Prigoschin wirft Putin Fehleinschätzung der Lage vor – Internationale Reaktionen

Kommentatoren des Machtkampfes zwischen Moskau und der Söldnergruppe Wagner bewerten den Verlauf der nächsten Stunden als entscheidend für die derzeitige Krise. Einige Politiker, darunter Außenministerin Baerbock, versprechen: Wir beobachten „die Entwicklung der Situation in Russland genau“.
Auf dieser Videoaufnahme steht ein gepanzertes russisches Fahrzeug in einer Straße in Rostow am Don. Russlands Präsident Wladimir Putin hat angesichts des bewaffneten Aufstands des Chefs der Söldnerarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, von «Verrat» gesprochen und zur Ausschaltung der Drahtzieher aufgerufen.
Ein gepanzertes russisches Fahrzeug in einer Straße in Rostow am Don. Russlands Präsident Wladimir Putin hat angesichts des Aufstands des Wagner-Chefs Prigoschin von „Verrat“ gesprochen.Foto: Uncredited/AP/dpa
Von 24. Juni 2023

Nachdem Putin in einer Ansprache an die Nation den Aufstand der Söldnertruppe Wagner als „tödliche Bedrohung“ für Russland bezeichnete, wirft Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin dem russischen Präsidenten eine Fehleinschätzung der Lage vor. „Der Präsident irrt sich schwer“, sagte Prigoschin am Samstag in einer Sprachnachricht auf seinem Telegram-Kanal. „Wir sind Patrioten unserer Heimat.“

In einem Öldepot in Woronesch, einer der beiden Städte, in denen Wagner-Kämpfer wichtige militärische Einrichtungen in ihre Gewalt gebracht haben könnten, ist derweil ein großes Feuer entfacht worden, wie BBC berichtete. Laut dem Gouverneur der Region, Alexander Gusev, seien 100 Feuerwehrleute im Einsatz. Woronesch liegt auf halbem Weg zwischen Rostow am Don und der Hauptstadt Moskau.

Auf Videos, die in den sozialen Medien kursieren, ist zu sehen, wie eine riesige schwarze Rauchsäule aus der Anlage aufstieg. Prigoschin hatte sich am Vormittag per Video aus dem Armeehauptquartier in Rostow gemeldet und erklärt, dass seine Söldner die Kontrolle über die dortigen Armeeeinrichtungen übernommen hätten – einschließlich eines Flugplatzes.

EU-Ratspräsident: „Eindeutig ein internes russisches Problem“

Das britische Verteidigungsministerium hat die Lage Russlands in einem aktuellen Bericht als „größte Herausforderung für den russischen Staat in jüngster Zeit“ bezeichnet. „In den kommenden Stunden wird die Loyalität der russischen Sicherheitskräfte, insbesondere der russischen Nationalgarde, entscheidend für den weiteren Verlauf der Krise sein“, so das Ministerium in einem Bericht von „The Guardian“.

EU-Ratspräsident Charles Michel schreibt in einem Twitter-Beitrag: „Wir beobachten die Entwicklung der Situation in Russland genau …“ Er bezeichnet den Konflikt als „eindeutig ein internes russisches Problem“. Zudem ergänzt er: „Unsere Unterstützung für die Ukraine und [Präsident] Selenskyj ist unerschütterlich.“

Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock kommentiert ähnlich: „Die Entwicklungen in Russland beobachten wir seit gestern Abend sehr aufmerksam und stehen in engstem Austausch dazu mit unseren internationalen Partnern.“ Die deutschen Staatsangehörigen in Russland weist sie daraufhin, „unbedingt unsere angepassten Reise- und Sicherheitshinweise“ zu beachten.

Großbritanniens Premierminister Sunak hat angesichts der Eskalation in Russland zum Schutz der Zivilbevölkerung aufgerufen. Gegenüber BBC kündigte er an, noch heute mit anderen Staats- und Regierungschefs über den Aufstand der Privatarmee Wagner zu sprechen. Seiner Meinung nach müssten alle Beteiligten Verantwortung übernehmen, so Sunak.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat angesichts des Aufstandes der russischen Söldnertruppe Wagner die politische Instabilität in Russland hervorgehoben. „Die Schwäche Russlands ist offensichtlich“, erklärte Selenskyj in den Onlinemedien.

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Russische Parlamentspräsidenten unterstützen Putin

Die Vorsitzenden der beiden russischen Parlamentskammern und die von Russland eingesetzten Verwaltungschefs in den russisch kontrollierten Gebieten in der Ukraine haben dagegen ihre Solidarität mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Ausdruck gebracht.

Die Vorsitzende des russischen Oberhauses, Valentina Matwienko, versicherte, Putin habe die „volle Unterstützung“ der Parlamentskammer. Unterhausvorsitzender Wjatscheslaw Wolodin rief die Russen zur Unterstützung des Kreml-Chefs auf.

Auch die Verwaltungschefs der von Russland besetzten Regionen in der Ukraine unterstützten Putin. „Die Menschen in Cherson und die Region unterstützen unseren Präsidenten voll und ganz!“, schrieb der von Moskau eingesetzte Gouverneur in Cherson auf Telegram. Das Gebiet stehe „dem Präsidenten bei“, teilte auch der Gouverneur des von Russland kontrollierten Teils der Region Saporischschja mit.

Auswärtiges Amt rät „bis auf Weiteres“ von Besuchen im Moskauer Stadtzentrum ab

Angesichts des Machtkampfes mit den Wagner-Söldnern in Russland hat das Auswärtige Amt seine Reisehinweise für das Land aktualisiert. „Aufgrund aktueller Ereignisse“ sollten schon bisher von einer Teilreisewarnung betroffene „Verwaltungsgebiete und insbesondere die Stadt Rostow sowie das Umland gemieden werden“, teilte das Ministerium am Samstag mit. „In Moskau sollten staatliche, insbesondere militärische Einrichtungen weiträumig umgangen werden. Das Stadtzentrum sollte bis auf Weiteres gemieden werden.“

Für Russland gilt vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges schon länger eine Teilreisewarnung des Auswärtigen Amtes. Diese umfasste die an die Ukraine grenzenden Verwaltungsgebiete Belgorod, Kursk, Brjansk, Woronesch, Krasnodar und auch Rostow, wo die Wagner-Söldner in der gleichnamigen Hauptstadt nach eigenen Angaben die Kontrolle über Militäreinrichtungen übernommen haben.

Für Moskau wurde keine Reisewarnung ausgesprochen. Schon bisher wurde aber generell durch das Auswärtige Amt von Reisen in die Russische Föderation abgeraten.

(mit Material von dpa)



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