Putin: Westen will „grenzenlose Macht“ und baute Ukraine zum „Anti-Russland“ auf
Der Präsident der Russischen Föderation Wladimir Putin hat am Dienstag, 21. Februar, in Moskau eine Rede zur Lage der Nation gehalten. Darin hat er seine Vorwürfe an den Westen erneuert und eine Ausweitung der russischen Militäroperation in der Ukraine angekündigt. Außerdem erklärte er die einseitige Aussetzung des „New START“-Abrüstungsvertrages mit den USA aus dem April 2010.
Die Rede kam einen Tag nach dem Besuch von US-Präsident Joe Biden in Kiew und drei Tage vor dem Jahrestag des Beginns der russischen Invasion im Nachbarland. Es ist Putins mittlerweile 18. Ansprache dieser Art – im Vorjahr hatte es laut seiner Begründung zu der „Dynamik der Ereignisse“ keine gegeben.
Kein vollständiges Ende von „New START“
Mit Blick auf die Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine erklärte der russische Präsident:
Je mehr westliche Langstreckensysteme in der Ukraine eintreffen, desto weiter müssen wir die Bedrohung von unseren Grenzen zurückdrängen.“
Offenbar bewusst im Kontext des jüngsten Besuchs von US-Präsident Joe Biden in der Ukraine erfolgte auch die Aussetzung des „New START“-Vertrages. Der Vertrag verbietet sowohl den USA als auch der Russischen Föderation, mehr als 1.550 nukleare Sprengköpfe auf bestimmten Trägersystemen einzusetzen, dazu gehören Interkontinentalraketen, U-Boot-gestützte ballistische Raketen oder schwere Bomber.
Ein vollständiges Ende des Vertrages bedeute dies jedoch nicht. Russische Medien zitieren Putin mit der Aussage:
Ich bin gezwungen, heute zu verkünden, dass Russland seine Teilnahme am Vertrag zur Verringerung der strategischen Nuklearwaffen aussetzen wird. Ich wiederhole: Russland zieht sich nicht aus dem Vertrag zurück, nein, es setzt seine Teilnahme aus.“
Putin beschuldigt USA der Vorbereitung neuer Atomwaffentests
Wie „Fox News“ berichtet, seien beide Länder in der Lage, deutlich mehr als die zugewiesene Anzahl an Sprengköpfen einzusetzen. Die USA und Russland verfügen zusammen über mehr als 13.000 Sprengköpfe. Nach Angaben der Arms Control Association machen diese etwa 90 Prozent des weltweiten Atomwaffenarsenals aus.
Nach dem nuklearen Wettrüsten, das mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion weitgehend beendet wurde, hatte die UNO auf nukleare Abrüstung gedrängt. Die weltweiten Bestände an Sprengköpfen sind seit ihrem Höchststand im Jahr 1985 deutlich zurückgegangen. Damals waren schätzungsweise noch mehr als 70.000 Sprengköpfe in den weltweiten Lagerbeständen vorhanden.
Putin kündigte auch an, dass Russland eine Wiederaufnahme von Atomwaffentests erwäge. Der russische Präsident begründete dies mit der Darstellung, wonach man in Washington ebenfalls über einen solchen Schritt nachdenke. Wörtlich erklärte er:
Wir werden sicherlich nicht die Ersten sein, die das tun, aber wenn die USA einen Test durchführen, werden wir es auch tun.“
USA weisen Darstellungen über Biowaffenlabore zurück
Offizielle Aussagen der USA über ein solches Vorhaben gibt es nicht. Jüngst testete die US-Luftwaffe eine ballistische Langstreckenrakete des Typs Minutemen III, allerdings sei diese nicht mit einem Sprengkopf bestückt gewesen. Es habe sich um einen Routinetest gehandelt, wie er bereits zuvor etwa 300-mal stattgefunden habe, hieß es aus US-Militärkreisen. Es bestehe kein Zusammenhang mit der weltpolitischen Lage.
