Schwedens Premier: „Es ist, als ob alles in die falsche Richtung läuft“

Obwohl Schwedens Wirtschaft boomt und das Flüchtlingsproblem von 2015 irgendwie bewältigt wurde, sagt Premierminister Stefan Löfven über sein Land: Es sei, „als ob alles in die falsche Richtung läuft." Die Financial Times interviewte ihn zur Lage Schwedens.
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Schwedens Premier blickt pessimistisch in die Zukunft: Die Situation sei "surreal".Foto: ODD ANDERSEN / AFP / Getty Images
Epoch Times13. April 2016

In Schweden betrug das Wirtschaftswachstum zuletzt 4,5 Prozent und die Arbeitslosigkeit ist auf dem niedrigsten Stand seit der Finanzkrise 2008. Und trotzdem findet der Regierungschef Löfven, dass es nicht gut läuft: Gegenüber Financial Times nennt er die Lage „surreal“ – besonders wegen der Migrationskrise.

Löfvens Mitte-Links-Regierung leidet an Unbeliebtheit, nachdem Schweden 2015 bei einer Bevölkerung von 9,6 Mio. Menschen 163.000 Asylbewerber aufgenommen hat.

Löfven nennt die Flüchtlingskrise „surreal" und erklärt: „Aber noch surrealer ist, dass alle (Wirtschafts-)Zahlen in die richtige Richtung gehen, die Öffentlichkeit aber das Bild hat, dass sich das Land in die falsche Richtung entwickelt. Es geht nicht nur die Angst vor der Flüchtlingskrise um; sondern die Ansicht, das alles in die falsche Richtung läuft."

In jüngsten Meinungsumfragen steht Lövfen mit seiner rot-grün Regierung bei 38,5 Prozent – fast 5 Prozentpunkte hinter dem Mitte-Rechts-Block. Seiner Ansicht nach, weil die Migrationskrise „alles überschattet“.

Die letzten sechs Monate waren für die schwedische Linken traumatisch: Die Belastung der Behörden und des Sozialsystems durch den Migrantenansturm war enorm. Die 80.000 Asylbewerber, die im Herbst in nur zwei Monaten nach Schweden kamen, waren für das kleine Land so, als würden in nur einem Jahr 25 Millionen Menschen in die EU einwandern, so Löfven.

Eine Kehrtwende war die Folge: Man fuhr die großzügige Asylpolitik auf europäische Mindeststandards herab. Die Vizepremierministerin weinte während der Verkündigung und Lövfen sagte, dies wäre der schwerste Schritt, den er in 20 Jahren Politik gegangen sei.

Doch der Schritt zeigte Wirkung: Letzte Woche kamen nur noch 500 Asylbewerber nach Schweden, statt der Spitzenwerte von fast 10.000 pro Woche. Innenpolitisch bewirkte die härtere Gangart und Rhetorik, dass die einwanderungskritischen Schwedendemokraten von ihrem Spitzenwert 25 Prozent in Umfragen auf 15 Prozent zurückfielen, so die FT.

Wie die Leute integrieren?

Da Ausländer fast 2,6 mal häufiger arbeitslos sind wie die Einheimischen (laut OECD das zweithöchste Verhältnis in entwickelten Ländern) ist Schwedens Thema Nr. 1 nun die Integration. Bisher hat nach 10 Jahren im Land nur die Hälfte aller Asylbewerber einen Job. Dass dies anders werden muss, bemäkelt deshalb auch die Opposition, wie Anna Kinberg Batra, Führerin der größten konservativen Partei „Moderaterna“. Sie schlägt vor, dass Migranten die Hälfte ihrer Arbeitszeit auf das Erlernen der schwedischen Sprache verwenden sollten.

Die drei anderen Mitte-Rechts-Parteien fordern eine Senkung des Mindestlohns für Einwanderer.

Ex-Gewerkschaftsführer Löfven will die Integration beschleunigen, in dem Sprachkurse schon während des Asylverfahrens beginnen und Arbeitgeber ausländische Qualifikationen akzeptieren sollen.

Doch neben der internen Schwierigkeiten blickt Schweden noch wegen externer Faktoren besorgt in die Zukunft.

Problem Nr. 1 ist Europas Umgang mit der Migrationskrise: „Weil wir bisher nicht bewiesen haben, dass wir diese Situation lösen können" so Löfven.

Angst vor „Brexit“

Problem Nr. 2 ist der potentielle „Brexit“ der Briten aus der EU. „Als Vereinigung würden wir schwächer. Wir sind nicht in der Lage, uns jetzt angesichts der globalen Wirtschaft zu teilen – wo Indien, China und die Vereinigten Staaten auf der anderen Seite stehen. In dieser Position wird uns eine plötzliche Aufteilung schwächen. . . Es wäre sehr, sehr schlecht ", glaubt Löfven.

Nato-Beitritt, ja oder nein?

Problem Nr. 3 ist, dass sich Schweden nach 200 Jahren Frieden wehrlos fühlt und die Opposition auf einen Nato-Beitritt des bisher neutralen Landes drängt. Dies würde die Sicherheit in der Ostseeregion verbessern, findet Anna Kinberg Batra, die als Favoritin der nächsten Wahlen gilt.

Kinberg Batra sagte der Financial Times, alle vier Parteien der in Umfragen führenden Mitte-Rechts-Allianz wollen den Nato-Beitritt, denn: „Wir brauchen andere für unsere Sicherheitsarchitektur … Für den Fall, dass wir Hilfe von anderen benötigen, brauchen wir die Vollmitgliedschaft ", so Kinberg Batra.

Könnten Feind nur eine Woche standhalten“

In Schwedens Verteidigungs- und Sicherheitspolitik gab es in den letzten Jahren mehrere Pannen. Der Leiter der Streitkräfte sagte sogar, das Land könnte nur eine Woche lang gegen einen fremden Eindringling standhalten, so FT. Vor achtzehn Monaten entdeckt die Marine ein fremdes U-Boot in Stockholmer Gewässern, konnte es aber nicht verfolgen.

Aktuell nimmt Schweden zwar schon an Manövern und „Friedensmissionen“ der Nato bei, darunter auch in Afghanistan. Die Rotgrün-Regierung ist jedoch nach wie vor zutiefst skeptisch bezüglich Mitgliedschaft. Stattdessen verweist man auf das Bündnis mit den Finnen, die auch nicht in der Nato sind. Löfven sieht in einer Änderung des Status Quo eine „Schwächung der Sicherheit in unserer Region und für unser eigenes Land“.

Schweden wurden durch eine Reihe von Vorfällen verunsichert, einschließlich Luftraumverletzungen durch russische Kampfflugzeuge, die 2013 sogar einen Atombomben Angriff auf Stockholm simulierten. Deshalb steigen laut FT nun in Meinungsumfragen die Beitritts-Befürworter. (rf)



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