Orbán: „Ukraine-Krieg wird Ende der westlichen Vormacht nach sich ziehen“

In einem Interview zeichnet Ungarns Premierminister Viktor Orbán ein düsteres Bild über die Erfolgsaussichten europäischer Weltgeltungsambitionen. Der Ukraine-Krieg werde die globale Vormachtstellung des Westens beenden, es werde neue Einflusszentren geben.
Viktor Orban hat immer wieder scharfe Attacken gegen die «Bürokraten in Brüssel» geritten, sich aber mit Austrittsdrohungen bislang zurückgehalten.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban.Foto: Anna Szilagyi/AP/dpa
Von 22. August 2022


In einem Interview mit der Druckausgabe von „Tichys Einblick“ (9/22) hat sich Ungarns Premierminister Viktor Orbán über die Konsequenzen des Krieges in der Ukraine für die westliche Welt geäußert. Vor allem für die globalen Geltungsambitionen der Europäischen Union werde dieser nach seiner Überzeugung äußerst ungünstige Auswirkungen haben. Die russische Militäroperation und die Sanktionspolitik, die Brüssel als Reaktion darauf gegen die Russische Föderation verhängt hat, könnten das Ende der westlichen Vormachtstellung in der Welt bedeuten.

Ukraine-Krieg stärkt nicht-westliche Schwellenländer

Der globale Westen im Allgemeinen und die EU hätten sich hinsichtlich der Wirkungsmacht ihrer Konfrontationspolitik verschätzt, deutet Orbán an. Die EU werde schwächer und weniger einflussreich aus dem Krieg hervorgehen, als sie vor dem Beginn der russischen Militäroffensive war.

Es sei „durchaus wahrscheinlich, dass dieser Krieg auf sehr demonstrative Weise die westliche Vormachtstellung zu einem Ende bringen wird“. Die Welt werde in einer Weise neu geordnet werden, die vor allem Länder stärkt, die jetzt bereits von den Folgewirkungen des Krieges profitieren.

Orbán: „Westliche Länder haben sich verkalkuliert“

Der Westen habe seine durch den Krieg eskalierte Politik eines radikalen Bruchs mit Russland in vielerlei Hinsicht falsch eingeschätzt, so Orbán:

„Erstens kann der Westen den Ukraine-Krieg militärisch nicht gewinnen. Dann haben die Sanktionen Russland in keiner Weise destabilisiert. Drittens ist der Schaden durch die Sanktionen für Europa immens. Viertens hat sich die Welt nicht hinter den Vereinigten Staaten und der Ukraine eingereiht.“

Vielmehr habe ein wesentlicher Teil der Welt dies demonstrativ nicht getan. Dazu zählten nicht nur wirtschaftliche Player wie das KP-Regime in China, sondern auch Indien, Brasilien, Südafrika, die meisten anderen afrikanischen Länder und die arabische Welt.

Orbáns Aufzählung ist dabei nicht einmal vollständig. Selbst NATO-Partner wie die Türkei haben sich nicht an Wirtschaftssanktionen gegen Russland beteiligt. Darüber hinaus sind mehrere lateinamerikanische Länder, die sich zuvor an den USA orientiert hatten, nach links gerutscht. Auch von ihnen ist kaum zu erwarten, dass sie aus Rücksicht auf Washington ihre Beziehungen zu Moskau abbrechen werden.

Im Westen profitieren nur große Energiekonzerne

Wie alle Länder, die über eine Vielzahl an eigenen Rohstoffen verfügten, sei auch Russland selbst ein Profiteur der Entwicklung. Die Gasimporte der EU aus Russland hätten sich um ein Viertel verringert – was sich vor allem auf die Preise für Europas Wirtschaft und die Verbraucher auswirke. Die Einkünfte der Gazprom hätten sich derweil verdoppelt.

Auch Chinas KP-Regime gehöre zu den Gewinnern. Mit der Aussicht auf zusätzliche Energie-Lieferkapazitäten aus Russland sinke die zuvor erhebliche Abhängigkeit von den arabischen Ländern. Immerhin gäbe es im Westen aber zumindest eine Branche, die profitiere – die der großen US-amerikanischen Energiekonzerne.

Die Gewinne von Unternehmensgruppen wie ExxonMobil, Chevron und Conoco Phillips hätten sich infolge der Preisexplosionen vervielfacht, ebenso die des britischen Konzerns BP.


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