Österreich: Protest gegen ORF-Gesetz – Printmedien erscheinen mit leeren Titelblättern

In Österreich soll eine Gesetzesnovelle dem ORF eine bessere finanzielle Ausstattung sichern. Private Printmedien sehen sich dadurch benachteiligt.
ORF oe24
Screenshot: Das Medium „oe24“ lanciert eine Online-Petition gegen die Neufassung der Finanzierung des ORF.Foto: Screenshot von oe24.at
Von 4. Mai 2023

Die geplante Neufassung des Gesetzes über die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ORF sorgt in Österreich für Spannungen. Eine Seite beklagt, dass es zu dessen Finanzierung künftig eine Haushaltsabgabe geben soll, deren Eintreibung man durch weitreichende Ermächtigungen absichere. Die andere – auf der man vor allem private Printmedien sieht – spricht von Privilegien für den ORF zulasten anderer „Qualitätsmedien“.

Aus diesem Grund erschienen am Donnerstag, 4. Mai, mehrere österreichische Tageszeitungen mit weißen Titelseiten. In einem offenen Brief warnen Zeitungsverleger vor einem „drohenden Meinungsmonopol“. Sie fordern eine Überarbeitung des geplanten ORF-Gesetzes im Sinne eines „fairen Interessensausgleichs“ und der „Medienvielfalt“.

ORF soll mehr Mittel für digitalen Ausbau erhalten

Die von der schwarz-grünen Regierung geplante Neuregelung des ORF-Gesetzes soll ab 1.1.2024 in Kraft treten. Derzeit bezahlen Haushalte monatlich 22,45 Euro an Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dazu kommen künftig nicht mehr vorgesehene Landes- und Bundesabgaben. Schon jetzt macht nicht mehr jedes Bundesland von seiner Ermächtigung zur Vorschreibung von Landesabgaben Gebrauch.

Künftig wird der ORF-Beitrag für alle Haushalte 15,30 Euro betragen. Für große Unternehmen kann die Gebühr auf das bis zu Hundertfache steigen. Auf diese Weise will man der Sendeanstalt Einnahmen in Höhe von 710 Millionen Euro sichern. Gleichzeitig will der Rundfunk bis 2026 insgesamt knapp 325 Millionen Euro an Personal- und Sachkosten einsparen. Derzeit arbeiten 3.000 Personen für den Sender und seine Landesstudios.

Die Mittel sollen dem ORF die Möglichkeit sichern, sein digitales Angebot auszubauen. Intendant Roland Weißmann will damit auch mehr junges Publikum ansprechen. Medienanalysen zeigen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk hauptsächlich ältere Seher und Hörer anspricht.

„oe24“ hat Petition gegen Zwangsgebühren für ORF gestartet

Zur Einbringung der Gebühren ist das gegenüber dem Finanzminister weisungsgebundene Inkassounternehmen GIS zuständig. Künftig soll an dessen Stelle die ORF-Beitrags-Service-GmbH treten. Diese soll für ihre Dienste einem Bericht des „Exxpress“ zufolge mit 16 Millionen Euro entlohnt werden.

Machen „Kunden“ dem Gebühreninkasso gegenüber falsche Angaben oder verweigern sie die Zahlung des Beitrags, drohen Bußgelder von bis zu 2.180 Euro. Für verspätete Zahlungen droht ein Säumniszuschlag von zehn Prozent der ausstehenden Summe. Im äußersten Fall müssen sich Gebührenverweigerer auf einen mehrwöchigen Gefängnisaufenthalt einstellen.

Der Chefredakteur der Plattform „oe24“, Wolfgang Fellner, findet harte Worte für die geplante Novelle:

Wie in den übelsten Diktaturen müssen die ÖsterreicherInnen künftig Zwangssteuer für ein Staats-Fernsehen zahlen, das in Wahrheit nur einen Zweck hat: Mit einer Überdosis einseitiger News und Interviews dieser türkis-grünen Regierung (die den ORF in allen Stiftungsräten, Positionen, Landesstudios dominiert und dirigiert) die nächste Wiederwahl zu retten und die Opposition kleinzuhalten.“

Das Medium hat mittlerweile eine Online-Petition „Für einen neuen ORF ohne Zwangssteuer“ ins Leben gerufen.

