Nur vier Tage in der Woche arbeiten? Frankreich probiert es aus
Frankreich will in der öffentlichen Verwaltung die Einführung einer verkürzten Arbeitswoche ausprobieren.
Die Vier-Tage-Woche darf laut Gabriel Attal, dem französischen Minister für öffentliche Finanzen, ein Jahr lang von Angestellten der Behörde für die Erhebung von Sozialabgaben in der nördlichen Picardie getestet werden, berichtete die Zeitung „L’Opinion“.
Die 35-Stunden-Woche in vier Tagen (…) das kann weniger Zeit in den Verkehrsmitteln, weniger Stress und letztlich mehr Wohlbefinden bei der Arbeit sein“, zitierte die Zeitung den 33-jährigen Attal am 31. Januar.
Viele Menschen wünschten sich außerdem mehr Freiheit in der Organisation ihrer Arbeit, sagte er weiter. Attal zufolge gibt es in der freien Wirtschaft in Frankreich bereits etwa 10.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eine verkürzte Arbeitswoche testen. In Frankreich liegt die wöchentliche Regelarbeitszeit bei 35 Stunden.
Arbeitszeitverkürzung in Island: Produktivität bleibt stabil
Befristete Testphasen gab es mittlerweile in vielen Ländern. So hat die spanische Regierung im Jahr 2021 zum Beispiel Anreize für Unternehmen geschaffen, auf das Modell umzusteigen. Auch Belgien führte im November letzten Jahres die Vier-Tage-Woche ein. Dort können die Beschäftigten ihre Arbeitszeit auf vier Tage komprimieren. Bei Arbeitszeitkürzungen gibt es aber Gehaltsabzug.
Auch Island startete einen Versuch mit Arbeitszeitverkürzung. Dort haben vier Jahre lang 2.500 Beschäftigte aus über 100 Unternehmen statt 40 im Schnitt nur 35 oder 36 Stunden in der Woche gearbeitet und das bei vollem Lohn.
Im öffentlichen Dienst soll der Versuch einen „überwältigenden Erfolg“ dargestellt haben, wie die Zeitung „pressenza“ berichtete. Die Mitarbeiter waren nicht nur glücklicher und gesünder, zudem stellte man nach einer Auswertung auch fest, dass es sich sogar wirtschaftlich gerechnet hatte.
So sei die Produktivität und Leistungserbringung der Versuchsteilnehmer bei verkürzter Arbeitszeit und gleichbleibender Bezahlung stabil geblieben oder habe sich sogar erhöht.
Trotzdem ist es noch gar nicht so lange her, seitdem die Fünf-Tage-Woche mit 40 Stunden festgelegt wurde. Noch im 20. Jahrhundert galt die Regel, dass Arbeiter sechs Tage in der Woche arbeiten mussten. In den 1960er-Jahren wurde das Arbeitsmodell dann auf 40 Stunden beziehungsweise fünf Tage reduziert, um die Mitarbeiter zu entlasten.
Gesetzliche Höchstarbeitszeit darf nicht überschritten werden
Auch andere Länder führten in den letzten Jahren verkürzte Arbeitszeiten oder die Vier-Tage-Woche ein. Mal als Testphase, mal hat sich das Arbeitsmodell auch etabliert. Die Erfahrungen dazu sind unterschiedlich.
Die Vier-Tage-Woche bedeutet in erster Linie nicht immer, dass weniger gearbeitet wird. Sie sagt nur aus, dass die Anzahl der Arbeitstage trotz Vollzeitposition von fünf auf vier reduziert wird.
Wie die Arbeitsstunden konkret ausfallen, hängt vom Unternehmen ab. So kann es also sein, dass die Regelarbeitszeit von 40 Stunden erhalten bleibt, aber auf vier Tage komprimiert werden kann. Was dann natürlich zehn Stunden Arbeitszeit pro Tag bedeuten würde.
Möglich ist die Vier-Tage-Woche grundsätzlich in allen Ländern. Voraussetzung dafür ist, dass die gesetzlich vorgeschriebene Tageshöchstarbeitszeit des jeweiligen Landes nicht überschritten wird. Die ist aber in jedem Land unterschiedlich.
In Deutschland liegt die gesetzliche Höchstarbeitszeit zum Beispiel bei zehn Stunden pro Tag, während sie in Österreich bei zwölf Stunden und in der Schweiz sogar bei 14 Stunden liegt.
Tendenz: Beschäftigte verlieren Bindung zu ihrem Job
Unabhängig welches Land es betrifft, ist es auffallend, dass viele Mitarbeiter vor allem positiv über die Vier-Tage-Woche berichten. In den meisten Fällen bezieht sich dies aber auf eine Kombination mit gleichzeitiger Reduzierung der Arbeitsstunden.
Wie eine Untersuchung vom Haftpflichtverband der Deutschen Industrie ergab, streben besonders junge Berufstätige in Deutschland nach mehr Freiräumen im Beruf und wollen mitbestimmen, wo, wann und wie lange sie arbeiten.
Der Wunsch nach der Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich stellt dabei die erste Wahl dar. In der Industrie sei der Prozentsatz mit 86 Prozent besonders hoch. Sogar jeder Vierte würde in dieser Branche dafür Lohneinbußen in Kauf nehmen.
Wohin diese Entwicklung aber auch langfristig führen könnte, ist bereits in Ansätzen erkennbar. Auffällig ist, dass die Beschäftigten zu ihrem Job und zum Unternehmen mehr und mehr die Bindung verlieren. Im Vordergrund steht besonders unter den Jüngeren der Wunsch nach einer verbesserten Work-Life-Balance.
Wie der Haftpflichtverband der Deutschen Industrie (HDI) herausfand, war für 69 Prozent der Berufstätigen unter 25 Jahren im Jahr 2020 „ein Leben ohne Beruf nicht vorstellbar“. Jetzt sind es nur noch 58 Prozent. Das würde bedeuten, dass vier von zehn sich sehr wohl vorstellen könnten, ohne einen Beruf zu leben.
Aber auch unabhängig vom Alter würden 56 Prozent der Befragten „so schnell wie möglich“ mit dem Arbeiten aufhören, wenn sie „es finanziell nicht mehr nötig“ hätten. Das ist über ein Drittel mehr als in einer früheren HDI-Studie von 2019.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion