Papst-Besuch in Irland – überschattet von massivem Kindesmissbrauch

Irland ist von einer Serie von Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche und ihren Einrichtungen erschüttert worden. Zu dem institutionell betriebenen Missbrauch gehörten auch der sexuelle Missbrauch von Kindern und die erzwungene Trennung unverheirateter Frauen von ihren Babys.
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Der Kindesmissbrauch wird für die Kirche zum Problem.Foto: Charles McQuillan/Getty Images
Epoch Times23. August 2018

Es sind gemischte Gefühle, mit denen Papst Franziskus am Wochenende in Irland empfangen wird. Seit fast 40 Jahren kam kein katholisches Kirchenoberhaupt mehr in das Land, in dem in den vergangenen Jahrzehnten massiv Kinder und Frauen von Priestern und Ordensschwestern missbraucht wurden. Beim Besuch des Argentiniers soll das Thema Familie im Mittelpunkt stehen, bekräftigt der Vatikan vor der zweitägigen Reise, die am Samstag beginnt. Doch um das Thema Missbrauch wird der Pontifex während des Weltfamilientreffens nicht herumkommen.

Viele Iren kritisieren, dass die Kirche in den vergangenen Jahren die Missbrauchsskandale im Land nicht konsequent verfolgt habe. Im Gegenteil: Sie werfen dem Vatikan sogar Verschleierung vor. Wenige Tage vor dem Besuch entschließt sich der Papst zu einem ungewöhnlichen Zug und richtet ein ausführliches Schreiben an das „Volk Gottes“, die 1,3 Milliarden Katholiken in aller Welt. Darin räumt er ein, was die Kritiker sagen: dass die Kirche die Opfer lange ignoriert hat.

In Irland hat die Kirche viel Glaubwürdigkeit verspielt. „Der Papst kann unmöglich hierherkommen und all das ignorieren“, sagt Marie Collins der Deutschen Presse-Agentur. Die Irin war selbst Missbrauchsopfer und bis vergangenes Jahr Mitglied der Päpstlichen Kinderschutzkommission. Ihr Austritt war ein herber Rückschlag für den Papst im Kampf gegen Kindesmissbrauch: Als Grund nannte Collins „Frustration“ über die mangelnde Kooperation der Behörden der römischen Kurie mit dem Gremium.

Es gebe viele Menschen, die sich auf den Besuch des Papstes freuen, sagt Collins. Aber es gebe auch eine Menge Wut, die sich gegen die Kirche als Institution, weniger gegen Franziskus persönlich richte. „Er hat die richtigen Dinge gesagt, er hat die richtige Haltung gezeigt“, sagt Collins. „Aber bislang ist das einzige, was passiert, wenn einem Bischof oder einem Kirchenoberen Kindesmissbrauch nachgewiesen wird, dass er zum Rücktritt aufgefordert wird.“ Der Papst müsse etwas weit Konkreteres tun als das. „Er muss diese Männer zur Verantwortung ziehen. Er muss ein System einsetzen, das sie vor Gericht stellt“, fordert Collins. Indem die Kirche versucht habe, ihre Reputation zu schützen, habe sie diese zerstört.

Auch Erzbischof Diarmuid Martin als Gastgeber wünscht sich, dass Papst Franziskus klare Worte bei seinem Besuch spricht und sich mit Opfern trifft. Eine Begegnung mit Betroffenen ist vorgesehen, bestätigte der Vatikan am Dienstag. Martin sagt, das Thema sei nicht Kirchengeschichte, sondern bewege die Iren noch heute – und weitere Skandale würden aufgedeckt wie etwa die schlechte Behandlung von „gefallenen Frauen“, wie uneheliche Mütter bezeichnet wurden, und Kindern in Heimen. „Die Wunden sind da, und es entstehen neue Wunden“, sagte der Erzbischof von Dublin in Interviews und Gottesdiensten.

Untersuchungsberichte hatten die jahrzehntelangen Missstände in Irland dokumentiert: den tausendfachen Missbrauch an Kindern durch Priester und Ordensschwestern ebenso wie die systematische Vertuschung der Straftaten. Auch Kardinal Seán Brady, damals Oberhaupt der katholischen Kirche in Irland, verschleierte Sexualdelikte von Priestern in Kinderheimen. Doch statt um Vergebung zu bitten, prangerte Brady 2010 von der Kanzel herunter einen Mangel an Toleranz des Volkes gegenüber sündigen Kirchenvertretern an.

Der Vatikan zeigte sich bestürzt und wies Vertuschungsvorwürfe zurück. Immer neue Fälle aus der dunklen Kirchengeschichte kamen ans Tageslicht – etwa die Missstände in den Magdalenen-Wäschereien. In den Betrieben ließen Nonnen und Priester viele uneheliche Mütter wie Sklavinnen schuften. Dort lebten zwischen 1922 und 1996 mehr als

10 000 Frauen.

Und Irland ist kein Einzelfall, wie die Missbrauchsskandale in Australien oder Chile sowie ein kürzlich veröffentlichter Bericht aus Pennsylvania zeigen. Demzufolge haben sich mehr als 300 Priester in den vergangenen 70 Jahren an Tausenden Kindern in dem US-Bundesstaat vergangen.

Während sich die Kirche schwer tut mit der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit, hat sich Irland von seinem erzkonservativen Image befreit. Erst im vergangenen Mai stimmten die Iren für eine Lockerung des extrem strengen Abtreibungsverbots. Selbst nach Vergewaltigung, Inzest oder bei einem kranken Fötus war ein Abbruch bisher untersagt. Tausende Frauen reisten für Abtreibungen ins Ausland. „Eine stille Revolution hat stattgefunden, ein großartiger Akt von Demokratie“, twitterte nach der Abstimmung Premierminister Leo Varadkar.

Der Regierungschef bekennt sich zu seiner Homosexualität. Irland hatte 2015 die Homo-Ehe eingeführt – als erstes Land der Welt per Volksentscheid. Noch bis 1993 stand Homosexualität dort unter Strafe.

Das Weltfamilientreffen (21.8. bis 26.8) als Forum für Christen und Familienverbände wird angesichts der Skandale kein Routinetermin für den Papst sein. Der Besuch komme zu einer Zeit, in der die Kirche „darum kämpft, einen neuen Platz in der irischen Gesellschaft und Kultur zu finden; einen, der sich von der dominanten Stellung der Vergangenheit unterscheidet“, so Erzbischof Martin vor Journalisten.

Die Veranstaltung findet alle drei Jahre an einem anderen Ort statt, dieses Mal mit Zehntausenden Teilnehmern aus mehr als 100 Ländern. Franziskus will an zwei Tagen ein „Fest der Familien“ in Dublin, eine Unterkunft für Obdachlose sowie das Wallfahrtsheiligtum Knock Shrine in Westirland besuchen. In Dublin ist seine Abschlussmesse geplant. (dpa)



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