In seiner Rede erneuerte Putin auch seinen Vorwurf an die USA, diese würden in der Ukraine geheime Labore zur Entwicklung biologischer Waffen betreiben. Die USA weisen auch diesen Vorwurf kategorisch zurück.
Militärkreise weisen darauf hin, dass bereits die Sowjetunion in der Zeit des Kalten Krieges Behauptungen ähnlicher Art aufgestellt habe – etwa im Zusammenhang mit dem AIDS-Virus. Schon damals seien diese jedoch unzutreffend gewesen. In der Ukraine gebe es lediglich allgemeine medizinische Forschungslabore, an denen US-amerikanische Partner mitwirkten. Solche Kooperationen habe jedoch auch Russland in der Vergangenheit gepflegt.
Putin sieht sich durch Merkel-Aussagen zum Minsk-Abkommen bestätigt
Bezüglich seiner erneuten Darstellung, wonach der Westen hinter dem Rücken Russlands eine Hochrüstung der Ukraine angestrebt habe, während der Kreml sich um eine friedliche Konfliktlösung bemüht habe, hat Putin jedoch eine Kronzeugin.
Im Dezember hatte Deutschlands Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Interview mit der „Zeit“ erklärt:
Es war uns allen klar, dass das ein eingefrorener Konflikt war, dass das Problem nicht gelöst war, aber genau das hat der Ukraine wertvolle Zeit gegeben. Und das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht.“
Der Kreml sah sich durch diese Aussage in seiner Einschätzung bestätigt, dass der Westen keine Friedenslösung für die mehrheitlich von ethnischen Russen bewohnten Donbass-Gebiete wollte. Stattdessen solle die nationalistische Führung in Kiew Zeit für die Aufrüstung erhalten, um eines Tages militärisch im Donbass vollendete Tatsachen schaffen zu können. Der Westen habe zu keinem Zeitpunkt Druck auf die Ukraine entfaltet, das Abkommen, das unter anderem erweiterte Autonomierechte für den Donbass beinhaltet habe, umzusetzen.
Nicht nur Präsident Petro Poroschenko, der das Abkommen unterschrieben hatte, zeigte sich wenig entschlossen, den Friedensplan voranzubringen. Auch sein 2019 mit 75 Prozent der Stimmen gewählter Nachfolger Wolodymyr Selenskyj hatte entgegen anderslautenden Ankündigungen im Wahlkampf kaum Bereitschaft dazu gezeigt. Beobachter gehen davon aus, dass er aus Angst vor dem starken Einfluss radikaler Nationalisten in Staatsapparat, Sicherheitskräften und Militär davor zurückschreckte.
„Verantwortung für Eskalation bei westlichen Eliten“
Putin hatte die vor einem Jahr befohlene Militäroperation unter anderem damit begründet, dass die ukrainische Armee massiv an der Kontaktlinie aufmarschiert war. Es sei davon auszugehen gewesen, dass sie im Begriff gewesen sei, das von prorussischen Separatisten kontrollierte Gebiet zu überrennen.
Allerdings ließ das Gebaren der russischen Armee zu Beginn der Invasion erkennen, dass man im Kreml insgeheim auch darauf spekuliert hatte, einen Regierungswechsel in Kiew herbeiführen zu können. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch am massiven Widerstand, auf den die russischen Streitkräfte in der Zentralukraine stießen.
Dem Westen warf Putin vor, nach „grenzenloser Macht“ zu streben. Die Geldflüsse und Waffenlieferungen von dort nähmen nicht ab, mittlerweile stünden Billionen US-Dollar auf dem Spiel. Man habe schon vor langer Zeit damit begonnen, die Ukraine zu einer Art „Anti-Russland“ aufzubauen. Dabei habe man auch keine Berührungsängste zu neonazistischen Kräften gekannt. Die Verantwortung für die Eskalation in der Ukraine liege deshalb „bei den westlichen Eliten“, so Putin.
Diese hingegen sprechen nach wie vor von einem „russischen Angriffskrieg“ gegen eine Ukraine, die friedfertig sei und den westlichen Anforderungen an eine liberale Demokratie genüge.
(Mit Material von dpa und dts)
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