Inseratenaffäre zeigte Abhängigkeiten von Printmedien auf

Die privaten Verlage verweisen darauf, dass sie vor der Aufgabe gestanden hätten, in Eigenregie und ohne verpflichtende Gebühren ihre digitalen Angebote auf- und auszubauen. Tatsächlich gibt es ein System der Presseförderung in Österreich, das allerdings ein deutlich geringeres Volumen aufweist. Noch 2021 machte diese weniger als zehn Millionen Euro insgesamt aus.

Neben „qualitativen Mechanismen“, die es dort zu beachten gilt, sind die Mittel zum Teil zweckgebunden. Es gibt beispielsweise Geld für die Journalistenausbildung, für Korrespondentenbüros oder den Presserat. Einige Zeitungen, darunter häufig solche, die sich dem „Qualitätsjournalismus“ verschrieben haben, verdanken ihr Überleben den Mitteln aus der Presseförderung.

Mindestens ebenso bedeutend für das Überleben österreichischer Tageszeitungen waren bis zuletzt jedoch Inserate öffentlicher Einrichtungen. Darunter fallen jene der Bundesregierung ebenso wie solche von Ministerien, Bundesländern oder Selbstverwaltungsträger wie der Arbeiterkammer oder Wirtschaftskammer. Dieses System war ins Gerede gekommen, seit Chatprotokolle aus dem Umfeld des früheren Bundeskanzlers Sebastian Kurz den Verdacht politischen Missbrauchs erweckt hatten.

„Qualitätsmedien“ beklagen Gießkannenprinzip in der Ära Kurz

Gleichzeitig hatte das Kabinett Kurz II in der Corona-Zeit unter dem Banner der „Digitalisierungsförderung“ ein Förderpaket von jährlich 20 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Anders als im Fall der regulären Presseförderung kamen jedoch auch große Boulevardformate in den Genuss der Zuwendungen. Das hat zu Unmut unter den notorisch klammen „Qualitätsmedien“ geführt.

Insgesamt plant die Regierung ein Medienpaket, das auf mehreren Säulen steht. Das ORF-Gesetz ist nur eine davon. Als Konsequenz der Inseratenaffäre soll es künftig eine Meldung aller Einschaltungen und Medienkooperationen der öffentlichen Hand an die Rundfunkaufsicht RTR geben. Für Kampagnen ab 150.000 Euro ist ein Transparenzbericht, für Kampagnen ab einer Million Euro zusätzlich eine Wirkungsanalyse vorzulegen.

Allerdings soll es auch eine explizite „Qualitätsjournalismusförderung“ in Höhe von jährlich 20 Millionen Euro für Print- und Onlinemedien geben. Zu den Kriterien dafür sollen unter anderem die Anbindung an Tarifverträge oder die Anzahl an Auslandskorrespondenten zählen. Zudem soll es Fördermittel geben für Frauenförderpläne, Aus- und Weiterbildung, regionale Berichterstattung oder Medienkompetenzförderung.

System der Rundfunkgebühren an deutsches angeglichen

Vor allem im Bereich des ORF-Gesetzes gleicht Österreich sein System der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weiter dem bestehenden deutschen an. Die Ausstattung von ARD, ZDF und „Deutschlandradio“ ist mit im Jahr 2021 mehr als 8,4 Milliarden Euro deutlich höher als jene in Österreich – auch pro Kopf.

Dafür gibt es in Deutschland keine direkte Presseförderung. Allerdings sind Maßnahmen vorgesehen, wie die teilweise oder vollständige Rückvergütung von Ausgaben für den Zeitungsversand („Vertriebsförderung“).

In Österreich gehen außerdem noch insgesamt etwa 25 Millionen Euro Fördergelder an private und nicht kommerzielle Rundfunkeinrichtungen.



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