Russland und die USA: Misstrauen und gegenseitige Vorwürfe im Ukraine-Krieg

Details werden zwar nicht genannt, doch im Gespräch zwischen den ranghöchsten Militärs in Moskau und Washington ging es auch um den Krieg in der Ukraine. Nach fast drei Monaten Krieg öffnet das eine Kommunikationslinie.
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Flaggen der USA und Russland. Symbolbild.Foto: MLADEN ANTONOV/AFP/Getty Images
Epoch Times20. Mai 2022


Nach fast drei Monaten Krieg haben die Generalstabschefs der USA und Russlands ein Gespräch zur Lage in der Ukraine geführt.

Auf Initiative Washingtons hätten der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow und sein US-Kollege Mark Milley bei dem Telefonat über Fragen von gegenseitigem Interesse gesprochen, darunter die Situation in der Ukraine, teilte am Donnerstag das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Details wurden nicht genannt.

Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, sagte: „Wir glauben, dass es wichtig ist, dass die Kommunikationslinien offen sind.“ Man wisse nicht, was Gerassimow dazu bewogen habe, die Einladung zum Gespräch anzunehmen. Kirby machte aber deutlich, dass die USA nicht davon ausgingen, dass sich die russische Position im Krieg gegen die Ukraine geändert habe.

Telefonat zwischen Austin und Schoigu

Erstmals seit Beginn des Krieges in der Ukraine am 24. Februar hatte am vergangenen Freitag US-Verteidigungsminister Lloyd Austin seinen russischen Kollegen Sergej Schoigu angerufen. Austin hatte dabei auf einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine gedrängt und die Bedeutung weiterer Kommunikation betont.

Moskau wirft Washington seit Wochen vor, die Ukraine als Schlachtfeld zu benutzen, um mit Waffenlieferungen an Kiew und mit massiven Sanktionen Druck auf Russland auszuüben. Der Vizechef der russischen Präsidialverwaltung, Sergej Kirijenko, sagte, dass Russland nicht gegen die Ukraine kämpfe. „Gegen uns kämpft der vereinte Westen, nur eben auf dem Gebiet der Ukraine, leider mit den Händen der Ukrainer. Das ist eine dramatische Sache, aber es ist so“, behauptete Kirijenko auf einem Diskussionsforum.

USA und Russland machen sich gegenseitig für schlechte Ernährungslage verantwortlich

Gegenseitige Vorwürfe machten sich die USA und Russland derweil auch im Zusammenhang mit der weltweit schlechten Ernährungslage. US-Außenminister Antony Blinken warf Moskau auf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats am Donnerstag vor, die Lebensmittelversorgung „von Millionen Ukrainern und Millionen weiterer Menschen auf der ganzen Welt“ in Geiselhaft zu nehmen.

„Hören Sie auf, Ländern, die Ihren Angriffskrieg kritisieren, mit einem Exportstopp für Lebensmittel und Düngemittel zu drohen“, fügte Blinken hinzu. Er forderte Russland auf, die Ausfuhr von ukrainischem Getreide zuzulassen, das in Häfen am Schwarzen Meer blockiert wird.

Russland findet andere Gründe für weltweite Nahrungsmittelkrise

Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensia wies die Vorwürfe zurück. Die Welt leide infolge einer Inflationsspirale seit langem unter einer Nahrungsmittelkrise. Diese sei durch steigende Versicherungskosten, logistische Engpässe und Spekulationen auf westlichen Märkten verursacht worden. Sanktionen westlicher Länder verschärften die weltweite Ernährungslage. Die ukrainischen Streitkräfte hätten ihre eigenen Häfen zudem durch Minen blockiert.

„Auf der einen Seite werden verrückte Sanktionen gegen uns verhängt, auf der anderen Seite fordern sie Lebensmittel-Lieferungen. So funktioniert das nicht, wir sind keine Idioten“, erklärte Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew später auf Telegram.

Russland sei bereit, seine „Verpflichtungen in vollem Umfang zu erfüllen“, aber es erwarte auch „Unterstützung von seinen Handelspartnern“, fügte der heutige stellvertretende Vorsitzende des russischen Nationalen Sicherheitsrates hinzu. „Die Länder, die unseren Weizen und andere Lebensmittel importieren, werden es ohne Lieferungen aus Russland sehr schwer haben“, erklärte der Ex-Präsident. „Und auf europäischen und anderen Feldern wird ohne unsere Düngemittel nur saftiges Unkraut wachsen.“

Ukraine: Russland stiehlt „geschätzt 500.000 Tonnen“ Getreide

Blinken erwiderte mit Blick auf den Krieg in der Ukraine: „Die Sanktionen blockieren nicht die Schwarzmeerhäfen, stellen Schiffen voller Lebensmittel keine Fallen und zerstören nicht die ukrainischen Straßen und Eisenbahnlinien“. Die westlichen Sanktionen beinhalteten zudem „bewusst Ausnahmen für Nahrungsmittel, Düngemittel und Saatgut aus Russland“. Die Entscheidung, Nahrungsmittel „zu einer Waffe zu machen“, komme „von Moskau allein“.

Indessen bekräftigte die Ukraine ihre Vorwürfe, dass russische Truppen in der Ukraine Getreide stehlen würden. Die Diebstähle beliefen sich mittlerweile auf „geschätzt 500.000 Tonnen“, erklärte Serhij Dwornyk, Mitglied der diplomatischen Vertretung der Ukraine bei der UNO. „Etwa 400 Millionen Menschen weltweit sind von den Getreidelieferungen der Ukraine abhängig“, betonte der ukrainische Diplomat.

„Vor der Invasion exportierte die Ukraine fünf Millionen Tonnen Getreide pro Monat“, sagte er. Im März seien Exporte „auf nur etwa 200.000 Tonnen und im April auf etwa 1,1 Millionen Tonnen“ gesunken.

Russland und die Ukraine produzieren zusammen 30 Prozent des weltweiten Weizenangebots. Im Zuge des Krieges kam es jedoch zu Ernteausfällen und der Blockade von Agrarexporten. Wegen steigender Preise für Nahrungsmittel warnen Hilfsorganisationen vor einer Verschärfung des Hungers weltweit, in zahlreichen Entwicklungsländer werden Unruhen befürchtet.

(dpa/afp/red)



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