Russland will volle Kontrolle über Donbass und Süd-Ukraine

Erstmals hat sich die russische Militärführung konkret zu Russlands Zielen in der sogenannten "zweiten Phase des Militäreinsatzes" in der Ukraine geäußert. Der russische Generalmajor Minnekajew zieht dabei einen Vergleich mit dem 2. Weltkrieg: Russland kämpfe derzeit "gegen die ganze Welt".
Russische Militärfahrzeuge fahren auf einer Straße im ostukrainischen Gebiet Donezk.
Russische Militärfahrzeuge fahren auf einer Straße im ostukrainischen Gebiet Donezk.Foto: Alexei Alexandrov/AP/dpa
Epoch Times22. April 2022

Russland strebt im Krieg gegen die Ukraine die vollständige Kontrolle über den gesamten Donbass sowie den Süden des Landes an. Dies sei seit Beginn der „zweiten Phase der Spezialoperation“ eine der Aufgaben der Armee, sagte Generalmajor Rustam Minnekajew am Freitag laut russischen Nachrichtenagenturen. Die UNO kam derweil zu der Einschätzung, dass sich die Taten der russischen Armee seit Kriegsbeginn „als Kriegsverbrechen erweisen“ könnten.

Mit der Eroberung des Donbass und des Südens könne eine „Landverbindung“ zur annektierten Krim-Halbinsel geschaffen werden, sagte Minnekajew russischen Nachrichtenagenturen zufolge bei einem Treffen mit Vertretern des militärisch-industriellen Komplexes in Jekaterinburg.

Seine Äußerungen waren die bislang detailliertesten Angaben zu Russlands Zielen in der „zweiten Phase“ des Militäreinsatzes. Sie scheinen zu bestätigen, dass Moskau auch die Eroberung der drittgrößten ukrainischen Stadt Odessa am Schwarzen Meer anstrebt.

Laut Minnekajew, der Vize-Kommandeur der Truppen des zentralrussischen Militärbezirks ist, könnte die Kontrolle über die Südukraine Russland auch in die Lage versetzen, die prorussischen Separatisten in Transnistrien in der Republik Moldau zu unterstützen.

Damit wäre auch ein „Korridor nach Transnistrien“ geschaffen, wo es „ebenfalls Fälle von Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung“ gebe, sagte er. Die Regierung der ehemaligen Sowjetrepublik Moldau ist ebenso wie die Ukraine pro-westlich.

Russischer Generalmajor: „Der ganze Planet gegen uns“

Russland kämpfe wie schon im Zweiten Weltkrieg derzeit „gegen die ganze Welt“, zitierten die Agenturen General Minnekajew weiter. „Damals war ganz Europa, der ganze Planet gegen uns. Jetzt ist es das Gleiche, sie haben Russland nie gemocht.“

Moskau hatte am Donnerstag erklärt, die strategisch wichtige Hafenstadt Mariupol sei unter Kontrolle mit Ausnahme des Industriegebiets von Asow-Stahl. Kiew erklärte am Freitag, die ukrainischen Kämpfer, die sich im Stahlwerk der Stadt verschanzt haben, blieben „standhaft“.

Der ukrainische Regionalgouverneur Pawlo Kyrylenko beschrieb die Lage der verbliebenen Soldaten am Freitag als „sehr schwierig“. Die Bombardierungen auf das Gelände hielten an. Die Kämpfer würden jedoch „so lange wie nötig durchhalten“. Der Gouverneur bezeichnete den Ausgang der Gefechte in Mariupol als entscheidend für den gesamten Kriegsverlauf. „Der Erfolg der russischen Offensive im Süden hängt vom Schicksal von Mariupol ab.“

Das russische Verteidigungsministerium erklärte indes, Russland sei „jederzeit“ zu einer Feuerpause auf dem Industriegelände Asow-Stahl in Mariupol bereit. Voraussetzung wäre, dass die ukrainischen Verbände die weiße Flagge hissten. Der russische Präsident Wladimir Putin warf Kiew in dem Zusammenhang vor, eine Kapitulation der ukrainischen Truppen in der Hafenstadt Mariupol zu verhindern. „Das Kiewer Regime erlaubt nicht, dass diese Möglichkeit genutzt wird“, wurde Putin in der Erklärung des Kreml zitiert.

Gegenseitige Vorwürfe des „Kriegsverbrechens“

Die UNO erklärte am Freitag, Russlands Taten in der Ukraine seit Kriegsbeginn könnten auf „Kriegsverbrechen“ hinauslaufen. „Die russischen Truppen haben wahllos Wohngebiete bombardiert, Zivilisten getötet und Krankenhäuser, Schulen und andere zivile Einrichtungen zerstört, lauter Taten, die sich als Kriegsverbrechen erweisen könnten“, sagte Ravina Shamdasani, Sprecherin des UN-Menschenrechtskommissariats.

Hingegen warf Putin, dem Kreml zufolge, führenden Vertretern der EU vor, von der ukrainischen Seite begangene „Kriegsverbrechen“ zu ignorieren. Als „unverantwortlich“ bezeichnete er Äußerungen von EU-Vertretern, denen zufolge die „Situation in der Ukraine auf militärischen Weg“ gelöst werden müsse. Auf welche Äußerungen Putin damit genau anspielte, ließ die Erklärung offen, doch könnte sich der Kreml-Chef auf einen Twitter-Kommentar des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell beziehen, wonach „dieser Krieg auf dem Schlachtfeld gewonnen werden wird“.

Der russische Staatschef beschuldigte zudem die Staats- und Regierungschefs „der meisten EU-Länder“, eine „offene Russophobie“ in Kultur und Sport zu fördern. Dabei spielte er offenbar auf den Ausschluss russischer Teilnehmer aus Sport- und Kulturveranstaltungen an.

Ukainischer Finanzminister warnt vor Kollaps der eigenen Wirtschaft

Der ukrainische Finanzminister Serhij Martschenko hat unterdessen vor einem Kollaps der ukrainischen Wirtschaft gewarnt. Drei Viertel des Bruttoinlandsprodukts seines Landes seien seit Beginn der Kämpfe bereits verloren gegangen, zitierte der „Spiegel“ am Freitag den Minister – demnach äußerte er sich im Gespräch mit seinen Amtskollegen der Eurogruppe laut Teilnehmern bei deren Treffen kürzlich in Luxemburg.

Martschenkos Angaben zufolge konnten zuletzt 64 Prozent der Erwerbstätigen in der Ukraine nicht mehr ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen. Die Einnahmen des ukrainischen Staates seien stark gesunken und die Lücke wachse mit jedem Kriegstag weiter an, zitierte das Nachrichtenmagazin den Minister weiter.

Martschenko war bei dem Treffen in der vorvergangenen Woche per Video zugeschaltet. Bei dem Gespräch warnte er laut „Spiegel“ die Europäer auch vor „katastrophalen Auswirkungen, auch auf die EU“, sollten die ukrainischen Bauern bis Mai nicht ihre Aussaat vornehmen können. Fast zehn Prozent der weltweiten Getreidelieferungen entfielen zuletzt auf die Ukraine.

Hierzulande hat die Furcht vor Engpässen wegen des Ukraine-Kriegs bereits zu Hamsterkäufen geführt. Leere Regale gab es zuletzt unter anderem bei Sonnenblumenöl und Mehl. Teils sahen sich Supermärkte dazu gezwungen, die Abgaben pro Haushalt zu rationieren. (afp/dl)



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