordsyrien 2016 und 2018 beteiligt. Bei dem Einsatz in der nordsyrischen Region Afrin wurden ihr zahlreiche Plünderungen und andere Übergriffe auf die Zivilbevölkerung vorgeworfen.

16:20 Uhr: Türkische Luftwaffe bombardiert sytische Grenzorte

Die türkische Luftwaffe hat im Rahmen einer Militäroffensive Luftschläge in syrischen Grenzorten durchgeführt. Türkische Kampfjets beschossen die Grenzstadt Ras al-Ain, wie die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana und der türkische Sender CNN Türk übereinstimmend berichten.

Die Medienaktivisten des Informationszentrums Rojava meldeten, auch die Grenzstadt Tall Abjad werde beschossen. Einwohner sagten der Deutschen Presse-Agentur, die Stadt sei fast menschenleer, weil die meisten Zivilisten sie verlassen hätten. Dafür seien viele Kämpfer dort

Damaskus warnt Türkei vor Einmarsch in Nordsyrien – Kurden bitten Moskau um Vermittlung

Damaskus will bei einem türkischen Einmarsch in Nordsyrien zurückschlagen. Dies kündigte das syrische Außenministerium am Mittwoch in einer von der amtlichen Nachrichtenagentur Sana verbreiteten Erklärung an. Zudem verurteilte es die „kriegerischen Erklärungen, feindlichen Absichten und das Zusammenziehen von Truppen“ an der Grenze. Das Vorgehen der türkischen Regierung zeige deren „expansionistische Ambitionen“.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan versicherte dem russischen Staatschef Wladimir Putin dagegen in einem Telefonat, die türkischen Truppen würden für „Frieden und Stabilität“ sorgen. Dies werde den Weg zu einer „politischen Lösung“ des Syrien-Konflikts ebnen, erklärte ein Sprecher Erdogans. Ankara hatte am Dienstag mitgeteilt, die Offensive werde „in Kürze“ beginnen, und verlegte weitere Militärfahrzeuge an die Grenze.

Die syrischen Kurden riefen Moskau unterdessen auf, einen Dialog mit der Regierung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad zu ermöglichen. Sie hoffe, „dass Russland die Rolle des Unterstützers und Garanten“ übernehmen werde, erklärte die halbautonome Verwaltung der syrischen Kurden. Moskau unterstützt Damaskus im Bürgerkrieg auch militärisch. Seit 2011 wurden in dem Konflikt mehr als 370.000 Menschen getötet.

Der Nordosten Syriens wird seit Jahren von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und der YPG-Miliz als ihrem militärischen Arm kontrolliert. Die Türkei betrachtet die Präsenz der Kurdenmiliz an ihrer Grenze als Bedrohung, da sie eng mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbunden ist. Seit 2016 ging Ankara bereits zwei Mal gegen die YPG vor. (afp/dpa/dts)



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