Russland will Cherson zu „Festung“ ausbauen und verteidigen
Moskau baut nach eigenen Angaben die südukrainische Stadt Cherson zu einer „Festung“ aus. Die von russischen Truppen besetzte Stadt bereite sich auf ihre Verteidigung gegen die vorrückende ukrainische Armee vor, schrieb der Vertreter der pro-russischen Verwaltung der Region, Kirill Stremussow, am Freitag im Onlinedienst Telegram. Zuvor hatte Stremussow ukrainischen Truppen die Tötung von vier Zivilisten vorgeworfen. Die Ukraine wies dies zurück und warf ihrerseits Russland vor, einen Staudamm in der Region zerstören zu wollen, was eine „Katastrophe großen Ausmaßes“ zur Folge haben könnte.
Stremussow beschuldigte ukrainische Truppen am Freitag, beim nächtlichen Beschuss einer Brücke in Cherson vier Menschen getötet zu haben. Das russische Ermittlungskomitee erklärte später ebenfalls, bei den Angriffen seien vier Menschen getötet worden, darunter zwei Journalisten. 13 weitere Menschen seien verletzt worden.
Die ukrainische Militärsprecherin Natalia Gumenjuk wies die Anschuldigungen zurück und erklärte, ukrainische Streitkräfte würden nicht auf die lokale Bevölkerung zielen.
„88 Orte befreit“
Nach Angaben der Ukraine sind seit der vergangenen Woche 88 Städte und Dörfer in der Region Cherson zurückerobert wurden. „Region Cherson: 88 Orte befreit“, erklärte der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Kyrylo Timoschenko, in Onlinediensten. Vergangene Woche hatte Kiew bereits die Rückeroberung von 75 Ortschaften in der Region gemeldet.
Die Ukraine beschuldigte zudem russische Streitkräfte, den Staudamm des Wasserkraftwerks Kachowka vermint zu haben, um mit einer Flutwelle eine ukrainische Gegenoffensive in Cherson zu stoppen. Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte am Donnerstagabend vor einer „Katastrophe großen Ausmaßes“. Im Falle eines Dammbruchs seien hunderttausende Menschen am Fluss Dnipro in Gefahr.
„Russland bereitet eine menschengemachte Katastrophe vor“, sagte Selenskyjs Berater Mychailo Podoljak. Russland vermine den Damm und Transformatoren des Kraftwerks, um einen Dammbruch und eine Flutwelle zu verursachen. Das Ziel sei, den ukrainischen Vormarsch zu stoppen.
Cherson war die erste größere ukrainische Stadt, die nach dem Beginn des Ukraine-Krieges von russischen Streitkräften besetzt wurde. Angesichts vorrückender ukrainischer Truppen im Zuge der seit Wochen andauernden „Gegenoffensive“ der Ukraine hat Russland vor wenigen Tagen mit der „Evakuierung“ von Zivilisten und pro-russischen Behörden aus Cherson begonnen. Inzwischen sollen bereits 15.000 Menschen ans linke Ufer des Dnipro gebracht worden sein, wie Stremussow erklärte. Kiew verurteilt das Vorgehen als „Deportation“ von Zivilisten nach Russland.
EU stellt Ukraine für 2023 monatlich 1,5 Milliarden Euro in Aussicht
Unterdessen kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an, der Ukraine für das kommende Jahr monatlich 1,5 Milliarden Euro an Wirtschaftshilfe in Aussicht zu stellen. Die Ukraine habe um „einen stabilen, zuverlässigen und vorhersehbaren Fluss“ von Mitteln durch internationale Geber gebeten, sagte von der Leyen am Freitag nach dem EU-Gipfel in Brüssel. Die Finanzminister der Mitgliedstaaten sollten dies nun konkret ausarbeiten.
Die Ukraine schätzt ihren monatlichen Finanzbedarf auf drei bis vier Milliarden Euro. Das Geld soll nach Angaben von der Leyens gemeinsam von der EU, den USA und internationalen Finanzinstitutionen zur Verfügung gestellt werden.
Die EU hatte der Ukraine im Frühjahr bereits neun Milliarden Euro Finanzhilfe für das laufende Jahr zugesagt. Die bisher noch nicht gebilligten drei Milliarden Euro sollen der deutschen Kommissionschefin zufolge nun möglichst rasch freigegeben werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) informierte die Staats- und Regierungschefs nach eigenem Angaben auf dem Gipfel über die Berliner Expertenkonferenz zum Wiederaufbau der Ukraine am kommenden Dienstag. Scholz will sie gemeinsam mit von der Leyen eröffnen.
Die Staats- und Regierungschefs der EU verurteilten zudem „auf das Schärfste die jüngsten wahllosen russischen Raketen- und Drohnenangriffe“ auf die Ukraine, wie es in der Abschlusserklärung hieß. Am ersten Gipfeltag am Donnerstag hatte sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Videoschalte an den Gipfel gewandt und gesagt, russische Streitkräfte hätten sein Land mit Angriffen auf das Stromnetz in ein „Schlachtfeld“ verwandelt. (afp/dl)
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