Polizistenmord von Paris – Ehefrau: H. war vor der Tat „ruhelos“ und „hörte Stimmen“

Am Donnerstag starben fünf Menschen, darunter der Attentäter, in Paris bei einem Amoklauf in der Polizeipräfektur. Dass Attentäter Mickael H. vor 18 Monaten zum Islam konvertiert war, nährt Spekulationen über einen möglichen islamistisch motivierten Terrorakt. Allerdings weisen mehrere Aspekte auch auf Frust am Arbeitsplatz oder psychische Probleme hin.
Von 4. Oktober 2019

Einen Tag nach der Messerattacke eines 45-jährigen Polizeibeamten auf mehrere Kollegen in Paris rätselt Frankreich immer noch über deren Hintergründe. Bei dem Angriff tötete Mickael H., der verheiratet und Vater zweier Kinder im Alter von drei und neun Jahren war, am Donnerstag (3.10.) drei Männer und eine Frau, ehe er durch einen tödlichen Schuss von Kollegen gestoppt werden konnte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Der Vorfall ereignete sich im Polizeihauptquartier der Hauptstadt, wo der mutmaßliche Täter seit 2003 beschäftigt war. Medien gehen bislang davon aus, dass ein persönlicher Konflikt die Ursache für die Tat ist, der einen Bezug zum zwischenmenschlichen Klima am Arbeitsplatz hat. Allerdings will man zum jetzigen Zeitpunkt auch einen möglichen terroristischen Hintergrund nicht ausschließen. Der Fall weist einige Parallelen zum Amoklauf von Fort Hood im Jahre 2009, als der US-Armeepsychiater Hasan N. auf dem Stützpunkt in Texas 13 Menschen erschoss und mehr als 30 verletzte.

Wie die „Bild“ berichtete, arbeitete Mickael H., der aus Fort-de-France, der Hauptstadt des französischen Überseedepartments Martinique stammt, in der „Direction de renseignement“ der Polizeibehörde – dem Inlandsnachrichtendienst, der unter anderem mit der Beobachtung von extremistischen und terroristischen Gefahren betraut ist. H. habe dort Aufgaben im Bereich der EDV wahrgenommen.

Ehefrau: H. war vor der Tat „ruhelos“ und „hörte Stimmen“

Für Spekulationen sorgte der Umstand, dass Mickael H. vor 18 Monaten zum Islam konvertiert war. Auch seine Ehefrau ist Muslimin. Sie erklärt, H. sei in der Nacht vor der Tat „ruhelos“ gewesen und habe „Stimmen gehört“. Eine Durchsuchung seiner Wohnung habe bislang jedoch keine Hinweise auf eine Radikalisierung zutage gefördert oder auf einen terroristischen Beweggrund.

Auch sonst sei H. nie auffällig gewesen, habe sich auch nicht in radikaler Weise geäußert oder in regelmäßigen Überprüfungen, denen sich das Sicherheitspersonal auf dieser Ebene unterziehen muss, Anhaltspunkte für ein Risikopotenzial erkennen lassen. Dies unterstrich auch Innenminister Christophe Castaner in einer Pressekonferenz.

Hingegen weisen einige Umstände auch auf tiefsitzenden Frust ob der Zustände am Arbeitsplatz hin. H., der selbst infolge einer Gehörschädigung einen Behindertenstatus hat, hatte sich über Monate hinweg erfolglos um die Einstellung eines Taubstummenübersetzers bemüht. Eine solche wäre die Voraussetzung gewesen, um ihn befördern zu können. Neben Mitarbeitern der eigenen Abteilung seien auch Außenstehende wie eine Polizeibeamtin namens Aurélia unter den Opfern gewesen.

Bislang 50 Suizide im Polizeidienst seit Jahresbeginn

Auch Christophe Crépin von der Vereinigung „France Police – Polizisten in Wut“ geht von internen Konflikten im Apparat als Ursache des Amoklaufes aus. Erst am Mittwoch hatten nach Angaben der Polizeigewerkschaft Unité SGP Police etwa 27 000 Polizeibeamte in Paris in einem „Marsch der Wut“ für bessere Arbeitsbedingungen demonstriert. Dem Sender „Franceinfo“ habe es im Polizeidienst landesweit seit Jahresbeginn bereits 50 Selbstmorde gegeben.

Neben den angespannten Arbeitsbedingungen und einer möglichen psychischen Erkrankung gibt es aber auch einzelne Aspekte, die zumindest am Rande auf einen religiös aufgeladenen Konflikt hindeuten.

Die in Frankreich lebende Publizistin Eva-Maria Michels weist unter Berufung auf einen Bericht des Senders „Actu17“ darauf hin, dass H. von seiner Vorgesetzten, die ebenfalls unter den Todesopfern war, vorgeladen worden sei. Er sollte Rechenschaft ablegen, warum er Frauen den Handschlag verweigere.

H. habe in Gonesse gewohnt, einem Vorort, wo vor allem Menschen leben, die von den Antillen zugezogen seien. Isoliert sei er als Konvertit dort offenbar nicht gewesen. Der Islam spiele dort vielmehr eine immer stärkere Rolle. Michels erklärt auf Facebook:

„Die entwurzelte Bevölkerung der Antillen fühlt sich in den letzten Jahren mehr und mehr von den starren Regeln des Islam angezogen, während der liberale, ‚verständnisvolle‘ Katholizismus an Attraktivität verliert. Der Islam nutzt zudem die Ressentiments vieler Schwarzer gegen alles ‚Weiße‘ für sich.“

Islam als möglicher Bezugspunkt überbewertet?

Politikwissenschaftler Olivier Roy hingegen hält nicht nur im Zusammenhang mit Vorfällen mit persönlicher Beziehungsebene wie dem gegenständlichen, sondern selbst mit Terrorakten, die sich explizit auf eine religiös-extremistische Motivation berufen, die religiöse Komponente für überbewertet.

Roy vertritt im Wesentlichen die Auffassung, der Islam sei ein bloßes Branding, dessen sich ein Entfremdungs- und Radikalisierungsprozess bestimmter Personen bediene, der nicht religiös begonnen habe und der vor allem psychologisch zu erklären sei. Die Konsequenz dieser Einschätzung wäre, dass Debatten über den Islam selbst oder den Umgang mit Muslimen in westlichen Staaten fruchtlos wären, so sie das Ziel verfolgen, Radikalisierung und politischem Extremismus gegenzusteuern.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion